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H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043387
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1931
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

Abschluß gefunden. 
VI. 
bloßen Natur bekämpfen zu wollen, die sich in ihm darstellt. 
Nur die Vernunft kann die maßlose Ratio begrenzen; die 
Vernunft, zu deren Merkmalen auch dieses gehört, daß sie 
ihrer Bedingtheit eingedenk ist. „Wir schätzen den Franzoen", 
heißt es einmal in der „Tat", „als Gegner aus dem Krieg. 
Viele von uns hasten später auf Reisen durch Frankreich den 
Lebensstil des französischen Kleinbürgers und Bauern kennen- 
gelernt, und wir haben seine statisch«, konservative Mentalität 
verstanden." Nun, diese doch wohl schätzenswerte Mentalität ist 
die eines Volkes, das der Vernunft einst göttliche Ehren er 
wies und ihr Walten freimütig anerkennt. Auch der Tat-KreiS 
sollte nicht länger dem unfruchtbaren Groll gegen sie nachgeben, 
der ihn von seinen wahren Zielen nur abdrängt. Im Novem 
berheft erklärt Erwin Ritter: „Wir ringen... um die Rück 
kehr des Intellektes zur Bescheidenheit." Der bescheidene Intel 
lekt: er eben ist ja die Vernunft, die es in dieser zur Ent 
scheidung drängenden Situation mehr als je anzuwenden gilt. 
Denn ohne ihren vollen Einsatz, ohne die klar«, bündige Absage 
an die finstern Mächte des Widergeistes wird der Kreis der um 
die „Tat geschälten Menschen "niemals das haben, was ihm 
teuer ist: die neue Wirtschaft, die nur ein Werk der Erkentniz 
sein kann, und das Volk von rechts und von links, dessen 
Umrisse ihm borschweben. 
gesamten Totalität geht . . ." Wäre der Einsatz des 
'Glaubens vorhanden, das auch sonst häufig gebrauchte Wort 
von der Totalität erhielte sein ihm hier zugedachtes Gewicht. 
Die politische Aktivität der „Tat" allerdings hätte damit ihren 
Ueber die Fttmzerrfur. 
„Nicht der Branche zuliebe ist diese Schrift geschrieben, 
sondern für den wertvollen Film. Mehr noch: für die 
Entfaltung und die Fruchtbarkeit des geistigen deutschen 
Lebens, das heute nicht zuletzt auch in der Form des 
Films sich bekunden kann." 
Wir zitieren diese Sätze aus der Einleitung des Buches: 
„Verbotene Filme" von Wolfga g Petzet (So 
' cietäts-Verlag Frankfurt a. M. 160 S. K .. Mk. 2.50), weil 
sie seine Absichten scharf umreißen. In ' Tat handelt es sich 
hier um eine Streitschrift, die wie jed echte Polemik über ihr 
begrenztes Kampfziel hinausgreift. Sie beschränkt sich darauf, 
die Filmzensur zu geißeln. Aber indem sie deren Methoden 
anprangert, kennzeichnet sie zugleich die Mentalität, die heute 
aus vielen Aeußerungen des öffentlichen Lebens in Deutsch 
land spricht. 
Voraussetzung ihres Nachweises ist zunächst die genaue 
Materialanalyse. Petzet handhabt sie musterhaft. Er untersucht 
mit philologischer Exaktheit den Text des Lichtspielgesetzes, 
verfolgt wie ein Spürhund die verschiedenen Zenfurbescheide 
und ihre Begründungen und benutzt auch sonst alles ein 
schlägige Material. Wobei es ihm immer wieder gelingt, aus 
den von ihm zitierten amtlichen Dokumenten, Schriften, Fach- 
zeitschristen-Artikeln usw. Bekenntnisse herauszulocken, die sie 
eigentlich gar nicht ablegen wollen. 
Daß er sie so unter Druck setzen kann, ist seiner entschiede 
nen Haltung zu danken. Dieser Autor weiß, worauf es an- 
kommt, weiß es auf ökonomischem, sozialem, politischem und 
kulturellem Gebiet. Eben darum vermag er auch sein Material 
von allen möglichen Seiten her zu bedrängen und die Gegner 
so zu umzingeln, daß es schlechterdings kein Ausweichen mehr 
für sie gibt. Er stellt nicht nur die Willkür der Filmzensur 
bloß, er entkräftet sämtliche Argumente, die sie zu ihren Gun 
sten geltend macht. Und nicht anders verfährt er mit der Film 
industrie, die ja scheinbar unter dem Wüten der Zensur be 
sonders schwer zu leiden hat. Auch ihr Verhalten wird auf 
Herz und Nieren geprüft, und das Ergebnis ist, daß der 
Produktionsapparat mit dem Kontrollapparat vortrefflich har 
moniert. 
Wir müssen es uns leider versagen, auf die Fülle der Ein 
zelanalysen näher einzugehen. Die Hauptsache ist, daß sie die 
Unsinnigkeit des Lichtspielgesetzes und seiner Anwendung voll 
kommen zur Evidenz erheben; daß sie ferner die Betrachtung 
der Fälle Zum Anlaß nehmen, um wichtige Aussagen Über 
unsere öffentlichen Zustände zu machen; daß sie schließlich 
nachhaltig auf das Grundgebrechen unseres kulturellen Lebens 
aufmerksam machen, insofern es staatlich zu reglementieren 
versucht wird: Die Kulturpolitik hat innerhalb des heutigen 
Systems keine feste Direktion, sondern ist jeweils die Resul 
tierende von . Druck und Gegendruck. Daher die unzulängliche 
Arbeit -der PM daher die Zufälligkeit ihrer Beschlüsse, 
die sich noch dazu oft genug widersprechen. Petzet schlagt ein 
mal halb im Scherz vor, daß man die der Zensur vorzuführen- 
den Filme zuerst dem Publikum zeigen solle, damit es Wetten 
über ihre Zulassung oder ihr Verbot abschließen könne. „Es 
wäre ein . . . in jeder Hinsicht moralisches Glücksspiel," fahrt 
er f)vt, „ganz wie es Polizei und Gesetzgebung bei uns liebt: 
-ein gewisser Grad von geistiger Konzentration, Einfühlungs 
gabe, Gefchicklichkeit und Balancierkunst wäre zur Gewinnung 
der richtigen Lösung nötig, und dennoch würde auch der Er- 
Die Sorge um das Schicksal der unersetzlichen, im Mittel 
stand vorhandenen Kräfte hat mich zu diesen Auseinander 
setzungen bestimmt. Ihre einzige Absicht ist: der Ausweis der 
Situation, in der die „Tat" sich befindet. Er ist auch rm 
Jnteresie der von dieser vertretenen Sache geboten; in dem 
jeder Sache, die eine ist. 
Soviel ich sehe, gründet sich die der „Tat" aus die bereits 
eingangs erwähnte tiefe Erfahrung der Verbundenheit des 
Volks. Sie zu gewinnen, ist seiner Zwischenposition wegen ge 
rade der Mittelstand befähigt, und ich wüßte nicht, wie man sie 
besser ausdrücken könnte als durch die folgenden Sätze Zehrers: 
„Die Gemeinsamkeit des konservativen Menschen, der seiner 
Natur, seiner Tradition, seinem Blut und seinem Charakter 
nach das heutige System nie anerkennen konnte, mit dem 
neuen Menschen auf der Linken, den das heutige System durch- 
walkte und ausspie, ist größer, beide sind sich näher, als sie 
ahnen. Der Weg der Zukunft führt dahin, diesen Menschen 
rechts mit dem Menschen links zusammenzuführen und umge 
kehrt ..." Hinzu kommt eben die Erfahrung der Schäden des 
heutigen Systems, die den legitimen Aufruhr gegen die ent 
fesselte Ratio bedingt. Auch er ist an Einsichten geknüpft, die 
während der Krise besonders den Mittelschichten nahegelegt 
worden sind. 
Die Aufgabe, diese substantiellen Erfahrungen des Mittel 
stands fruchtbar zu machen, ist nun keineswegs gleichbedeutend 
mit einer engherzigen Mittelstandspolitik. Denn entstammen sie 
auch dem Mittelstand, so zielen sie doch nicht ohne weiteres 
darauf ab, ihn in seiner sozialen Zwischenstellung zu ver 
ewigen. Begnügte sich der Tat-Kreis mit einer solchen Misston: 
dann allerdings wäre er in einer Sackgasse ohne Ausweg, 
müßte an der Unwirklichkeit seiner Begriffe und an inneren 
Widersprüchen scheitern und dürfte kaum hoffen, den oben ge 
kennzeichneten Gefahren zu entgehen. Aber in Wahrheit hat er 
sich ja nicht diese Aufgabe gestellt, sondern eine andere, die 
über das pure Mittelstandsinteresse hinausreicht. Wie sie prak 
tisch zu lösen sei, ist hier nicht zu erörtern. Festzustellen ist nur: 
daß ihre Inangriffnahme eine Revision der Haltung des Tat 
Kreises in zwei wichtigen Punkten zur Voraussetzung hätte. 
. Einmal, so glaube ich, wird es ihm nicht erspart bleiben, 
seine Haupt- und SLaatsbegriffe von ihrer Bedeutung als 
Reaktionen zu reinigen. In einem Aufsatz des September 
heftes schreibt Ernst Wilhelm Eschmann: „Wir wenden uns 
hier gegen den Marxismus nicht aus ideologischen Gründen... 
Sondern weil er eine gewaltige Quantität von Energien zur 
Unproduktivität verurteilt, weil er sie konfessionell fixiert und 
so die richtigen Entschlüsse nicht zulätzt." Aber auch die „Tat" 
fixiert bei der Erzeugung von Begriffschimären, die den Mittel 
stand allenfalls überhöhen, ohne ihn jedoch unterbauen zu 
können, eine Menge von Energien, die sich ungleich produktiver 
anlegen ließen. Sie will den Menschen rechts mit dem Menschen 
links zusammenbringen und verfährt nicht anders wie die 
„Roten Betriebszellenzeitungen", denen Christian Reil im 
Aprilhest nachsagt, daß ihr Einfluß über den Kreis der 
eigenen Parteianhänger hinaus ziemlich gering sei, ,,da ein 
großer Teil des Inhaltes Oppositionsartikel gegen die freien, 
Gewerkschaften sind, und die Sprache, die speziell für die An 
gestellten schichten gesprochen werden muß, um bei diesen wirk 
sam zu sein, den Kommunisten vorläufig jedenfalls vollständig 
abgeht..." Genau so versagt der Tat-Kreis gegenüber den 
Arbeüerschichten. Statt in die von ihm gemeinte Wirklichkeit 
einzudringen, verliert er sich an die Scheinwirklichkeit der 
Bilder vom Staat und vom Mythos, die er gegen den an die 
Wand gemalten Erzteufel des Marxismus und Liberalismus 
entwirft. Seine Oppositionsbegriffe bewirken, daß ihm die 
Linke nur ein Begriff ist. Und doch müßte er Zum Probrtariat 
kommen und es herbeiholen, um die Erfahrung des Volkes zu 
realisieren. 
Die Bedingung eines solchen Vorgehens wäre allerdings, 
daß er sich nicht von gefühlsmäßigen Reaktionen, sondern von 
Erkenntnissen leiten ließe. Und damit bin ich beim zweiten 
Punkt angelangt, in dem das Verhalten des Tat-Kreises revi. 
sionsbedürftig ist. Er wird, wie ich meine im Dienst seiner 
eigentlichen Aufgabe die Würde der Vernunft wieder herzu 
stellen haben. Die gegen sie angezettelte Rebellion mag als 
Verzweiflungsakt des bedrohten Mittelstandes zu verstehen 
sein; sie ist unter keinen Umständen das richtige Mittel, um dem 
Wüten der entfesselten Ratio Einhalt zu tun. Im Gegenteil! 
Jenes ungebundene, vom Kratürlichen abgelöste Denken, das 
sich in der Nachkriegswelt auf den Gebieten der Wirtschaft, 
Politik usw. ungestraft über alle Schranken Hinwegsetzen durste, 
hat viel mehr Affinität zur Barbarei als zur Vernunft; der 
liberalen nicht ausgenommen. Es ist, ich" wiederhole schon Ge 
sagtes, der Exponent blinder Naturtriebe, und nichts wäre ab 
> surder und zugleich aussichtsloser, als es mit Lilie derselben
	        

Hinweis zur Vollständigkeit

Die Blätter 89 und 90 fehlen im Original.

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