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H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043388
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1932
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

dem Elefanten befiehlt, auf einem riesigen 
als sei er ein Seelöwe, und ihn dann wie 
eine Reihe von Pfosten schickt, auf denen 
kann. Er tut, was sie will. Er fühlt mit 
Ball zu balancieren, 
einen Seiltänzer über 
er kaum Tritt fassen 
dem Rüssel vor, setzt 
jeden der vier Fußkolosse genau an die richtige Stelle und geht 
sogar, well es nun einmal von ihm verlangt wird, den schwindel 
erregenden Pfostenweg wieder zurück. Welch ein Gleichgewichts 
sinn sitzt unter der dicken Haut und wie ausgewogen sind alle 
Bewegungen, die er vollführt! Wäre er ein Artist, so dürfte er 
stolz auf die wunderbare Kunstfertigkeit sein, mit der er die 
Figuren beschreibt und die Schwere bezwingt. Aber er ist kein 
Artist, sondern ein Elefant, der den Sinn dieser Leistungen nicht 
einsieht, oder ihn doch mißbilligte, begriffe er ihn Denn seit wann 
wäre es die Bestimmung des Elefantengeschlechts, Bälle zu rollen 
und über Pfosten zu schreiten? Beschämt und verwaist steht er 
wieder im Hintergrund und erwartet die neuen schlimmeren 
Qualen, die ihm jetzt zugefügt werden. 
Ein Herr in weißer Uniform erscheint, eine Art tropischer 
Feldwebel, der sehr Zielbewußt ist. Mit seiner selbstsicheren Stimme 
nötigt er den Elefanten, sozusagen geistige Arbeiten zu verrichten. 
Er zeigt Hm eine Vier, und der Elefant muß viermal auf die 
Tafel klopfen; er veranlaßt das Publikum, Rechen-Aufgaben Zu 
stellen, und dem Elefanten bleibt nichts anderes übrig, als die 
kindischen Aufgaben wie ein Klopfgeist zu lösen. Empfinge er 
noch die Anweisungen in zuvorkommendem Ton! Doch der Uni 
formierte denkt gar nicht daran, ihn weitläufig Zu behandeln, 
sondern begönnert das gewaltige Tier. Wahrhaftig, er legt Herab 
lassung an den Tag, sucht dem Elefanten einzureden, daß alle 
diese läppischen Späße, bei denen mitzuwirken ihm obliegt, ernste 
und wichtige Verpflichtungen seien, und spielt durchaus den über 
legenen Gebieter, der es sich leisten darf, plump vertraulich zu 
werden. Wie einem dummen Tölpel begegnet er dem Geschöpf. 
Es kann sich nicht wehren. Aber man merkt, daß es die De 
mütigung spürt, die ihm hier widerfährt. Während der weiße 
Mann sich krampfhaft mit ihm beschäftigt, sieht es ihn nicht etwa 
an, blickt vielmehr unaufmerksam ins Leere Den Ausdruck dieser 
Augen vergißt niemand so leicht. Sie sind von einer Trauer 
erfüllt, die so unendlich ist wie die grauen zerklüfteten Flächen, 
in deren Mitte sie sich verlieren, und verraten Zugleich die grenzen 
lose Verachtung, die "das Tier gegen den törichten Weißen emp 
findet. Ja, es verachtet ihn, dem es gehorchen muß, und gibt sich 
nicht einmal die Mühe, dieses Gefühl zu verbergen, das sein 
Peiniger auch gar nicht verstünde. Mitunter vergißt es überhaupt, 
daß er. neben ihm steht, nickt einsam vor sich hin und schüttelt 
abwesend den Kopf. In solchen Augenblicken hängt es den unent 
wirrbaren Geschichten aus der Vergangenheit nach, und die Weis- 
beit der Wälder rauscht durch sein Blut. Wurzelnacht, Lichtungen, 
Schneisen — dort weilt in Wahrheit sein Geist. Und nur mecha 
nisch führt es die Aufträge aus, über die es erhaben ist, ohne sich 
um die plappernde Uniform Zu bekümmern. 
Diese scheint ihrer Sache so sicher zu sein, daß sie einmal dem 
Elefanten sich aufzurichten befiehlt. Er richtet sich auf, und es ist, 
als berste die Erde, als ginge die Natur aus den Fugen. Gegen 
jede Gewöhnung steigt die ganze ungeheure Masse in die Höhe, 
steht auf den beiden Hinterfüßen und erstarrt zur furchtbaren 
Drohung. Ist das noch der Elefant, der Kegel schiebt und ein 
Holzstäbchen zerbricht? Ein Urwelttier ist auf dein Podium er 
standen. Sein Leib ist ein Massiv lebendig gewordener Felsen, sein 
Kopf eine Fratze, in der sich die Empörung der Elemente ver 
körpert. Kein Bild, das wir kennen, gleicht dieser Gestalt. Aus 
Aer Glefant. 
Berlin, im Juni 
Im Wintergarten, dessen Programm durch eine Solonummer 
von Paul Graetz gekrönt wird — der Künstler singt und springt 
mit Gelenkigkeit und Noblesse ein Potpourri Altberliner Chansons 
—, tritt auch ein Elefant auf, der einem in der Seele leid 
tun kann. Langsam kommt er hereingeschritten, ein mächtiges 
graues Tier, und stellt sich im Hintergrund auf Vielleicht erinnert 
er sich noch an die Wälder, durch die er einst stampfte, an die 
Gerüche der Freiheit und an die Sonne, die manchmal über ihm 
leuchtete. Aber Wälder und Freiheit sind schon Lange vorbei, und 
das Scheinwerferlicht, das die Bühne erhellt, ist mit der Sonne 
nicht zu vergleichen. Man ist gefangen. Man darf nicht mehr 
jubelnd trompeten oder nach Gefallen Baumstämme knicken, son 
dern muß sich wie ein Besiegter in sein Schicksal ergeben. 
Das Schicksal wird durch eine lächelnde Dame verkörpert, die 
ihren Augen schießen böse Strahlen, und ihr Rüssel stürzt un 
heilvoll nieder. Sie brauchte ihn nur leicht zu schwingen, und der 
Wicht vor ihr wäre nicht mehr. Und statt reglos wie ein düsteres 
Monument auf demselben Fleck Zu verharren, könnte sie dann 
Schritt für Schritt, als ginge sie über lauter Pfosten, irr den 
Zuschauerraum niedersteigen und das Publikum zertrampeln, das 
nichtsahnend gelacht und geklatscht hat... 
Das alles könnte sie tun, und niemand vermöchte den Aus 
bruch Zu hindern. Aber nach einer kurzen Pause, die nicht auf 
hören will, senkt sich das unförmige Wesen langsam herab und 
verwandelt sich wieder in den alten Elefanten Zurück. Die Wunder 
der Dressur nehmen ungestört ihren Fortgang. Mit einer uner 
müdlichen Geduld vollbringt der Elefant, was ihm geheißen ist. 
Wie dieser Elefant, so verhalten sich manchmal die Völker. Sie 
werden gegängelt, sie balancieren, rechnen, richten sich auf, senken 
sich nieder und üben Geduld. Doch gleich dem Elefanten sind sie 
nicht immer, was sie zu sein scheinen. Um zu erfahren, wie es 
ihnen wirklich zumute ist, muß man den Text entziffern, der in 
ihren Augen geschrieben steht. Genau wie beim Elefanten. 
8. Xraenuer.
	        

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