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H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043388
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1932
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

733-7^^ 
Mker Arbeitslager. 
Von S. Kraeauer. 
Die entscheidende Form, in der sich der Freiwillig? 
Arbeitsdienst vollzieht, ist die jener Arbeitslager, 
die vor etwa sieben Jahren aus der deutschen Jugendbewegung 
hervorgegangen sind- Das erste bestand nur aus Studenten 
und sollte, wie Georg Keil in seinem Buch: „Vormarsch der 
Arbeitslagerbewegung" erklärt, die Werte des Werkstüdenten- 
tuws, das nach der Stabilisierung der Mark erlosch, 
in die Zukunft hinüberretten. Bald danach wurde 
dann, unter der aktiven Mitwirkung von Hans Dehmel 
und Eugen Rosenstock, der auch die neue Bewegung 
in theoretischer Hinsicht richtig Zu fundieren suchte, im 
Schlesischen das erste Volkslager geschaffen, das sich aus 
Arbeitern, Bauern und Studenten Zusammensetzte. Wichtig 
ist, daß diese Lager keineswegs Zu dem Zweck gegründet 
wurden, um etwa für ihren Teil der Erwerbslosigkeit abzu-- 
helfen, sondern ihrer ursprünglichen Konzeption nach außer- 
wirtschaftliche Ziele verfolgten. Es darf nicht vergessen werden, 
heißt es bei Keil, „daß es Arbeitslager als Lebensform auch 
dann geben muß, wenn die Erwerbslosigkeit einmal nicht mehr 
der unmittelbare Anlaß für die Lagerarbeit sein sollte". Sie 
entstanden aus dem Drang der (bürgerlichen) jungen Genera 
tion Zu einer fühlbareren Volksgemeinschaft als der vor 
handenen, aus ihrem Bedürfnis nach autonomem bündischen 
Zusammenleben. „Daß von jungen Menschen Gemeinschaft 
empfunden wurde, das macht die Arbeitslager Zu dem, was 
sie heute sind, und läßt für die Zukunft hoffen" (Keila.a.O.). 
Ich beabsichtige, in der folgenden Darstellung gerade auf die 
ideologische Seite der Bewegung einzugehen. 
Die im vorigen Jahre erlassene Verordnung über den 
Freiwilligen Arbeitsdienst machte sich die in den bisherigen 
Arbeitslagern gesammelten Erfahrungen Zunutze. Es erscheint 
mir hier als unnötig, die mit dem Freiwilligen Arbeitsdienst 
verbundenen Probleme im allgemeinen zu erörtern (vergl. u. a. 
die Aufsätze in unserer Beilage: „Für Hochschule und Jugend" 
vom 23. Mai, 6. Juni und 3. Juli 1932).^ Genug, daß ihm 
in den gesetzgeberischen Bestimmungen ausdiücklich nicht nur 
eine ökonomische, sondern vor allem eine sozialpädagogische 
Bedeutung zugesprochen wird, die sich nicht weit von den Ab 
sichten der früheren Lagergründungen entfernt. 
Zum Tatsächlichen noch: nach den neuesten Verfügungen 
können jetzt alle jungen Deutschen unter 25 Jahren Zum Frei 
willigen Arbeitsdienst zugelassen werden; wobei es sich von 
selbst versteht, daß die Erwerbslosen den Vorzug genießen. 
Ein Lager dauert durchschnittlich 80 Tage. Die in ihm ver 
richteten Arbeiten, die gemeinnütziger und Zusätzlicher Art sein 
müssen, dienen in der Regel der Herstellung von Sportplätzen, 
Meliorationen, Siedlungen usw. Neben dem herrschenden 
Lagertypus, der Menschen verschiedenster Berufe, Weltanscham 
ungen und Parteirichtungen vereint, gibt es noch den Typus 
des „Gesinnungslagers", in dem nach der Konfession oder dem 
Parteibuch gefragt wird. Ueberhaupt ist das interkonfessionelle 
„Volkslager" nicht unumstritten. Die freien Gewerkschaften er 
kennen es Zwar heute eingeschränkt an, aber die radikalen 
Parteien (und wohl auch das Zentrum) neigen Zu seiner 
Verwerfung. 
-Ich möchte zunächst einige Eindrücke verzeichnen, die einen 
Begriff von einem solchem Sind Ein ¬ 
drücke an sich auch belanglos, so bewahren sie doch v^^ Fehl 
urteilen wie diesen: „Den jungen Leuten wird eine Ideologie 
eingeimpft, die antidemokratisch ist und antisolidarW die 
das alte Klaffengefühl der Arbeiterschaft durch Subordination 
unter den Willen von ,Führern" ersetzt. So werden Betriebs 
bullen für die fascistische Fabrik gezüchtet..Behauptungen, 
von deren Unverantwortlichkeit schon der flüchtigste Besuch in 
einem interkonfessionellen Lager zu überzeugen vermag. Aus 
gestellt worden sind sie in einem Artikel der „Weltbühne" vom 
20. September, in dem Thomas Murner Peter Martin Lam- 
Pels Arbeitslager-Buch: „Packt an! Kameraden!" (Rowohlt 
Verlag, Berlin) ablehnt. Das Buch von Lampel ist eine Re 
portage, was sage ich, eine Sturzflut von Reportagen, in 
denen lauter Gespräche mit Leuten über Arbeitslager und 
lauter Gespräche mit Leuten aus Arbeitslagern reproduziert 
worden sind. Sie gleichen einer Kollektion ausgezeichneter 
Photographien. Aber wie immer bei solchen Moment 
aufnahmen: man kann sich auf Grund der zahllosen Bilder 
nur schwer ein Bild zusammenreimen. Oder das Bild ist schief; 
Was jene oben zitierten Sätze Murners beweisen. 
Das von mir besuchte dritte märkische Arbeits 
tag e r bei Bad Saar 0 w umfaßt 75 Teilnehmer, von denen 
23 Studenten, die übrigen in der Mehrzahl erwerbslose 
Arbeiter und Angestellte sind. Sie Hausen in einem alten 
Soldatenheim aus dem Krieg, das unter Bäumen steht und 
sich nicht Heizen läßt. Am 1. Oktober ist daher Schluß. 
Zu dem Anwesen gehört noch ein großes Freigelände und ein 
Saalbau, in dem auch gegessen wird. Der Vormittag, der un 
heimlich früh anfängt, ist mit Arbeit an einem Sportplatz aus- 
gesüllt, die Nachmittage sind dem Sport und der geistigen 
Ausbildung in Arbeitsgemeinschaften gewidmet. Man legt 
Wert darauf, daß sich in diesen wie in den eigentlichen Arbeits 
gruppen stets Vertreter der verschiedenen Schichten und Be 
rufe zusammenfinden. Soweit der Gebrauch der übrigen 
Stunden nicht dem Belieben des Einzelnen freigegeben ist, 
werden sie zum gemeinsamen Musizieren und Singen, Zum 
Theaterspiel, zur Gymnastik verwandt. Das nennt man, ein 
wenig anspruchsvoll, Freizeitgestaltung. Sogar den einfachsten 
Tätigkeiten müssen heute Begriffsorden verliehen werden. 
Ich weiß nicht, ob es sich überall so verhält: aber diese 
jungen Dienstwilligen, die erst seit zwei Wochen im Lager 
sind, haben sich einander überraschend schnell angepaßt. Nie 
mand vermag sofort Zu erraten, daß sie allen möglichen 
Schichten' und Parteien entstammen, niemand kann auf den 
ersten oder auch zweiten Blick hin den Studenten vom Arbeiter 
unterscheiden. Es ist wie in Badeanstalten. Die Homogenität 
wird durch ähnliche Kleidung und das gemeinsame Tagewerk 
verstärkt; auch bilden sich natürlich Sitten heraus, die das 
Zusammengehörigkeitsgefühl unterstreichen. Man. singt vor 
Beginn und nach Schluß irgendeines Tagesabschnittes Lieder, 
legt sich Spitznamen bei, umrahmt das Essen mit einer lauten 
indianischen' Zeremonie usw. Unter den vielen jungen 
Männern verlieren sich fast die paar Mädchen, die mir nicht 
besonders frohsinnig zu sein scheinen. Vielleicht ist ihnen die 
Arbeit Zu schwer, und dann wird sich ihre Art in diesem Kreis 
nicht recht durchsetzen können. Wie ich in dem gerade er 
schienenen Buch von Ernst Schellenberg: „Der freiwillige 
Arbeitsdienst auf Grund der bisherigen Erfahrungen" (Son- 
derschriften des Kommunalwissenschastlichen Instituts an der 
Universität Berlin. Zweites Heft) entnehme, sind die Be 
mühungen, eine gemeinsame Arbeit der Geschlechter herbeizu- 
führen, teilweise gescheitert. 
Wo sich soviele Gegensätze und Weltanschauungen Zu 
sammendrängen, ist die Frage, ob und wie sie miteinander 
auskommen, mehr als berechtigt. Meine Beobachtungen werden 
durch gern gegebene Auskünfte ergänzt. Festzustellen ist zu 
nächst: man sucht den Ausgleich nicht einfach dadurch zu 
schaffen, daß man politische Gespräche künstlich fernhält und 
das Lager zum neutralen Gebiet erklärt. Eine solche Neutrali 
tät wäre ja auch ein Vakuum. Die schlechte Enthaltsamkeit ist 
im Gegenteil verpönt, und in den Arbeitsgemeinschaften finden 
ständig Diskussionen statt, die vor der Politik keineswegs Halt 
machen. Der Nationalsozialist muß sich mit dem Kommunisten 
auseinandersetzen, und der Reichsbannermann hält wahr 
scheinlich auch nicht den Mund. Wenn man an die Straßen- 
kämpfe draußen denkt, klingt es wie ein Wunder, daß das 
Lager nach acht Tagen Noch die gleiche Zahl von Menschen 
faßt wie bet seinem Zusammentritt. Wahrhaftig, die Vertreter 
von einander zuwiderlaufenden Standpunkten und Pro 
grammen fressen sich nicht auf, sondern weiden gemeinsam wie 
die Löwen und Lämmer der uns verheißenen paradiesischen 
Zeiten. 
Dieser Friedenszustand, der vermutlich mehr durch persön 
liche als durch politische Zwistigkeiten gefährdet wird, ist an 
gesichts der heutigen Verhältnisse so merkwürdig, daß er eine 
genauere Betrachtung verdient. Es wäre zu bequem, seine 
Entstehung daraus zu erklären, daß die Lagerteilnehmer auf 
einander angewiesen sind und im übrigen durch die gemein 
same Arbeit gleichsam von selber domestiziert werdek. Wich 
tiger ist schon, daß, dem Lagerbrauch zufolge, niemand die 
Sucht kennt, dem andern seine Ueberzeugung zu rauben. Wer 
nicht von seiner Meinung ablassen will, darf die Gesinnung, 
die ihm wert ist, ruhig behalten. Kein Dogma herrscht hier- 
und zweifellos wäre auch kein einziger der jungen Menschen 
dazu fähig, die übrigen gerade auf politischem Gebiet unter 
Druck zu setzen. Am wesentlichsten aber ist ein Vorgang, der 
nicht nur zur an sich leeren Verträglichkeit führt, sondern sie 
überdies mit einem positiven Vorzeichen versteht. Ich meine 
die Haltungskontrolle. Einige Teilnehmer erzählen 
mir, daß viele im Lager mit einem Hausen angelernter politi 
scher Phrasen einträfen, deren Hohlheit sich bereits in den 
ersten Tagen enthülle. Wodurch enthüllt sie sich? Durch den 
beim gemeinsamen Leben jederzeit möglichen Vergleich zwi 
schen dem Sinn der Phrase und der Haltung ihres Benutzers, 
Wenn zum Beispiel einer von der Solidarität spricht, die man 
beweisen müsse, wird das Lager unschwer nachprüfen können- 
ab der Betreffende selber sich im Alltag nach seiner Maxime 
richtet. Und tut er es nicht, so ist die von ihm erhobene For 
derung der Unwirklichkeit überführt. Dank der dauernden 
wechselseitigen Kontrolle streben alle danach, ihre Aeußerungen 
mit ihrem Verhalten in Uebereinstimmung zu bringen und
	        

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