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H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043388
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1932
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

Anhang der Ideen 
, Das ist Nicht viel) aber unter den heutigen Umständen 
eine Menge. Hinzu kommt der oben geschilderte Vorgang 
der Haltungskontrolle, der das immer wieder in die Arre 
alität ausschweifende Denken einschränkt. Der Solidaritäts 
schwärmer, der auf sein unsolidarisches Handeln aufmerksam 
gemacht wird, ist fortan dazu genötigt, seine Vorstellungen 
an Fakten zu orientieren. Indem alle ihr Tun und Reden 
miteinander vergleichen, legen sie, im Prinzip wenigstens, 
den schweren Block der Wirklichkeit frei, den es in der Poli 
tik zu bearbeiten gilt. Sie stellen sozusagen methodische 
Uebungen an, die der Vermittlung zwischen Theorie und 
Praxis dienen, sie unterziehen sich der Anstrengung, die Irre 
alität durch die Konfrontation mit unserem greifbaren Da 
sein zu blamieren. 
Kurzum, die Arbeitslager haben die Aufgabe, für ihren 
Teil den Auszug aus derimaginären Welt her- 
beizuführen, in der wir noch stecken. Sie sind nicht ein Mittel 
der Politik, sondern ein Mittel der Realisierung von Politik. 
Ihre etwaige Bedeutung entwickelt sich ^nicht innerhalb der 
politischen Sphäre, besteht vielmehr darin, eine solche politi 
sche Sphäre vorzubereiten, die es bisher in Deutschland kaum 
gegeben hat. Im Einklang mit dieser ihrer Bestimmung, der 
einzigen, die sie haben, ist es nicht ihre Funktion, die Gegen 
sätze zu versöhnen und eine Volksgemeinschaft zu eröffnen — 
wohin sie unter dem Druck derartiger ideeller Zumutungen 
kämen, wurde von mir zu zeigen versucht —.sondern die 
Gegensätze in ihrer Wirklichkeit herauszustellen und echte poli 
tische Kämpfe zu ermöglichen. Statt irgendeine definierbare 
politische Gesinnung zu Pflegen, sollen sie die Bedingungen 
schaffen, unter denen Gesinnungen überhaupt sinnvoll sind; 
statt die Radikalität aufzuheben, sollen sie ihr zu Wurzeln 
verhelfen. In einem Lagerbericht über den Empfang aus 
wärtiger Gäste schreibt Joseph Wittig: „Nicht zu vertrauens 
seliger Fidelitas wurden sie eingeladen, sondern wie Rosen- 
stock in seinem Gruße sagte, zu ,freundschaftlicher Gegnerschaft 
von Menschen, die sich in Beruf und Arbeit auseinanderleben 
müssen'. Durch keine Romantik wurde die Wirklichkeit der 
Gegnerschaft verhüllt." Das wäre in der Tat der eigentliche 
pädagogische Zweck der Arbeitslagerbewegung: aus Phan 
tomen, die sich bekämpfen, Gegnerzu machen, die w irk- 
In der Ma. 
trachtet, führt der herrschende Zustand bei jeder Gelegenheit in 
einen weltanschaulichen Doktrinarismus hinein, der sich ohne 
'Rücksicht auf die Situation seiner Vertreter entfaltet. Kein 
Wunder: diese Vertreter tragen ihn nicht, sondern lassen sich 
diel eher von ihm soweit fortschwemmen, bis sie. (als Menschen) 
.verschwinden. Dadurch aber, daß die politischen Auseinander 
setzungen und Formulierungen nicht von der Wirklichkeit der 
Menschen, der zusamengehörigen Massen usw. begrenzt werden, 
erhalten sie leicht den Charakter der Irrea I i t ä t. Sie neh 
men eine Grundsätzlichkeit an, die realitätsfeindlich und nicht 
nur unreälisierbar ist; sie verdichten sich, zu Prinzipien, die 
auf die zu verändernde gesellschaftliche Materie nicht mehr zu 
rückweisen. Eine imaginäre politische Welt. Und 
was in ihr geschieht, ist selber imaginär; wie blutig immer es 
sein mag. 
* 
Wenn die Arbeitslager eine Aufgabe haben, so diese: zur 
Verwandlung des hier gekennzeichneten Zustands beizutragen. 
Das heißt, ihre etwaige Mission erstreckt sich nicht auf das 
politische Gebiet, sondern beschränkt sich rein und ausschließ 
lich aufs vorpolitische. Kein Königsweg führt von ihnen 
zu dem, was in des Wortes strenger Bedeutung Volksgemein 
schaft heißen darf; wohl aber können sie die Voraussetzungen 
für ein wirkliches politisches Handeln mitschaffen. 
- Sie können es zunächst dadurch, daß sie jungen Leuten aus 
allen möglichen Schichten, Parteien, Berufen die Gelegenheit 
geben, sich als existierende Wesen kennen zu lernen. Bis heute - 
weiß z. Ä. der Jdealthp eines Hitlermannes vermutlich nicht, 
daß außerhalb seiner Partei Menschen leben; ist er doch selber 
zum guten Teil eine Gesinnungsattrappe. Im Lager dagegen 
kann und muß sich jeder an Fakten stoßen, die rein von der 
politischen Ueberzeugung her nicht zu bewältigen sind. Man 
erfährt hier einwandfrei und unwiderleglich, daß Programme, 
soziale Forderungen usw. nicht als selbstherrliche Gebilde im 
luftleeren Raum wohnen, sondern einem menschlichen Sein 
von bestimmter Beschaffenheit entsteigen. Dies ist der Arbei 
ter und dies der Student. Dem Lagerteilnehmer werden 
seine Gegner sichtbar, er merkt, — zuerst bei den andern und 
dann bei sich selber —, daß den politischen Zielsetzungen 
etwas zugrunde liegt, das nicht in ihnen aufgeht, er ist zu 
beachten gezwungen, daß die sozialen Ideen lebendige Trä 
ger haben, die man nicht einfach als 
übersehen darf. 
Berlin, Anfang Oktober. 
Die Deutsche LuftsporL - Au § stellung am Funkturm 
enthält unter anderem eine Reihe von Flugzeugen, deren Aus 
sehen ungewohnt ist. Ihrer einige gehören vergangenen Zeiten 
an: .so dir Orvills Wright-Maschine usw. 
Wie-schnell diese Typen, hie bis auf die Urfledermaus Otto Lilien- 
thals alle dem 20. Jahrhundert entstammen, historisch geworden 
sind! Obwohl uns kaum mehr als Zwei Jahrzehnte von ihnen 
trennen, find sie schon weit hinter uns Zurückgeblieben und wirken 
heute linkisch und rührend wie Kinder. Noch schlenkern sie unbe 
holfen mit ihren Drähten herum, noch verfügen sie nicht über voll- 
ausgebildeLe Organe. Es ist wunderbar, sie Zu betrachten, und die 
gegenwärtigen Formen, die ohne Ursprung Zu sein scheinen, aus 
diesen primitiven Anfängen abzuleiten. Unmittelbar neben den 
museumsreifen Konstruktionen find neue aufgebaut, die in die Zu 
kunft vowusweisen und vielleicht bald ebenso überholt sein werden. 
Eine ist das „Flugzeug-Auto" mit zusammenklappbaren Wind- 
mühlenflügeln Mrhälk der Karosserie; -im andere das 
Lnd-AmpWmm^ Las sowohl auf dem Land wie auf dem Wassch 
niedergehen und große Strecken bewältigen kann. Phantastisch^ 
Geschöpfe, die zweifellos ihre endgültige Form noch nicht gefunden 
haben, aber bereits mit nicht Zu überbietender SelbstveHL^ 
eine Zeit vorwegnehmen, in der das Flugzeug so populär ist wlß 
ein Ford. Jeder Angestellte wird dann eines besitzen, vorausgss 
setzt, daß nicht gerade eine Krise ist, und die Luft wird voll seirtz 
von SonntagZausfliegern, die viel rascher wieder zu Hause sety 
werden als die Ansichtskarten, mit denen sie die Daheimgebliebmen 
über ihre fernen Zielpunkte unterrichten» 
Einstweilen allerdings ist dieser Jdealzustand noch nicht er4 
reicht; wenn auch ein paar „Volksflugzeuge" ausgestellt sind, dO 
nur ungefähr 6000 Mark kosten. Sie befinden sich unter einem 
Haufen moderner Typen, die man hier alle aus nächster Nähe be 
sichtigen kann. Leider bin ich nicht Fachmann genug, um sie so zü 
würdigen, wie sie es von Rechts wegen verdienten, und begnügs 
mich daher mit der Erwähnung einer Maschine, die sich hohen 
Ruhm erworben hat. Es ist die Elli Beinhorns. Sie unterscheidet 
sich von einem Monument nur darin, daß sie nicht wie dieses von 
den Touristen aller Länder aufgesucht worden ist, sondern umgeq 
kehrt ihrerseits alle Länder aufgesucht hat, um sich dort vollkritzeltz 
zu lassen. Namen, Glückwünsche und Verse in sämtlichen Sprachen 
bedecken die Tragflächen, den Rumpf, und vergeblich sucht man 
auf dem ganzen Leib nach einem unbeschriebenen, verwundbaren 
Fleck. Das Flugzeug hat keine Andenken ryitgebracht, es ist selber 
zu einem einzigen Andenken geworden. 
Viel Platz beanspruchen die von Vereinen, Gruppen und Schuß 
len hergestellten Modelle und Flugzeuge jeder Art. Aus Grüns 
den der Billigkeit bevorzugen die Bastler Segelflugzeuge, deren 
geschweifte, hölzerne Flügel sich riesig dehnen und herrlich an§ 
Zusehen sind. Eines wird gerade in einer von der Ausstellungss 
leitung eingerichteten Werkstatt gebaut. Junge Bauhandwerke^ 
die sich auf einem offenen Podium schweigend Hand in Hand ar 
beiten, schneiden und pressen die Rippen des Tragwerks zurech^ 
Wie das anderswo zusammengetragene Material verrät, wird 
überhaupt für die Einbürgerung des Flugsports eine Menge 
getan. Die technischen Grundvorstellungen dringen in die Schu 
len ein, und die ganze Fliegerei hat längst ihr esoterisches Wesen 
verloren. 
Sie hätte es schon darum nicht Zu bewahren vermocht, weiß 
sich die junge Generation leidenschaftlich fürs Fliegen inteH 
essiert. Man schämt sich in der Ausstellung beinahe, ein Laie zch 
sein, so technisch gebildet sind die Schwärme junger Leute, die M 
lich sind. Alles übrige is ° t eine Sache der Politik und in dm 
Aus? ErkEinis begrenzten Zwecks der Bewegung, 
der von ihren Führern ganz scharf visiert werden muß, folgt 
in praktischer Hinsicht, daß alle „Gesinnungslager Me als°' 
in denen sich nur Mitglieder einer einzigen Gruppe oder Par 
tei Angehörige derselben Konfession usw- zusammensinden, 
abzulehnen sind. Sie verfehlen das mit den Lagern Gemeinte 
insofern, als sie bereits die Realität der politischen Sphäre 
voraussehen, deren Wirklichkeit erst zu begründen wäre. Auch 
die von starken Kräften erstrebte Mütarisierung des Be 
willigen Arbeitsdienstes machte natürlich die Funktion 
Laaer zunichte; weil sie ihnen unter anderem die Frecheit 
raubte, die sie als prinzipiell vorläufige GAnlde haben müssen. 
_Ueber die wirtschaftliche und ideologische Problematik des 
von manchen Kreisen befürworteten Arbeitsdienstiahres rst hier 
noch nicht zu reden.
	        

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