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H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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Bibliographic data

fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Manuscript

Persistent identifier:
BF00043388
Title:
H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]
Shelfmark:
H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932
Document type:
Manuscript
Collection:
Holdings and special collections
Year of publication:
1932
Copyright:
Deutsches Literaturarchiv Marbach

Full text

MSN zu wirken, sondern erwecken von vornherein den Eindruck 
der Improvisation. Stapellager voller Gelegenheitsware, die jeden 
Augenblick aufbrechen können. Aber sie sind nur die fliegende Vor 
hut eines Ladenheeres, das stets zum Nachrücken bereit ist. Den 
ausscheidenden Firmen folgen andere, die wie die verschwundenen 
Md. Manchmal verzichtet der Spuk auf die Maskerade und ent 
hüllt mit seinem wahren Gesicht zugleich seine Vergänglichkeit. In 
emer möblierten Parterrewohnung, die offenbar Klubzwecken 
dient, versammeln sich seit kurzem Abend für Abend tanzende 
Paare. Man sieht in die Wohnung hinein, man Hörr von außen 
eine Konservenmufik, die ebenso gedämpft klingt wie das rötliche 
Licht der Kristallüster, das die Winkel nur streift. Aus den Schat 
ten kommen private Lederfauteuils hervor, Rauchtischchen, Tep 
piche — eine verschollene Innenwelt, die von ihren Bewohnern 
längst preisgegeben worden ist. Stumm und mechanisch drehen 
sich die Paare im Kreis. Sie sind aufgezpgen wie Marionetten, 
und klopfte man ans Fenster, so erstarrten sie gleich. 
Der immerwährende Wechsel tilgt die Erinnerung. Ich wüßte 
Liese Tatsache nicht besser zu veranschaulichen als durch die Er 
gänzung meines Berichts über die Teestube und das Cafe. Wäh 
rend ich in dem Abgrund versinke, der sich dort öffnet, wo die 
ganze Zeit über das Cafe gestrahlt hatte, entsinne ich mich zum 
erstenmal wieder der Teestube, die doch schon vor einem Jahr ge 
schlossen worden war. Ihr grünes, verschlissenes Mobiliar, ihre 
altmodischen Stiche und ein paar kuriose Leute, die hier regelmäßig 
verkehrten: alle diese Einzelheiten entsteigen frisch dem Gedächt 
nis. Ich sehe sie vor mir, ich bin unter ihnen zu Gast. Aber um 
sie zurückzurufen, hat es erst der Wiederholung eines besonderen 
Ereignisses bedurft. In der Ueberzeugung, daß ohne.diesen äuße 
ren Anstoß das alte Lokal mir niemals mehr vorgeschwebt hätte, 
werde ich noch aus folgendem Grund bestärkt. Jene Teestube ist 
bald nach ihrer Schließung durch eine ziemlich betriebsame Kon 
ditorei ersetzt worden, die ich inzwischen nicht selten ausgesucht 
Habs. Wäre nun der Raum mit der Kraft begabt gewesen, Erinne 
rungen entstehen zu lassen, so hätten sie mich in der Konditorei 
zwangsläufig überwältigen müssen. Statt dessen ist mir während 
der Stunden, die ich in dem Lokal zugebracht habe, seine frühere 
Daseinsform auch nicht im Traum nachgegangen. Der Konditorei 
betrieb hat in Wirklichkeit die einstige Teestube nicht nur abgelöst, 
sondern sie so völlig verdrängt, als sei sie überhaupt nicht gewesen. 
Durch seine komplette Gegenwart ist sie in eine Vergessenheit ge 
taucht, aus der sie keine Macht mehr erretten kann, es sei denn 
der Zufall, über dem sich der Alltag rasch wieder schließt. 
bleibt das Vergangene an den Orten haften, an denen 
Lebzeiten hauste; auf dem Kurfürstendamm tritt es ab, 
Spuren Zu hinterlassen. Seit ich ihn kenne, hat er sich in 
bemessenen Perioden wieder und wieder von Grund auf ver 
ändert und immer sind die neuen Geschäfte ganz neu und die von 
ihnen vertriebenen ganz ausgelöscht. Was einmal war, ist auf 
Nimmerwiedersehen dahin, und was sich gerade behauptet, be 
schlagnahmt das Heute hundertprozentig. Ein Taumel, wie er in 
Kolonialgebieten und Goldgräberstädten herrscht, wenn auch 
Goldadern in dieser Zone kaum noch entdeckt werden dürften. Man 
hat vielen Häusern die Ornamente abgeschlagen, die eine Art 
Brücke zum Gestern bildeten. Jetzt stehen die beraubten. Fassaden 
ohne Halt in der Zeit und find das Sinnbild des gewichtslosen 
Wandels, der sich hinter ihnen vollzieht. Nur die marmornen 
Treppenhäuser, die durch die Portale schimmern, bewahren Erin 
nerungen: die an die Vorkriegswelt erster Klasse. 
* 
Wer sich zu tief mit der Zeit einläßt, altert geschwind. Ein 
Haus auf dem Kurfürstendamm beginnt dieses Schicksal zu spüren. 
In seinen Erdgeschoßräumen haben viele Restaurations- und 
Varietebetriebe ihr Glück probiert, ohne daß es einem von ihnen 
je gelungen wäre, sich über Wasser Zu halten. Jm Gegenteil, nach 
gewissen Fristen, die immer enger zusammenschrumpften, find sie 
alle verkracht oder weitergewandert. Da sich schon seit längerer Zeit 
niemand mehr in das Haus hineintraut, ist es aus dem Verände 
rungsProzeß ausgeschieden und lungert jetzt beschäftigungslos 
herum. Noch prangen Schilder am Gitter. Aber sie sind unnütz 
geworden, und statt dem Haus Leben zuzuführen, bezeugen sie 
nur seinen frühen Verfall. Er läßt sich nicht aufhalten, weil das 
Haus am Gewesenen keine Stütze hat. Niemand widmet ihm 
einen Blick. Die Zeit nimmt es rasch mit sich fort. 
es zu 
ohne
	        

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