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69. Der treue Hund.
Ein alter, blinder Bettler wankte müd' und matt einem
Dorfe zu. Ein Hund, den er an der Schnur hielt, leitete ihn
auf dem Wege. Noch ehe das Dorf erreicht war, verließ den
armen, kranken Mann die letzte Kraft, und er sank am Rande
des Weges zusammen. Der Hund blieb an seiner Seite und
wartete lange, dass sein Herr sich wieder erhebe. Als das
aber nicht geschah, wurde er unruhig, bellte und zerrte von
Zeit zu Zeit den Ruhenden am Gewande, um ihn zum
Weitergehen zu bewegen. Doch seine Mühe war vergebens;
der alte Mann regte sich nicht mehr. Nun erhob der Hund
ein klägliches Geheul. Das hörten die Leute im nächsten
Bauernhofe und wurden so auf den Mann aufmerksam, der
hilflos auf der Erde lag. Sie eilten zu dem Unglücklichen
hin; als sie ihm aber vom Boden aufhelfen wollten, nahmen
sie wahr, dass hier keine Hilfe mehr möglich sei. Der arme,
alte Mann war todt.“
Die Leiche wurde ins Dorf getragen. Winselnd folgte
der Hund bis an den Ort, wohin man sie brachte, und blieb
hier als Wächter bei seinem todten Herrn. Den zweiten Tag
darauf wurde der Bettler auf dem Dorfkirchhofe begraben.
Niemand gab dem fremden Greise das letzte Geleite, nur sein
Hund gieng traurig hinter den vier Männern her, die den
Sarg nach dem Gottesacker trugen. Als das Grab geschlossen
war, legte sich der Hund auf demselben nieder. Man ver—
mochte nicht, ihn vom Kirchhofe zu entfernen ; so oft man
ihn vom Grabe vertrieb, kehrte er aufs neue dahin zurück.
Nach einigen Tagen fand man den Hund todt auf dem
Grabe seines Herrn.
W. Ernst.