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70. Iund und Katæe.
Zum Herrn kam Hund und RKatze herein, verklagten
einander mit Heulen und Schrei'n: „und hat mich so
sehr ins Bein gebissen!“ „„Ond mir hat Kätzchen die
Nase zerrissen!““ „«Hund hat in der Küche genascht den
Braten!“ „„Das Kätzchen ist über die Milch gerathen.““
Was sagte der Herr zu ihrem Streit? Er suchte den
Stock, der war nicht weit. „Ihr habt euch beide einander
nicht lieb, und eins wie das andere ist ein Dieb! Drum
mögt ihr beide euch nur bekehren, sonst soll der Stock
euch Besseres lehren!“
Wemn sich nun 2wei nicht können vertragen, sich
streiten und zanken, einander verklagen, so heiht es
von ihnen noch zur Stund': „Sie leben zusammen wie
RKatze und Hund!“
Gädl.
71. Die beiden Ziegen.
Zwei Ziegen begegneten sich anf einem schmalen Stege,
der über einen reißenden Bach führte; die eine wollte herüber,
die andere hinüber.
„Geh mir aus dem Wege!“ sagte die eine. „Das wäre
mir schoön!“ rief die andere. „Geh du zurück und lass mich
hinüber, ich war zuerst auf dem Stege!“
„Was fällt dir ein!“ versetzte die erste, „ich bin so viel
zlter als du und sollte dir weichen? Nimmermehr!“
Beide bestanden immer hartnäckiger darauf, dass sie ein—
ander nicht nachgeben wollten; jede wollte zuerst hinüber,
und so kam es vom Zanke zum Kampfe. Sie hielten ihre
Hörner vorwärts und rannten zornig gegen einander. Von
dem heftigen Stoße verloren aber beide das Gleichgewicht;
sie stürzten mit einander über den schmalen Steg hinab in