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129. Die Klage des Hasen.
Ich armer verfolgter Hase, was soll ich nun anfangen?
Wohin soll ich mich flüchten? Allenthalben droht mir der
Tod. Nicht bloß der Jäger und sein Hund stellen mir nach;
Raubvögel aus der Luft stürzen auf mich herab, Füchse
aus den Höhlen schleichen mir nach, selbst Katzen und Raben
wagen sich an meine Jungen, und nichts gewährt mir
Schutz vor allen diesen Verfolgern. Ich kann nicht auf
Bäume klettern wie das Eichhorn, nicht in Höhlen schlüpfen
wie meine Gebrüder, die Kaninchen. Ich habe wohl Zähne
zum Nagen, und mancher Baum kann von der Schärfe
derselben reden; aber zum Beißen, zur Vertheidigung fehlt
mir der Muth. Höre ich ein Geräusch, sogleich muss ich
meine langen Ohren in die Höhe recken und horchen, wer
kommt, und kann ich mich nicht in eine Hecke oder Furche
ducken, so laufe ich lieber, soweit mich meine Beine tragen.
Es ist wahr, im Laufe holt mich so leicht keiner ein; es
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Quersprüngen lasse ich es nicht fehlen, um meine Feinde
irre zu führen; aber was hilft es mir? Ehe ein Jahr
vergeht, bin ich doch ein Kind des Todes. Es passt mir
der Jäger auf, wenn ich des Abends aus dem Walde
komme und meinen Hunger an dem fetten Grase stillen
will. Da sitzt er in der Dämmerung hinter einer Mauer
oder einer Hecke, und ehe ich mich's versehe, knallt sein Ge—
wehr, und ich habe das tödtliche Schrot im Leibe. Habe
ich noch Leben genug, um nach dem Walde zu fliehen, flugs
kommt auch noch der Hühnerhund, packt mich unbarm—
herzig und trägt mich zu seinem grausamen Herrn; quieke
ich dann in der Todesangst vielleicht ein wenig, so werde
ich noch ausgelacht. Im Winter verfolgen sie meine Spuren
im Schnee oder füllen den Wald und das Feld mit hässlichen