Skip to main content

Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.01/Klebemappe 1921 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

rigsten Zeiten im Geiste seines Stifters erhalten und aus ge 
baut werden konnte. Der Redner gedachte Leopold Sonne 
manns, der den Frankfurter Museumsverein ins Leben ge 
rufen hatte, gedachte der Stiftung Karl SchaubS und aller 
der Kahlreichen Geschenke, Legate usw., durch deren Hilfe das 
Institut auf seine heutige Höhe gebracht worden ist. Nicht 
vergessen wurden ferner von ihm die Verdienste der künstlerischen 
Leiter der Gemäldegalerie um eine systematische Sammeltätig 
keit. Auch die Beziehungen zur Stadt fanden Erwähnung, 
und der Name AdickeS fiel in dankbarer Erinnerung, schul 
det man seinem Weitblick doch die Zuwendungen aus dem 
Pfungstschen Legat für Ankäufe von Werken lebender 
Meister und Leihgaben aus städtischem Besitz. Wie das Ver- 
i hältnis zur Stadt so hat auch das zur Universität eine gün 
stige Regelung dadurch erfahren, daß die Administration im 
Sinne Städels ihre Räume dem kunstwissenschaftlichen Semi 
nar zur Verfügung stellte. Der Redner ging sodann noch 
auf die Geschichte des NeubauS ein und verband mit seinem 
Dank an die Architekten H. von Hoven und Fr. Hebe - 
rer den an die pflichttreue« Angestellten des Instituts. Zum 
Schlüsse streifte er die heute so aktuelle Frage der Stadel 
schule, die ja Städel bekanntlich besonders am Herzen lag. 
Er gab der Hoffnung Ausdruck, daß sich unter Mithilfe der 
ten und Meister an sie zu berufen, die das Frankfurter Kunst 
leben zu reicher Blüte bringen. Mit der Mitteilung, daß hie 
sige Kreise des Handels und der Industrie dem Institut jetzt 
eine Zuwendung gemacht haben, die eine sechsstellige Zahl be 
reits übersteigt, verband Geheimrat Gans den Dank an dir 
hochsinnigen Stifter und legte im Namen der Administration 
das Gelöbnis ab, daß sie im Geiste Städels fortwirken wolle. 
Stadtrat Weckbach üb erbrachte für dem verhinderten 
Oberbürgermeister Voigt die Glückwünsche der Stadt und sprach 
auch gleichzeitig Glückwünsche im Namen des Oberprästdenten 
Dr. Schwanker aus. Er mahnte, daß man über der Notdurft 
des Tages auch in diesen Zeiten nicht die ebenso not 
wendige Kunst vergessen möge und verlieh, an eine Neuerwer 
bung von Spitzweg anknüpfend, der Ueberzeugung Worte, 
daß aus den Leiden der Gegenwart eine schönere Zukunft er 
blüht. —Dir. SwarzenSki begrüßte als Leiter des Museums 
die Versammlung und entwickelte die Grundsätze, nach denen er 
bei der Einrichtung des Erweiterungsbau^ verfahren ist. Die 
neuen Räume schließen sich den alten organisch an und sind 
so gestaltet, daß sie je nach den augenblicklichen Erfordernissen 
verwandt werden können. In der Hauptsache sollen in ihnen 
Werke moderner Kunst des 19. Jahrhunderts bis zur Gegen 
wart gezeigt werden. Bei der Sammlung der Bilder, die jetzt 
zum ersten Male in einem organischen Zusammenhang zur 
Ausstellung gelangen, ist neben ausländischer Kunst auch die 
heimische Frankfurter Kunst stark berücksichtigt worden und 
oberstes Prinzip bei allen Ankäufen war stets die künstlerische 
Qualität der einzelnen Werke. Auch der neue Bau, so 
schloß der Redner, wird hoffentlich der Frankfurter Bürger 
schaft bald vertraut werden und jenen einzigartigen intimen 
Charakter unserer Gemäldegalerie bewahren, der mit daher 
rührt, daß ein großer Teil der Bilder aus Frankfurter Bür 
gerhäusern stammt. 
In Vertretung des Kultusministers übermittelte Geheim 
rat Waetzold die Glückwünsche der preußischen 
Kunstv.rwaltung. Er betonte, daß wir aus dieser 
Stunde der Rückschau Kraft für die Gegenwart schöpfen 
und einen hoffnungsvollen Vorblick in die Zukunft werfen 
müssen. Mit dem Sinnspruch Hölderlins: „Das Schönste 
ist auch das Heiligste", schenkte er dem Festakt Weihe. 
Herr v. Meister, der für den Mu seumS verein 
sprach, machte die Mitteilung, daß der; Verein als Gabe für 
das neue Haus aus einer der berühmtesten Frankfurter Pri- 
vatsamnilungen ein wertvolles Gemälde von Guardi er 
worben habe. In launiger Weise legte er ein gutes Wart 
für den Verein ein, der vermehrter Mittel bedarf, um seine 
künstlerischen Ziele in demselben Maße wie bisher auch ferner 
hin verfolgen zu können. Als weitere Gratulanten 
ergriffen das Wort: Professor Schröder im Na 
men von Rektor und Senat der Universität, Maler 
Jakob Nußbaum, für eine Reihe Frankfurter 
Künstlerorganisationen und Geheimmt Rödiger von der 
dem Städel-Jnstitut nahestehenden Senckenbergischen Stiftung 
namens der Frankfurter wissenschaftlichen Institute. 
Mt kurzen Dankesworten von Geheimrat Dr. Gans 
! nahm der Festaft, dem sich noch ein Rundgong durch die neu« 
(Valerie anschloß, sein Ende. 
l Irankfurter Angelegenheiten. 
, Der Erweiterungsbau des SLädelschen 
! LunsttnsttMs. 
' Die jetzt vollzogene Eröffnung des ErwefterunKbaus der 
^Städtischen Gemäldegalerie bezeichnet ernen der 
Aitber wichtigsten Abschnitte in der Geschichte dieses emzig- 
'artmsn deutschen Kunftinstituts. Der Neubau ist aus einem Wett 
bewerb hervorgsgangen, den die Städel-Adnnnistration Anfang des 
Jahres 1912 ausgeschrieben hatte, um endlich würdige Räume 
Ar ihre Schätze an neuzeitlicher Kunst Zu gewinnen. Das im Juli 
-desselben Jahres zusammengetretene Preisgericht, in dem m o. 
'Theodor Fischer und A. Licht WÄrk faßen, sprach den ersten 
.Preis einstimmig einem Entwurf der Architekten v. Hoden 
und Franz Heb er er zu, der denn auch, in einer aus Spar- 
MmkeiLsgründen etwas veränderten Form, von der Admrmstra- 
Fon zur Ausführung bestimmt wurde. Trotz aller durch den 
-Krieg hervorgerufenen Schwierigkeiten konnte im Mai 1915 
.mit der Bautätigkeit begonnen werden und Mon rw 
'Herbst 1916 stanL der Rdhbau fertig .da. Dann kam 
das Mmveröot und mit ihm eine über zwei Jahre währende 
Unterbrechung. Erst Anfang 1919 , wurden die ArMten wieder 
'ausgenommen und mittlerweile soweit gefördert, daß heute, ab 
gesehen von dem HörsaaL, der Neubau seiner Bestimmung zu 
geführt werden kann. Die Kosten des seinerzeit mit 26 Millionen 
Worveranschlagten Gebäudes sollen sich nach seiner Vollendung auf 
"gegen M Millionen Mark belaufen, auf eine Summe also, die in 
Anbetracht der inzwischen eingetretenen Teuerung gering zu 
nennen ist. . 
! Dies die HauvOaten der BaugeschichLe. Das neue Gebäude 
-ist parallel Zum alten errichtet und hängt mit ihm in der Mitte 
idurch einen kurzen Verbindungsbau Zusammen. Die Schwache, 
'dre eine solche Gruvpierung in städtebaulicher Hinsicht aufwerst, 
wäre sicherlich gemildert worden, wenn man die zum Abschluß 
wer seitlichen Höfe ursprünglich vorgesehenen Säulengänge aus- 
(geführt hätte. Die Raumanordnung selber ist äußerst 
Zweckmäßig und von einer Uebersichtlichkeit, die auch dem flüch 
tigen Besucher sofort sinnfällig einleuchtet. Von dem Podest der 
.vorhandenen Haupttreppe aus, an der Stelle, wo früher das 
>Tischbeinsche Goethebildnis hing, betritt man die Flucht der 
> sieben großen im Obergeschoß befindlichen Bildersäle, denen 
nach Norden zu die seitlich belichteten kleinen und niedrigeren 
^Kabinette vorgelagert sind. Die schwierige Beleuchtungsfrage 
'der'Hauptsäle ist sehr glücklich gelöst. Fünf dieser Säle sind 
'mit Laternenlicht versehen, das jede Blendung ausschlietzt und 
.die Räume lange nicht so der sommerlichen Hitze aussetzt wie die 
ssonst Zumeist verwandten OLerlichte. Ich kenne kaum eme 
.deutsche Gemäldegalerie, deren Säle von einem für die Bild 
wirkung derart günstigen kalten und gleichmäßigen Licht durch 
blutet werden, und sicherlich hat es manche Ueberlegungen ge 
kostet bis man Zu diesem Ergebnis kam. Oberhalb der Seiten- 
kabinette befindet sich eine Dienstwohnung und eine Photogra- 
'phenwerkstatt; zwei weitere in derselben Höhe gelegene kleine 
* Ausstellungsräume rechts und Links des Treppenhauses sind so 
wohl vom alten wie vom neuen Bau aus erreichbar. Der Voll- 
i Müdigkeit halber sei erwähnt, daß die Mitte des Erdgeschosses 
' durch den noch unfertigen, vertieft angeordneten Hörsaal aus- 
r gefüllt wird, dessen mäHtige Vorhalle von dem offenen Hof aus 
«direkt zugänglich ist; außer Depots, Werkstätten und einer wei 
t leren Dienstwohnung sind in diesem Geschoß noch die Verwal- 
Lungsräume und ein Sitzungszimmer unterbracht. 
' Nicht ganz die gleiche Anerkennung wie dem wohldurchdachten 
Grundriß und der 'museumstechnisch überaus geschickten Durchbil- 
j düng der Bildersäle läßt sich der architektonischen Aus 
gestaltung Zollen. Was Zunächst die Fassaden anlangt, so 
'atmen sie Zwar eine der Zweckbestimmung des Baues ent- 
, sprechende schlichte Würde und fügen sich auch dem Sommerscheu 
' Bau, dessen obere Balustrade sie frei fortführen, harmonisch an, 
t bleiben aber hinter ihm an künstlerischer Wirkung zurück. Die 
Formgebung des alten Gebäudes entspringt trotz ihres zeitlich 
. bedingten EklekLizismus einem sicheren Stilgefühl, das die einzel 
> nen Motive .Zur organischen lebensvollen Einheit ZusammenM- 
schmelzen weiß; der Neubau macht demgegenüber, mit wohl in- 
l folge der teilweise ängstlich - akademischen Sonderbchandlung 
! der Details, einen starren, etwas toten, seelenlosen Ein 
druck, und wenn man sich auch der Anwesenheit ieg- 
. licher Ueberladenheit freut, so wünschte man doch, daß 
' ihn der Pulsschlag unserer Zeit mehr durchwogte. Im 
>. Innern ist das Meiste vorzüglich geraten. Schön geformte 
runde Sitzsofas in den HauPLsälen Laden die Besucher ein, auf 
: ihren weit ausladenden Polstern zu rasten und stiller Betrachtung 
s sich hinzugeben. Ueberhaupt fehlt es nicht an originell durch- 
j gebildeten Einzelheiten, die, wie die Geländer der beiden Neben- 
j treppen Z. B., von starker künstlerischer Erfindungskraft zeugen. 
/Hie und da freilich sind die Architekten bei der inneren Ausge- 
i staltung etwas zu spielerisch verfahren. So erscheinen z. B. die 
an den Stürzen einiger Türverkleidungen unorganisch ange 
brachten Zierate überflüssig, und auch die Ornamentierung der 
Decken hätte mitunter sachlicher ausfallen können. Doch immer- 
t hin: die gute Raumdimensionierung läßt über dergleichen Wohl 
auch einmal Hinwegblicken und schließlich bleibt es die Haupt 
suche, daß die Bilder voll zur Geltung kommen. 
( In t^n Gärten wird zur Zeit noch gearbeitet. Sie sollen 
»der Aufstellung moderner Plastik dienen und man sehnt sich 
schon dem Tage entgegen, da in ihnen der wundervolle Stier 
; Meister Boehles, von Heller Luft umspielt, zu sehen ist. 
- I)r. 8. KrLeauei'.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.