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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.01/Klebemappe 1921 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

ch- Sw WL VLLrM ch 
es, hierzu mitteilte, hat sich 
esseamt zu einer Bauausstellung bereit 
erklärt und sich M diesem Ende mit dem L. v. in Verbindung 
gesetzt. 
GroWm Danton. 
In den A^emannia - Lichtspielen gelangte vorige Woche der 
Großfilm „Danton" der W o rn e r - G e s e ll s ch a f t (Berlin) 
vor einem geladenen Publikum zur Aufführung, ein Filmwerk in 
7 Akten, das meisterhafte Szenen aus der französischen Revolution 
bringt. 'Ist der von Jannings dargestellte Danton schon eine 
ausgezeichnete schauspielerische Leistung, so bietet Werner Krauß 
als Robespierre schlechthin Unübertreffliches. Das starre, götzen- 
bafte Gesicht, das in der hohen Krause unbeweglich auf dem Halse 
thront, das langsame steinerne Schreiten, der Blick aus den kleinen, 
kalten Augen: das alles verbreitet ringsum jenes Grauen, wie es 
auch vom' historischen Roöespierre ausgegangen sein muß. Auch 
die Episodenrollen sind von ersten Kräften besetzt. Da tauchen sie 
alle auf, die bekannten Gestalten der Revolution: der trotzige 
General Westermann (von E. v. Mnterstein gespielt), Camille 
DeVmoulens, der Jugendgespiels Robespierres, der in den Straßen 
Spottlieder auf das Revolutionstribunal singt, die kleine Babette, 
ein Mädchen aus dem Volke, das ein noch von der Guillotine ver 
schonter Marquis zu seiner Geliebten macht, die aus Eifersucht 
Verrat begehende Freundin Dantsns — sie tauchen auf und ver 
schwinden zuerst unter der Guillotine und nur einer ragt wie ein 
Fels aus dem Strudel der Revolution hervor: Robespierre. Um 
ihn her die eindrucksvollen Gestalten des St. Just und des öffent 
lichen Anklägers. Aber was wollen die Einzelmenschen und ihre 
Schicksale dem - HaupHelden des Stückes: dem Volke gegenüber 
besagen? Der Filmregisseur hat wahre Wunderdinge verrichtet: 
Man hält den Atem an, wenn die Menge auf einen Wink des 
angeklagten Danton hin vor das Tribunal stürzt und dann wieder 
sich eben so schnell verfluchtet, weil ihr die Ausgabe von Nabnuns- 
mitteln versprochen worden ist. In dunklen Gaffen raunen sie sich 
dunkle Gerüchte Zu, Musenmänner und.Dirnen stürmen vor Daw 
Lons Haus, bezähmt und gebannt durch eine Geste dessen, den sie 
Haffen und vergöttern zugleich, gierig lungern sie in vornehmen Pa 
lästen, wohnen Sensationslüstern den Sitzungen des Tribunals 
bei, tanzen berauscht und ballen sich des Nachts zu großen -Hausen 
Zusammen, die Schrecken in Paris verbreiten. Das ist das Wert 
volle an diesem Film: daß er den Demos zeigt, daß er dieses 
große ungeschlachte Tier in seiner Feigheit und TMmcheiü m 
Arankturter Angelegenheiten. ' 
— Ausspracheabend über Spengler. Der dritte- Aussprache 
abend in der Universität über den .Untergang des Abendlandes' 
war vorwiegend dem historischen Gehalt des Spenglerschen 
Werks gewidmet. Pros. Gelzer zeigte an einer Reihe von Bei 
spielen, auf welch mangelhafter Kenntnis der Tatsachen die Speng- 
lersche Darstellung der antiken Kultur beruht. Weder habe 
es sein« Richtigkeit damit, daß die Antike unhistorisch denke, noch 
treffe etwa die Behauptung zu, daß ihr der autobiographisch« 
Hang des Abendlandes fremd sei, noch entbehre sie der Menschen 
aus. Granit, die Spengler für die faustische Kultur beschlagnahm! 
usw. Zu ähnlich vernichtenden Urteilen kam Pros. Schneider, 
der im wesentlichen die Spsnglersche Auffassung des Mittel 
alters einer Kritik unterzog. Nachdem er sich dagegen gewandt 
hatte, daß die von Spengler übrigens durchaus nicht erstmalig 
benutzte „vergleichende Methode' die allein seligmachende sei,' 
geißelte er mit beißender Ironie die oberflächliche Behandlung, die 
Spengler gerade dem Mittelalter angedeihen läßt. Wie ungründ- 
lich Spengler verfahre, ersehe man z. B. daraus, daß er über dem 
Laterankonzil von 1215 und Odilo von Cluny die viel entschei 
dendere Bedeutung Gregors Vll. und des JnvestiturstriitS hervor- 
zuheben vergesse. Unhaltbar Ivie die Anschauung Spenglers vor, 
^Rmaissance sei auch sein Schema vom apollinischen und sau. 
stttchen Menschen, und letzten Endes führe eine Betrachtungsweise 
wie die seine nur dazu, die Geschichte in ein Prokrustesbett einzu-' 
zwangen, in dem ihre Lebendigkeit verkümmert. Pros Küntzel 
der als Vertreter der neueren Geschichte sprach, suchte zunächst 
Spenglns Anspruch auf unbedingte Originalität zu widerlegen. 
Sem« Vorläufer hat er, wie der Redner darlegte, in Hegel, in 
Schelling, der auch den Geschichtsverlauf durch dichterische In 
tuition zu erfassen sucht«, in Wilhelm von Humboldt, der von dem 
m Ucy geschlossenen Kreislauf bestimmter Kulturen spricht, und 
vor allem in dem Russen Danilewski, dem Vater deS wissenschaft 
lichen PanflawiSmus, dessen geschichtsphilosophische Lehren sich 
von geringen Abweichungen abgesehen, bis inS einzelne mit den 
seinen decken. In seiner übertriebenen Objektivität und Wclt- 
bürgerlichkeit wie in seinem mangelnden Wirklichkeitssinn erscheint 
Spengler nach dem Dafürhalten des Redners als typisch für dar 
deutsche Volksleben. Am Schlüsse seiner Ausführungen, die in dem 
Auiweis der inneren Widersprüche bei Spengler und seines ganzen 
dilettantischen. Verfahrens gipfelten, richtet- Pros. Küntzel an die 
anwesenden rungeren Kommilitonen den Appell, sich durch eine 
sachlich unbegründete Untergangsstimmung in ihrem Schaffens 
drang nicht läbmen zu lassen. 
.Stellung der Baukunst im öffentlichen Leben. Er stellte 
fest, daß die Baukunst lange nicht die gleiche allgemeine Wert 
schätzung wie die anderen Künste genieße, und schob die Schuld 
hieran »um große» Teile den Architekten selber zu. Seine An 
regungen zur Beseitigung dieses betrüblichen Zustandes verdienen 
beherzigt zu werden. Sie laufen darauf hinaus, den Unterricht in 
der Heimatkunde auch auf die Betrachtung guter alter und 
'neuer Bauwerke auSzudehnen, den Museen Baukunstfamm- 
lungen lokaler Art anzugliedern, die sich in irgendwelcher Ver 
bindung mit einer Art von Sprechstelle der im betreffenden Orte 
wohnhaften Architekten befinden, und Baukunstaus 
stellungen zu veranstalten, die so beschaffen find, daß sie das 
Publikum «Mich zu fesseln vermögen. Wie Dr. Siedler 
(Berlin), der Geschäftsführer deS Bunde 
da» Leipzig«, Messeamt zu e 
' Die Beratungen über die öffentliche und politische 
Betätigung deS ö. v. X. im bauwirtschaftlichen und -rechtlichen 
Interesse wurden durch ein Referat des dritten Bundesvorsitzenden 
Wilhelm Kröger (Hannover) eingelsitet, der einen zusammenfas 
senden Bericht über sein seitheriges Wirken im ReichSwirt 
schaftSrat erstattete. Kröger gedachte u. a. des Antrags auf 
Schaffung von Architektenkammern, der in Bälde in dem 
Unterausschuß zur Förderung geistiger Arbeit des ReichSwirt 
schaftSratS zur Sprache kommen soll. Der Antrag wird aus 
.einer Reihe von Gründen wahrscheinlich auf Schwierigkeiten 
,stoßen, und es mag darum, wie mehrere Diskussionsredner her- 
v°f>ben, geraten erscheinen, sich zunächst zu Konzessionen zu ver 
stehen. An dem Wiederaufbau der zerstörten Gebiete 
will auch der v. v. X. nach Möglichkeit mitwirken. Die Ver- 
hammlung begrüßte «S, daß Herr Kröger zu den hierauf bezüglichen 
Verhandlungen nach Baris mit entsandt wird und dankte ihm 
unter stürmischem Beifall für sein« packenden Ausführungen. - 
-vw Mittelpunkt der Aufmerksamkeit standen begreiflicherweise die 
Erörterungen über die Behebung der Wohnungsnot und 
die Wiederbelebung der privaten Bautätigkeit. Nach 
einer lebhaften Aussprache, an der sich vor allem Vloemers 
(Bonn) der Schöpfer der sog. „O-x BloemerS' zur Beseitigung 
der Wohnungsnot und Förderung des Eigenheims m Bonn. H i l - 
l" (Frankfurt Deines (Karlsruhe), Paulsen (Hamburg) 
beteiligten, konstituierte sich aus diesen und noch etlichen bewährten 
Fachmännern unter dem Vorsitz von Walpert (Kassel) ein Aus 
schuß, dessen Beratungen zu der folgenden, van der Versammlung 
einstimmig angenommenen Entschließung führten: 
r» B;md verweist auf die dringende 
dre Wohnungsnot durch entschiedenes Handeln zu 
bekMNMn. Dazu rst die Verwirklichung des ceichsverfassungsgemL- 
tzen Heimstattenrechtes notwendig. Die Bundesversammlung halt 
NL -Leitgedanken ^tzt für Verwirklichungsreif: 1. die Zwangs- 
Mrrfchaft im Bau- und Wohnungswesen läßt sich dauernd nicht 
mrfrrcht erhalten. Der Abbau muß schließlich zu völlig freier 
Wirtschaft führen. Der Abbau darf nicht zu Spekulationsgewin 
nen ausgenutzt werden. Neubauten und Erweiterungsbauten 
müssen alsbald wirtschaftlich dauernd voNommen fveigegeben wer 
den; 2. die Hergabe von Bauzuschüffen ist auf die Dauer undurch 
führbar, jedoch vorläufig unentbehrlich. Mittel, die aus Wohn- 
sbgaben fließen und durch die Zwangsbewirtfchaftung gewonnen 
werden, sind ausschließlich der privaten und genossenschaftlichen 
Bautätigkeit Zuzusühren. Die gesetzliche Neuordnung ist aus Rah 
mengesetze zu beschränken; ihre Durchführung ist den Gemeinden 
und GemeindeveröLnden auszuerlegen. Aufwendungen für Wohn- 
bauten sind in weitestem Maße von Steuern zu befreien; Z. bei der 
Beleihung ist der veränderten volkswirtschaftlichen Lage Rechnung 
Zu tragen; hierfür muß das Schätzungswesen im Reich nach ein 
heitlichen Grundsätzen geregelt werden. Zur Verbilligung des 
Bauens müssen den Baustofferzeuaem genügend Kohlen zugestellt 
werden. Für Baustoffe sind bei den öffentlichen Verkehrsmitteln 
niedrigste Frachtsätze zu gewahren." 
Die Diskussion über die Sozralisierung der Bau 
betriebe ergab, daß man in dieser Frage vorerst eine ab 
wartende neutrale Haltung einzunehmen gewillt ist. Gang ent 
schieden sprach sich Kroger dagegen aus, daß der Architekt sich 
nicht, sozialisieren lasse und als Angestellter in einen solchen 
Betrieb eintrete. Es wurde einem Antrag Paussen statt« 
gegeden, der zur Beobachtung der Vorsch rge und Versuche zur 
Sozialisierung des Bauwesens die Einsetzung eines kündigen 
Ausschusses fordert. — Jnbezug ar^ Hochoaunormung unh 
die Einführung betriebswirtschaftlicher Methoden nach Art des 
Taylorshstems rm Baugewerbe ließ sich keine willige Einigkeit 
erzielen. Zum Unterschied von Kroger z. B. bekannte sich 
Pauls en als Anhänger weitgehendster Rationalisierung des 
Bauwesens. Im allgemeinen hieß man eine in beschranktem 
Maße verfolgende Normung und Typisierung gut. 
Aus den Beratungen zur wirtsch a f t lichen Lage sei er 
wähnt, daß Fabrieius in seinem Referat über die Ver 
gebung der Besatzung sb anten die Forderung erhob. eS 
möchte die Durchführung dieser Bauten den Privatarchite'kten 
anvertraut werden, und weiterhin die Widerstände kennzeichnete, 
die sich hiergegen im Reichsschatzministerium geltend machen. 
Den Abschluß der arbeitsreichen Tagung bildeten Verhand 
lungen über interne Angelegenheiten des Bundes. Der Vor 
schlag des Wahlausschusses, Geh. Rat Com. Gurlitt 
und W. Kröger als ersten und dritten Bundcsvorsitzenden für 
das kommende Jahr wiederZuwählen und an Stelle des ausschei 
denden zweiten Bundesvorsitzenden Pros. Martin Elsässer die Wahl 
Geh. Rats G Bestelmeher in den Vorstand vorZunehmen, 
wurde unter lebbaftem Beifall einstimmig angenommen. Die Ver 
sammlung beschloß, einen Vertr ter der besetzten Gebiete dem 
Vorstand zu kooptieren. Lr. 
TMmcheiü m 
seiner Verächtlichkett und seiner Rrkraft selten eindrucksvoll enthüllt
	        
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