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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.01/Klebemappe 1921 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

E ^Fc-) 
UrbeiLsKememschast der katholischen deutschen Studenten 
verbände. 
Am Montag nachmittag fand eine Versammlung der Arbeits 
gemeinschaft der katholischen deutschen Studentenverbände statt, in 
der verschiedene Redner die Ziele dieser seit kurzem gegründeten 
Arbeitsgemeinschaft entwickelten. Ullrich (Freudenberg) kenn 
zeichnete die von einem einheitlichen Glauben getragene mittel 
alterliche Universttas und stellte ihr die glaubenslose heutige Uni 
versität gegenüber, die in Ermangelung einer geschlossenen Welt 
anschauung den jungen Akademikern nurfthemetisch es Wissen bietet 
und im übrigen die Seele unbefriedigt läßt. Ziel der katholischen 
Akademiker müsse es sein, auf die Verwirklichung der katholischen 
Universität hinzuarbeiten, und jedenfalls dafür zu sorgen, daß statt 
der heute herrschenden Sachkultur wieder eine über den Erwerb 
bloßer Fachkenntninsse hinausführende Persönlichkeitskultur ge 
trieben werde. Kram (Würzburg) erörterte die oen katholischen 
Studentenverbänden gebotene Haltung in den verschiedenen Fragen 
der allgemeinen Hochschulpolitik. Er betonte, daß die katholische 
Studentenschaft unter Vermeidung extremer Handlungen eine or 
ganische Hochschulreform zu erstreben habe, Lei der das alte We 
sen der Hochschule gewahrt bleibe, ermähnte die katholischen Kor 
porationen zu tätiger Mitarbeit auf allen Gebieten studentischer 
Selbstverwaltung und legte ihnen insbesondere die Sorge für 
die Ueberbrückung der Klassengegensätze aus Herz. Zum Schlüsse 
hob er eindringlich die Bedeutung der durch die Arbeitsgemeinschaft 
geschlossenen Einheitsfront hervor. Becker (Hannover) skizzierte 
an Hand dreier Leitsätze die wesentlichsten Aufgaben der Arbeits 
gemeinschaft. Durch Einrichtung studentischer Exerzitien, religiöser 
UnterhalLungsabende, philosophischer Zirkel usw. habe sie zunächst 
und vor allem eine Vertiefung religiösen Lebens und die Pflege 
katholischer Weltanschauung anzustreben. Ferner traten der Re 
ferent wie der Vorredner, mit dem er übrigens auch in der Ab 
lehnung des Gedankens der humanistischen Fakultät übereinstimmte, 
für ein geschlossenes Vorgehen der katholischen Verbindungen in 
allen hochschulpolitischen Fragen ein. Pflicht der Arbeitsgemein 
schaft sei schließlich soziales Wirken auf Grund katholischer WelL-^ 
anschauung, dessen Erfolg freilich nur durch die Arbeit der geeinten 
Verbände gewährleistet werden könne. In der kurzen Diskussion 
drückte der mit Beifall begrüßte Geheimrat Dr. P o r s ch seine 
Sympathie für die durch die Gründung der Arbeitsgemeinschaft 
hergestellte Einheitsfront der katholischen Akademiker aus ünd 
warnte die katholische Jugend davor, in falscher Romantik Zurück- 
züblicken und nationalistischem Treiben anheimzufallen. 
In der Zeitschrift „Fvamkenland" veröffentlicht Walter Voll 
einen Aufsatz über die Vorgeschichte des Würzburger Re-^ 
sidenzbaues, in dem er die bemerkenswerten Ergebnisse mit- 
L-M, Zu denen er Lei der Durcharbeitung des Schönbowschen Ar 
chivs gekonunen ist. Wenn sich, was anKmehmen ist, seine Schlüsse 
aus den von ihm gefundenen Akten als einwandfrei erweisen 
sollten, stcht fetzt endgültig fest, daß Balthasar Neumann als 
geistiger Schöpfer der Residenzplanung auszuscheiden hat. Während 
man LWer irwner nur auf Grund unsicherer Vermutungen dm 
Anteil Neumanns an dem WüDburMr Schloß Zu -erkennen sucht- 
und ihm bald rmchr, bald weniger Bedeutung ftür dessen Zustande 
kommen Leimaß, zeigt Voll an Hand seines Aktenmaterials, daß 
der Bau in der Hauptsache ein Werk des Mainzer OberLaudirektors 
W-rlschA Mt dem sein Herr, der als Architekt schöpferisch ver 
anlagte MMtzer Kurfürst Lothar Franz von SchönLE 
zusammengearbeilet hat. Die Grundideen dieser beiden kamen 
wahrend der ersten Bauperiode zur AuZfülMng, wenn auck E 
MMMrm wichtigen ULLnderungen, die der Würzburger Bauherr, 
Bnchvf Johann Philipp Franz, wünschte. Erst in späteren Bau- 
pevioden rnachten sich Emflüsft BoffrandH und Hilde- 
öran dts geltend. Von Neumann sagt der Verfasser: „Dsr in der 
ArchiMur noch wenig erfahrene Ingenienrleutnant bleibt neben 
so berühmten Architekten wie-Welsch und Hildebrandt unbeachtet 
und wird wohl hauptsächlich Leim Zeichnm der Risse und Ueber-' 
brmgeu der Bauberichte Verwendung gesunden haben." Die Ent 
deckung VollZ, deren vorläufiger Anzeige die VeröfftEichung des 
gesamten Llltennmterials folgen soll, wird unsers Auffassung des 
ftankrfthsn Barock in tvichtigea Punkte» berichtigen. icr 
kVo« kommenSer Hochkultur-Z Ein kürzlich erschienenes 
Wnch: »Die Ur.Ideen im Zeitgesetz" von Kristina 
„Pfeisser.Raimund (Verlag Englett und Schlaffer, Frank 
furt a M., 1921) setzt die Betrachtungen fort, die von derselben 
.Verfasserin in ihrem vor drei Jahren veröffentlichten Werk: .Briefe 
einer Frau an Walther Rathenau" angcstellt worden sind. Dich ¬ 
terisch gehabene Sprache kündet in diesen .Seherbriefen" Visionen 
einer Hellen, vollkommenen Menschheitszukunft. Die edel gesinnte 
Verfasserin verwahrt sich ausdrücklich dagegen, daß es sich in ihrer 
Vorschau um eine Utopie handle, und man möchte gewiß wünschen, 
-daß sie hiermit recht behalte. Aber bei ihrem hohen Gedankenflug 
verliert sie di« nun einmal vorhandene Wirklichkeit des Lebens mit 
unter völlig auS den Augen und entführt uns darob in Gefilde, 
' in die wir mehr am Tatsächlichen und Gegebenen haftenden Men 
schen ihr nur ungläubig folgen können. Dank ihrer Scherkraft weiß 
sie, daß die griechische Selbstreife im Ego und die römische Staats 
reife im Ethos nunmehr durch eine nordgermanische Hochkultur ab 
gelöst wird, die uns die Menschheitsreife im Eros bringt; die ger 
manische Hausmutter wird in dieser Epoche zum Weldnuttertum 
heranreifen, und Deutschland, das unter der Leitung rein der Idee 
dienender fürstlicher Menschen steht, wird mit dem jungen russischen 
Brudervolk gemeinsam am Bauwerke ihrer Zukunft arbeiten. Jmmer- 
tzrn verschmäht es die Verfasserin nicht, hie und da einmal auch den 
BilS auf näher liegende Dinge zu richten. So meint sie z B 
. daß die Völker, die uns die ReparationSverpflichtungen auferlegk 
habe», sicherlich besser dabei fahren würden, wenn sie eine inter 
nationale Geniegruppe" mit der Befreiung aus ihrer aller 
Finanzelend betrauen wollten. Eine Fülle von Vorschlägen macht 
Verfasserin Mr Erziehung, und daß sie u. a. «ine neue, mehr 
dre Wurde der Frauen bedankende Ehegesetzgebung fordert, v^eb 
N '1,.^ von selber Man glaubt, wenn man in dem Buch 
«L einer Marchenerzahlerm zu lauschen, deren Geschichten nur 
mchtz mit einem: .Es war einmal" sondern mit einem: „Es wird 
einmal beginnen. Diese neue Märchen verraten viel gute Gssin- 
,,mng und fchwarmerischx Liebe zur Menschheit, aber eS muß schon 
gelam werden, die alten Märchen waren unterhaltender und sicher 
M r«M weniger wahrscheinlich. , 
Baukunst für die Gefamtkultur eines Volkes erörtert und dem 
gegenwärtigen Stand unserer Architektur kritisch beleuchtet. Der! 
statt geschriebene Essay weist der Architektur die Führ-errolle untex! 
den Künsten ran, legt die Gründe für ihr Versagen im verflossenen 
Jahrhundert dar und entwickelt die Bedingungen, unter denen 
allein sie. sich wieder zu dem ihr gemäßen Rang aufschwingen 
kann. Die Blüte dieser sozialsten aller Künste, so ungefähr argu 
mentiert der Verfasser, ist nicht so sehr an Einzelleistungen her- 
vo-rm-gendex Architekten M an das Vorhandensein eine. , )h- 
herrschsndm Idee geknüpft; und wenn daß individuall' ^che 
19. Jahrhundert vielerlei verschiedenartige Kräfte emportrieb, so 
muß das 20. Jahrhundert, damit .große Baukunst in ihm mög 
lich werde, die Zusammenstimmung der Kräfte, ihre Vereinheit 
lichung durch eine die Gemeinschaft erfüllende Idee bringen. Das 
Beste gibt der Verfasser, entschieden dort, wo er in markanten 
Umrissen Silhouetten zeitgenössischer Architekten entwirft. Le 
bendige Vertrautheit mit ihren Werken ermöglicht ihm überall 
treffende Kennzeichnung ihres Wesens. LheodorFischer, 
Tessenow, van de Velde, Bikling, Vonat, Pöl- 
zig usw. werden in locker-aphoristischen Betrachtungen charak 
terisiert, aus denen ein feines Verständnis für ihre Eigenart 
spricht. Man kann nur wünschen, daß das lesenswerte Büchlein 
weitere Kreise zur BeschäftiMng mit baukünstlerischen Leistungen. 
anregt und so eine von seinem Verfasser selber ausgestellte Forde 
rung mit verwirklichen hilft. 
Architektonisches. 
i Gleichwie religiöse Sehnsucht heute vielfach über das Abend 
land hinausfchweift und der Heilslehre Buddhas sich Mwendet, 
isv widmet sich auch, dieser Sehnsucht voraneilend oder ihr fol 
gend, unsere Wissenschaft gegenwärtig mehr und wehr der Er 
forschung ostasiaLM Kulturgüter. Im Verlag der „Vereinigung 
'wissenschaftlicher Verleger" ist vor kurzem ein umfangreiches, 
dreibändiges Werk (1 Textband und 2 Tafelbände) über 
„Buddhistische Tempolaulagen in Siam" er 
schienen, das den Zugang zu einem bisher so gut wie unbekann 
ten Gebiete asiatischer Kunst »eröffnet. Sein Verfasser, Pros. Dr. 
Karl Döhring, hat eine Reihe von Jahren in Gram ge 
weilt, und nicht nur ein wundervolles photographisches Abbrl- 
dungsmateriaL nach Hause gebracht, sondern auch eine Fülle zeich- 
strerischer Detailaufnahmen gemacht, die den Wert seines Buches 
beträchtlich erhöhen. An Hand dieses Werkes gewinnt man eine 
^Vorstellung davon, wie der buddhistische Kultus sich in der Bau 
kunst, von der Gesawtanlage des ganzen Tempelkomplexes an 
bis zu der geringsten architektonischen Einzelheit herab, durch 
gängig Lusprägt und erfährt wieder einmal an einem sinnfälli-, 
gen Beispiel, daß große Baukunst überall und zu jeder Zeit an 
;das Vorhandensein eines gemeinschaftsbindenden Glaubens ge 
knüpft ist, der das seelische Verhalten der Menschen regelt und 
! ihrem Leben feste Formen schenkt. Das Harrptkultgebaude der 
^siamesischen Tempel ist der Bot, in ihm wird die Beichte abgelegt 
mnd in ihm finden die wichtigsten religiösen Feiern der Monchs- 
gememde statt. Beinahe jede Abmessung an ihm hat symbolische 
^Bedeutung, nichts ist Willkür, alles bezieht sich vielmehr auf den 
.bohen Sinn, aus dem heraus das Gebäude geboren ist. Der Ver 
fasser beschreibt mit wissenschaftlicher Genauigkeit die verschie 
denen Grundrihthpen solcher Bäts und schildert ihre innere EiN- 
^richtung, wobei er nicht verfehlt, auf die europäischen Einflüsse 
chinzuweisen, die sich bei neueren TempelbauLen bemerkbar 
machen. Ein für unsere abendländische Forschungskraft nicht zu 
bewältigender Reichtum ornamentaler Gestaltungen und figür- 
ftichsr Darstellungen ist über diese Tempel ausgegosssn, und be- 
'denkt man überdres, daß zu dem Spiel der LinienveHchlingungen 
sich noch die Buntheit der Mosaiks oder glasierter Terrakotten 
gesellt, so wird man an die undurchdringlichen Wälder der Tro- 
'pen gemahnt, deren maßlose Ueppigkeit in den Werken der Bau-. 
kunst offenbar fortwuchert, nur daß sie eben hier ihr Unmaß ver 
liert und durch die Kunst gebändigt erscheint. 
Unter , dem Titel ^Aufbau! — Architektur!" ist in 
der von Kasimir Edfchmid berauZgegebenen Schriftensammluna 
„Tribüne der Kunst und Zelt" ein Büchlein von W. Müller- 
.WulSow erschienen, das in fesselnder Weise die Bedeutung der
	        
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