Döensch erstehe!
Le.
deutschen Geistes nüt sich selber, ste galt letzten Endes nicht
nur der Jugend, sondern einer in unserem Volk verbreiteten
Denkweise überhaupt. Wohl der wichtigste Teil seiner Dar
legungen betraf das Verhältnis des Einzelnen zur Gemein
schaft. Mit allem Mchdruck hob er hervor, daß der in der
Jugendbewegung noch vielfach herrschende Hang zur Form
losigkeit und das Vertrauen auf die gute Gesinnung des auto
nomen Ichs niemals Zu wirkliche Volksgemeinschaft führen
rönne. Damit dies-e Heraufwachse, bedarf es nach ihm vielmehr
eines neuen Willens zur Form, der sich zur Anerken
nung übermdividueller Bindungen und Gestaltungen versteht.
Echte Gemeinschaft hat ihren Schwerpunkt nicht im Subjekt,
sondern jenseits des Subjekts, ste fordert von dem Einzelnen
Dienst und Achtung vor dem Volksganzen. Stähling geißelte
euch jenen schwärmerischen, gefühlsseligen Idealismus, der
verantwortungslos die gegebene Wirklichkeit überfliegt. Ein
dringlich ermähnte er die Jugend dazu, das Kreuz wirk
licher Arbeit auf sich zu nehmen, und warnte ste in nicht
Minder klugen Worten vor prinzipieller Ablehnung und Ent
wertung jeglicher Autorität. Aus seiner Rede llang die ganze
Sehnsucht des deutschen Geistes nach GeMtwerdung und Bän
digung heraus.
Wie wenig überflüssig Hz war, daß SLählin. so manche be
denkliche Erscheinungen, die sich in der Jugend zeigen, offen
enthüllte und einsichtsvoll verwarf, bewiesen die Ausführun
gen von Eberhard Arnold. Seine überschwängliche Lob
preisung des „Lebens" und jaulender Lebensfreude mutete
recht unlebendig an, denn ste beschwor nochmals das vec-
floffne Stadium der Jugendbewegung herauf. Dieser hochge
spannte Hymnus auf die Jugend, die Leben ersehnt, das bleibt
und nicht stirbt, die nach mystischer Einheit ihres Innersten
mit dm Weltkern drängt und über alles Emengende hinweg in
allumfassender Liebe wahrer Gemeinschaft zustreöt, verriet nicht
im mindesten, daß auch die Jugend dem Gesetz des schlich
ten Werktags untersteht und daß auch ihr die An
erkennung der konkreten, nicht allein vom schöpferischen Ich aus
gestaltbaren Wirklichkeit zm Pflicht, wird. Wenn man nicht
wüßte, wie gut es um die Neuwerk-Bewegung bestellt ist, der
Arnold angehört, aus seiner allzu dithyrambischen, recht eigent
lich lebensfremden Leöensphilosophie hätte man es nicht er
kannt. Gewiß, seine Worte waren von Wanne erfüllt, aber
was vermochten sie einer Jugend zu geben, die nachgerade des
Rausches der Worte müde Zu werden beginnt? Es zeugte
nur von dem gesunden Sinn dieser Jugend, daß ste bei aller
Achtung vor Arnold doch in der Aussprache seine Darlegungen,
gestützt auf die von Stählin vorgebmchten Argumente, größten
teils ablehnte.
Das in der Rede Stählins verhältnismäßig leise angeschla
gene Motiv, daß das Heil der Jugend an die Eingliederung
in das Volksganze geknüpft sei, wurde von Wilhelm Stapel
(Hamburg), einem Führer der „I u n g de u t s e n", breiter
ausaesponnen. Den festen Halt, der heute von vielen, am
stärksten vielleicht von der Jugend, gesucht wird, schenkt nach
ihm daS Gefühl der Zugehörigkeit zur Volkheit. Das Volk ist
für ihn eine „Idee Gottes"; es bildet gleichsam den letzten
RMgrund jedweden geistigen Geschehens. Von seinem deutsch
völkischen Standpunkt aus übte dieser gemütstiefe Lutheraner
Kritik ander westlichen Demokratie, die ihm nicht recht unserem
Wesen angemessen dünkt, weil ste zu wenig die natürliche Glie
derung des Volkes berücksichtige. Was das Verhältnis der
Teutschen zu den Juden anöettifft, so betonte Stapel Zwar, daß
zwischen ihnen Verschiedenheiten bestünden, die auf Rassen-
eipentüwllchkeiLen beruhten, aber er wünscht nicht, daß daraus
politische Konsequenzen gezogen würden — eine Stellungnahme,
die ihm, nebenbei bemerkt, von antisemitischer Seite schon den
Vorwnrs der Lauheit zuaezogen hat. Seine Rede war rm gro
ßen und ganzen eine einzige Ermahnung an die Jugend, ihre
Deutschheit intensiver zu empfinden als bisher und durch Auf
gehen in dem Volk stch gegen entwurzelnde äußere Einflüsse
gleichsam immun Zu machen. Die Echtheit und Vornehmheit
der Gesinnung Stapels benimmt den mancherlei Einwänden,
die gegen seine Gedanken zu erheben sind, den Stachel. Eines
,muß immerhin gesagt werden: so grundwichtig auch die tief
innere Verbundenheit mit der Schicksalsgemeinschast des Vol
kes ist, sie gewährt doch den ersehnten Halt nur dann, wenn
über dem Volke ein hoher Sinn waltet, der seine Glieder mit
einander verknüpft Niemand w'rd angesichts unserer Zerris
senheit leugnen können, daß ein solcher Sinn heute fehlt. Wie
«aber soll man in dem Volk allein sicher wurzeln ohne den Logos,
der es in Wahrheit allererst erschafft?
Die katholische Jugend, für die Pfarrer Weidner
fFrankfurt) sprach, hat in gewissem Sinn den Logos Zu e.gen,
sie bleibt darum vor manchen Verirrungen der sreideutschen
Jugend bewahrt, die einem hemmungslosen Subjektivismus ent
springen. Weidner gab einen Ueberblick über die katholischen
Jugendbewegungen, die sich erst im Anschluß an die freideutsche
BewtMyg zögernd entwickelt haben, und leitete ihre besondere
Art aus dem Wesen des katholischen Glaubens ab, dem sich die
Jugend mit neu erwachter Religiosität zuwendet. Seiner weit
gehenden Uebereinstimmung mit Stählin verlieh er sreuvigen
Aufdruck, wie er überhaupt die Gemeinsamkeiten betonte, die
zwischen der katholischen und der übrigen Jugend bestehen.
Die Unterschiede lassen stch freilich trotz alledem nicht ver
wischen. Was der Protestant vom Subjekt her sucht und etwa
im Bekenntnis zum völkischen Jdesl zu finden glaubt, ist dem
Katholiken als objektive Heilswahrheit gegeben. In dankens
werter Weise schilderte Weidner auch ausführlich, wie Innerhalb
der katholischen Bewegung gewisse Probleme (so z. B. das Ver
hältnis der Geschlechter zueinander oder das Verhältnis Zur
WutoriM), die sich nun einmal aus dem Zusammenprall
jugendlicher Bedürfnisse mit der vorhandenen Wirklichkeit aller
orten ergeben, ihre Lösung finden. Ein feiner Zug von vielen
Mg Per.verZrichU.et werden: Die QuMomer sind' der Ansicht,
daß das „Du" erst verdient werden muß, und haben darum be
schlossen, sich im allgemeinen mit »Ihr" anZureden.
Mit der Gedankenwelt der Arbeiterjugeno machte
ein ausgezeichneter Vortrag von Johannes Schult (Ham
burg) vertraut. Als diese Jugend stch zu Anfang unseres
Jahrhunderts Zu verselbständigen begann, bemächtigte sich ihrer
zunächst die behördliche Jugendpflege; die eigentliche koslöfung
von den übergeordneten Gewalten in Schule und Haus gelang
in größerem Umfange erst seit der Revolution. Wie Schult
hervorhob, wurde dieser Kampf um die Anerkennung jugend
licher Rechte aus triftigen Gründen lange nicht mit der glei
chen Schärfe wie tm bürgerlichen Lager geführt. Daß die Ge-
werkschastsorgamsati^ aus den Arbeiterjugendverbänden eine
Art von Rekrutenschulen zu machen suchten., darf we'.irr nicht
Wunder nehmen; wie sich aber die katholische Jugend der allzu
viel organisierenden Kapläne zu erwehren wußte, so verstand es
auch die Arbeiterjugend, stch von der Bevormundung zu be
freien, die von den Sekretären und Funktionären ausging In
vielem geht ste heute mit der bürgerlichen Jugend zusammen:
ste betreibt körperliche Uebungen (keinen „Sport"!), gibt sich
der Sehnsucht nach Romantik hm und erlebt auf ihren Wander
fahrten das Glück nahverbundener Gemeinschaft. Und «den
noch bedeutet das alles nicht ganz genau dasselbe wie bei der
übrigen Jugend, es sind Unterschiede vorhanden, die sich nicht
ohne weiteres ausheben lassen. Die entseelende FabMätigkeiL
weckt in den jungen Arbeitern Empörung gegen die soziale Un
gerechtigkeit, Heäunft und Schicksal schmieden aus ihnen be
geisterte Anhänger des Sozialismus. Das sozialistische Be
kenntnis aber verknüpft ste eng mit der Partei, macht ste poli
tisch aktiv und gewährt ihnen einen sachlich gegrün
deten Zusammenhalt. Und nun beachte man wohl:
Diese Jungsozialisten find keine Marxisten mehr.
In ihrem jugendlichen Idealismus lehnen sie stch, wie
Schult überzeugend nachwies, gegen die selber dem kapitalisti
schen Geist entwachsene Formel von der „Vergesellschaftung
der Produktionsmittel" auf und bekämpfen die materialistische
Weltanschauung. Sozialismus ist ihnen eine Angelegenheit
des Herzens, er muß im Menscheninnem hevanreisen, dmwt er
äußere Wirklichkeit werde.
Wenn derart die Vorträge bezeugten, daß die Bewegungen
der Jugend annähernd gemäß den das ganze Volk durch
ziehenden Geistesströnmngen verlaufen, so offenbarten ste doch
nicht minder die tiefe Sehnsucht nach Ueberbrückung der Gegen
sätze. Und wie sollte es auch anders sein? Jugend ist Hinweis
auf die Zukunft, und wer immer in unserer Zeit der Zerklüf
tung mit der Jugend in Berührung tritt, um auf sie einzuwirken,
senkt unwillkürlich den Traum künftiger Einheit in ste ein.
Unterschiede mildem sich bei dieser Berührung, scharfe Konturen
schleifen sich ab. In allen Reden schwang denn auch ein ver
söhnlicher Grundton mit, kaum einer der Sprecher unterließ es,
auf kommende Gemeinsamkeit hinZudrängen. Laßt uns bald
einmal das ganze Modell zusammenklappen, so ungefähr sagte
Pfarrer Weidner, nachdem er jede der verschiedenen Jugend--
bewegunaen als wertvollen und notwendigen Ausdruck unseres
Volksgeistes gewürdigt hatte, auf daß endlich der volle deutsche
--- Christentum und Spengler. Im Vortragszyklus der. deutsch,
evangelischen VollSvereinigung sprach am Montag Pros. WMy
Lüttge <Äertin) vor einer stattlichen ÄuhörML-aft über da»
Christentum in Spenglers „Untergang des Äbeno.anves. ^acy
kurzer Schilderung jener apokalyptischen Zustimmung,
seltsamem Gegensatz zur stegeSjicherm Gewrßheü de» DEsmus be
findet und im übrigen nicht nur von Spengler allein »erwünscht wird
ging der Redner zunächst auf den K u l t u r b e g r i > s Spenglers
näher ein. Er begrüßte es. daß dieser, en.geg-n der aus Fram-
reich stammenden und vom SozialrsmuZ auMgrrfftnen K
aufchssung der bürgerlichen AuMrung, die wahre Freiheit nur
in der Befreiung von der Religion erblickt und alles organisieren
will Kultur als dm Ausdruck schicksalhaft sich enlwickemoen geisti
gen Lebens begreift, als eine geschichtlich gewordene umsastende
Einheit, deren Seele gleichsam zur Zeit ihrer höchsten Entfaltung
die Religion isll Was die Entwicklung der Kultur be.n^t,
so zerschlägt Spengler:, wie der Redner memt, den modernen
Götzen des Fortschritts und behauptet statt dessen das Werden und
Vergehen einer jeden Kultur. Als Gründe für Speng.ers G.au-
ben an das Ende gerade unserer Kultur hob er die gegenwärtige
Herrschaft der Technik und der Massen hervor. Zur Kritik
der Gsschichisphilochphie Spenglers machte der Vortragende gtt-
tend. daß die Werke der Wissenschaft und Kunst bleibende Werte
in sich bergen, die den Wandel der Kulturen überdauern, —as
Gleiche trifft auch für die verschiedenen Religionen zu, es gut zu
mal «ür das Christentum. Dieses hat, wie der Redner, im Ge
gensatz zu Spengler betonte, eine Reih- von Kulturen ersaßt und
innerlich erfüllt/ es hat das im ersten Jahrtausend so gut getan
wie auch späterhin und ist darum von dem Schicksal der Emzettm-
turen unabhängig. Für seine Weiterdauer tpncht u. «. der starke
angelsächsische Protestantismus, die Renaissance des KacholiPS-.
nms und der Versuch eines internationalen, Zusammenscymnes
der protestantischen Kirchen Vor allem aber ist die Zukunft des
Christentums an unsere GraubrnSgewißheit, an den verantwor
tungsvollen Einsatz unseres eigenm Wesens geknüpft.