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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.03/Klebemappe 1923 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

4 2.2. 
2.1 ) 
Eine üble Rede Aimmens. 
Frmckfurt, 12. Februar. 
Oer erste Sekretär des internationalen Amsterdamer Ge- 
werkschafts bundes, Edu Fimmen, sprach heu-de abend 
'ist Fränffurt, einer Einladung der Funktionäre des hiesigen Ge- 
OerkjWWkMells Folge leistend, über die Weltlage und die Auf- 
Möen bes internationalen Proletariats. Nachdem er die schlechte 
^Situation der Arbeiterbewegung in Frankreich, Italien und England 
gekennzeichnet hatte, eine Situation^ die seiner Ansicht nach auch in 
Deutschland besteht, behauptete er, daß infolge der imperialistischen 
belgisch-französischen Aktion heute, vier Jahre nach Kriegsende, 
Europa wieder von einem Krieg bedroht sei, der sich durch das 
wsglL«^ Eingreifen Polens und Rußlands zu einem neuen Welt 
brand auswachsen könne. Aufgabe der internationalen Gewerk 
schaftsbewegung sei es, mit allen Mitteln diese Kriegsgefahr Zu be 
kämpfen. Leider habe die Amsterdamer Internationale hei Ge- 
le^nheit der Ruhrbesetzung die Erwartungen.nicht erWt, 
die die deutsche Arbeiterschaft auf sie setzte. In einer Zeit d^r Ar 
beitslosigkeit und angesichts der Ohnmacht der Arbeiterschaft in 
den Ländern der Alliierten fei es eben nahezu unmöglich, die Ar 
beitermassen zu einem internationalen Generalstreik Zu entstammen. 
Immerhin fehle es nicht an verheißungsvollen Anfängen — Fimmen 
erinnerte an den Beschluß der holländischen Rheinschiffer —, die 
darauf hindeuteten, daß tue Arbeiter der verschiedenen Länder die 
deutsche Arbeiterschaft nicht kn Stich zu lassen gedächten, es sich 
aber bei der ganzen Ruhraktion, zu dieser Behauptung verstieg 
üch der Redner, höchstwahrscheinlich nur um ein „abgekartetes 
Spiel" zwischen der deutschen und der französischen Großindustrie 
harckle, in dem es lediglich einen Sieger gebe: den internatio 
nalen Kapitalismus, gelte es ja auch nicht so sehr, die deutsch« 
Arbeiterschaft im Kampf gegen die französischen Machthaber, son 
dern im Kampf gegen ihre eigene Bourgeoisie zu unterstützen. Am 
Schlüsse seiner zum Klassenkampf au stuf enden Rede erwähnte Fim- 
men zur Herstellung der Einheitsfront des internationalen Prole 
tariats. In der Aussprache rief die wüste Agitchionsrede eines 
Kommunisten Stürme der Entrüstung hervor. Ein mehrheitssozia 
Mischer Redner erklärte unter Zustimmung der Versammlung, daß 
der deutschen AMeiterschaft dar Kampf an der Ruhr nicht Mch- 
gültig fein könne, daß sie vielmehr das MMe Interesse an der Er 
haltung der wichtigsten Produktionsmittel für Deutschland habe. 
Stadttat Weidner trat dafür ein, daß die Ruhrhilfe in der bis 
herigen Weise fsrtzusetzen sei. 
MsftettMg neuer öeutscher BschMft. 
In den für die Linel - Sammlung neu hergerichteten Erd 
geschoßsälen des Kunstgewerbe-Museums erfolgte am 
Sonntag Vormittag die Eröffnung einer Ausstellung 
neuer deutscher Buchkunst; weitere Sonderausstel- 
lungen auf dem Gebiete der Buch- und Schriftkunst sollen 
folgen. Diese erste Schau entstammt Privatbesitz und zwar 
rst sie, wie der Vorsitzende der Frankfurter Biblio 
phil e n - G e s e l l s ch a ft, Paul Hirsch, in seiner einlei 
tenden Ansprache hervorhob, von etwa vierzig Mitgliedern 
der Gesellschaft beschickt worden. Obwohl sie nur eine Auswahl 
der zur Verfügung stehenden Buchbestände bringt, gewährt sie doch 
einen guten Ueberblick über die Entwicklung der neuen deutschen 
Buchkunst, die sich aus kleinen Anfängen heraus zu einer heute 
von keinem anderen Volk mehr übertroffenen Höhe der Leistung 
entfaltet hat. Die Ausstellungsgegenstände verteilen sich auf w 
undvierzig Glasvitrinen, die in klarer Anordnung die Schöpf 
gen der Verlage, der einzelnen Kunstpressen und verschied n- 
Illustratoren vorführen. Damit Ueberfülle nicht verwirre, 
von einer Darbietung des Buch-Einbands ganz abgesehen worde-, 
nur das Innere des Buches in seinen immer neuen Abwand-! 
lungen wird gezeigt. § 
Erst in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts be 
ginnt so etwas wie eine neue Buchkunst in Deutschland zu erstehen. 
Einige frühere Versuche, die man in der Ausstellung sieht, sind 
noch verhältnismäßig kümmerlich, bekunden aber einen Willen zur 
Einfachheit und Sachlichkeit, der in jenen Zeiten der Geschmacks 
verwilderung immerhin schon einen Wandel zum Besseren be 
deutete. Die entscheidenden Anregungen kommen aus England, 
wo William Morris im Verein mit Burne-Jones, 
Cobden-Sanderson und anderen Druckkünstlern bahn 
brechend wirkte Unter den herrlichen englischen Prachtexemplaren 
fällt vor allem eine von Cobden geschaffene, aus der Doves-Preß 
hervorgegangene Ausgabe von „W e r 1 h e r s L e i d e n" (1911) in 
die Augen. In Deutschland werden die englischen An 
regungen begeistert von der jungen 
lDer Tausch.^ Die heutige Tauschwirtschafr hat auch 
ihre Nachteile, denn es mag sich nicht immer leicht ereignen, daß 
sich die Wünsche der auf einen Tausch Ersuchten glücknch er 
gänzen. Man kann sich Wohl denken, daß st i^felsuch ende Bu trer» 
Produzenten geeignete Partner finden, man kann sich sogar 
denken, daß Ehemänner einen Tausch ihrer Frauen mitunter 
nicht für unmöglich halten. Aber wie soll sich je der folgende 
Tausch vollziehen, der — Zufall oder Absicht? — gerade am 
Fastnacht-Dienstag im Annoncenteil einer hiesigen Zeitung an* 
gemeldet wurde? „Crstklass. Konzertpiano, VorkriegZ- 
Arbeit, fast neu," so stand dort zu lesen, „gegen kleines 
Hrcvus mit etw. Garten oder kleines Bauerngut zn tau 
schen gesucht." Die besonderen Schwierigkeiten dieses Falles 
liegen klar zutage. Verhältnismäßig einfach zu verstehen ist 
noch, daß der Besitzer des fast neuen Konzert-Pianos um eines 
Häuschens oder Bauerngütchens willen sich seines Besitzes ent 
ledigen möchte. Ich bin natürlich davon überzeugt, daß er das 
Konzert-Piano (erstklass. VorkriegS-Avbeitl) innig liebt. Aber, 
nicht wahr, die Zeiten sind schlecht; er lebt in einer kleinen Woh 
nung, vielleicht in einem bescheidenen Zimmer nur, das nun 
von dem mächtigen Instrument ganz ausgefüllt wird. Ergo 
ergreift ihn das Bedürfnis, diesen Bechstein des Anstoßes bei 
seite zu schaffen, um dafür geräumigere Zimmerfluchten, ei^r 
Stückchen Land, Hühner und Enten einzutauschen — zumal ja 
auch die moderne Musik immer atonaler wird. Soweit ist, w'e 
gesagt, alles in Ordnung. Zu begreifen vermag ich nur nicht, 
was der Besitzer des kleinen Hauses, oder des Bauerngütchens, 
der sich als leidenschaftlicher Liebhaber der Musik vermutlich 
schon lange danach gesehnt hat, in seinen vier Wänden zu 
konzertieren, mit dem fast neuen Konzert-Piano anfangen soll, 
wenn er einmal obdachlos geworden ist? Er kann doch 
nicht mitten auf der Straße spielen N Das riefe sicherlich 
öffentliches Aergernis hervor, ganz abgesehen davon, daß es 
auch dem „erstklass." Konzert-Piano schadete. Ich finde, daß sich 
der Einsender der N^once dieA Schwierigkeit nicht genügend 
,LMrr^ zu fernem Piano^ommsu wi^ A 
* Zwischen Ruhr rrnd Schwarzward. Die neueste Nummer des 
„Illustrierten Blattes" steht wiederum im Zeichen der 
R u h r b e s e tz u n g. Gleich auf dem Titelbild erblickt man die 
Schwebebahn Barmen-Elberseld, deren Wagen haushoch über der 
WuMr dahinfahren. Einige weiter? Photographische Aufnahmen 
illustrieren gut die täglichen ZeitungZmeldungen aus dem Ruhr 
gebiet: man sieht die, Franzosen, wie sie beschlagnahmte KohleN- 
züge unter Dampf zu bringen suchen, Kohlenwagen nach dem un 
besetzten Deutschland anhalten und sich, von einem pfeifenrauchen- 
den deutschen Eisenbahner beobachtet, vor einem Stellwerke Zu 
schaffen machen. Auch der Einbruch der Franzosen in das 
badische Land wird bereits durch etliche Bilder verewigt und 
gebührend glossiert. Als guter Ebronikeur beschränkt sich aber 
das „Illustrierte" keineswegs auf die Berichterstattung über die 
Ereignisse im nahen Westen, sondern schweift restlos in aller 
MfferG- und Sehenswerte einzufangen. 
fuhrt es rn die Türkei, zeigt uns Kemal Pascha, 
Angara und ein paar Szenen aus den türkischen Freiheitskämpfen. 
Da lernt man, mit oft genannten und gehörten Äamen endlich eine 
bestimmte Vorstellung zu verbinden, und an die Stelle blasser 
Wortgespenster konkrete Bildgehalte zu setzen. Don der Türkei 
flut,ch. man nach Amerika, wo gerade ein« Art von Ueberzeppelin 
m^.^^"ß»^gegengeLt - größte Luftschiff der Welt, 
versteht sich. Man bewundert das ungeheure SLahlgerippe mit 
ungefähr demselben ehrlichen Staunen, mit dem man heutzutage 
an allen Laden die riesenhaften Butterpreise liest. Wo soll das 
am Ende nur noch hinaus? Für spannende Unterhaltung sorgt der 
Kosten Fortsetzung erscheinende Roman „Ingenieur 
JacqueS, in dem der auch aus dem 
Mlm rühmlich bekannte Dr. Mabuse eine erhebliche Rolle spielt. 
lf. 
Line ursprün^Leb als adMkakia 
unck 1906 ver-MHrMetiH Kekr-rkt üde? 8 trrn 6 r 6es 
"vor kurzem fftzwr ordenen HsrMsnn 8ekuitktzjk 
I o rr ^ r t iV Ok . . k U r r e e k k s Lrä Deckom LMsriHr ^uftsM kerm'8- 
Mdruekt (l^ipn^ ?6six Nembr- VII, 177 8-). Die 
RrunäNeks Arbeit xidt in Nrem srLisn ^kbednrtt sintz 
Vsdsrswbt üd^r äis 8tirn6rsit6r3iur von 18^ dr§ 1904 
null erörtert 8LirnerZ 8teisimK in cker 6tz8ed!eki8 cker 
V>llo8opsije, dosier Mit Heedt äarank 
Mttck. äaü von einem ir^enck^ie enisesieickencken klirr- 
NuA 8tirner3 auk MetMesie bei cker inneren ^686N8° 
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In ckem weiten ^ksesinitt suesit 8elncktsieitz ckurek äna- 
jvW ckes 8tirner8esien Centraide^rilf68, ckeZ kissoi-?muZ, 
L'm tieferen VerMnckms ckes „Linien neck 8ein lÜMn- 
Aurr" Ll^Ludadnerr. Lr ckem 
Mirner Ln 8elne VedLuptunA von cker e^nimisetten 
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knüpft kade, es müktsn Kieü nun ckw klensesien cksn 6s- 
86tL6n ckb8 ^N8wnck68 unck cker Klorai Luwicker dettiffoen^ 
Zonckern mit seiner ^ussa^e !ecki^iiesi ckie Oütti^keit 
üderper8<)N3!er Imperative siade sn^reiken ^vvitsn. 
einer Kritik ckeZ untraitdÄren Ktanckpunkts 8iirnsr8 
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