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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.03/Klebemappe 1923 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

j M AMLM des ßWMchNWs. 
Dir Stadt unter dem Bahnhof. — Die neue» Kopftzau-Erweite- 
rrMßrn, -- MartesWirrnenerrmg. — Auf dem Querbahnsteig. 
Obwohl di« Arbeiten im HauptLshuhof noch längst nicht 
chrsn Abschluß gesunken haben, sind sie doch jetzt soweit gs- 
diehe», daß sich ein Miä hinter die Bauzäune sehr wohl ver 
lohnt Das Publikum, das sich schon monatelang geduldig 
durch die von diesen Zäunen gebildeten Engpässe hindurch 
bewegt, ahnt zumeist noch nicht, was hinter der mit Brettern 
vernagelten Welt eigentlich vor sich geht, ahnt auch nicht, mit 
welchen Schwierigkeiten es verknüpft ist, an einem Mittel 
punkte des Verkehrs Umbauten auszufühven, ohne daß der 
M-hnhossbetrieb irgend welche Unterbrechung erleidet. 
Die Hauptätigkeit hat sichöisher unter der Erde voll 
zogen, und man darf ohne Uebertreibung sagen, dsß hier so 
etwas wie ein neuer Stadtteil, eine Art profaner KatÄomben- 
stadt entstanden ist. Bis tief unter die mittlere Eingangs 
halle erstrecken sich die großen Unterkellerungen, die in 
Zukunft der W- und Zuführung des Reisegepäcks von und zu 
den Zügen dienen werden- Sie ziehen sich von der Halle aus 
in Breite der Halls unter dem Quersteig hin, wo gewaltige 
Eisenbetonstützen die Last der beweglichen Prellböcks auf 
nehmen. Unterhalb der Bahnsteigsperre etwa, also am Kopf 
ende -der Bahngleise, Meigt sich der Wiche Quertunnel ab, 
der den Gspäckverkehr zu den Zügen vermittelt und nicht nur 
mit der GepäckausgMe in der Eingangshalle, sondern auch mit 
der - ExpreßguMsäUglörg an der -Psststraße in Verbindung 
sieht. Geräumig« ArrMgs sorgen für die Beförderung des 
Gepäcks von den Bahnsteigen zu dem Tunnel. Die ganze An 
lage soll demnächst dem Betrieb Übersetzen werden, wodurch 
dann «Mich der Perssnenverkchr auf dem QueSahnsteig die 
erforderliche Entlastung erfährt. Freilich ist damit die Tun- 
neUrrung noch nicht zu Ende. Unter dem Mittelbahnsteig dehnt 
sich in Bahns^igbreite «in Längs tunnel, an dem zur Zeit 
Noch .-«-.arbeitet wird. Er verspricht eine wahre Sehens 
würdigkeit zu werden, sein« MSWonstrukftsn ist jrdeM 
Ms, soviel läßt sich schon heute sagen, von hohem Mystischem 
Reiz. Don dem Wichen Quertunnel an senkt er sich allmäh 
lich heoA, um den bestchenden Perfrmerx» und Posttu>nnel 
utrt«fmMn W können, der den Verkehr zwischen den Bahn 
steigen vermittelt. Auf der anderen Seite soll er wicher an- 
steiK-n und in einen wWichen Gepäcktunnel «inmünden, der 
genau ss wie der Wich« WrögWLdet wird. Die Wsitesarbsit 
an diesen TumrÄS wir» sich sehr schwierig gestillten, weil ihre 
MderlaKr diretz unter den Gleisen lfegm und der Betrieb 
aus technischen GrÄcken nicht gKört werden darf. Um Men- 
schenkvast zu sparen, ist im übrigen vorgesehen, die Gepäck 
wagen auf maschinell» Weise durch den Längstunnel zu bs- 
lLrdsm, Mmr hofft, wenn nicht widrige EreiWisse dazwischen- 
weÄn, dir AesMnte UnterMerung im Laufe dieses Jahres 
fsMgWsWm.. Kv« Fortführung unter der HarrpteinMigS- 
haSe hindurch bis ßum Bcchnhofvorplatz und die Verlegung 
auch der Grp8ch.msMrbk in da§ S-sutrrÄrin ist wohl noch Au- 
kun'tZrnusik. 
Auch die Kopfb auken hn Süden und Norden des 
Quertz-ahnstriG find schon zu stattlicher Höhe emxorgewachW 
Üe-sr da- Architektonische, das im Asußeren die Motive des 
HanplümM ohn« skavische Anlehnung in gemäßigtem klassi 
zistischem Geschmack« weiterführt, im Innern dagegen sich 
moderner und freier entfaltet, wird noch zu reden sein, wenn 
alle Gerüste gefallen find. Im gegenwärtigen Stadium der 
Arbeiten yeiWgt es festzustellen, daß die Raumeintei 
lung sehr zweckmäßig getroffen ist. Man betritt den 
Quechahnsteig im Norden und Süden künftighin durch ge 
räumige Vorhallen, zu deren Seiten die Fahrkartenschalter j 
und die Handgepäck-Annahmen angeordnet sind. M« Sand- 
KeinauSfühnmg der Hallen macht einer: günstigen Eindruck, 
der sich vmmrüich noch erhöhen wird, wenn die den Fahr 
kartenschaltern vorgelagerten Drängeltische aus 'dunkelrotem 
Menilbronner Sandstein das Gesamtbild um eine« kräftigen 
Farbsnakzent bereichern. Wo die neuen Kopfbauten mit dem 
Hauptbau zusammenstoßen, sind nochmals Keine Ausgangs 
hallen geschaffen, die direkt ins Freie auf den B-ahnhofvorplatz 
führen. Im Souterrain, von diesen Hallen aus durch be- 
hueme Trqrven zu erreichen, befinden sich die ALortanlagen, 
hie Döder, oi« Wasch- und Frissurräume, die in hygienischer, 
. jechnischer und gescheimMcher Hinsicht aufs Beste ausgestattet 
werden sollen- An sie grenzen, ebenfalls im Souterrain, große 
Vaseckeller für Handgepäck, die mit den darüber gelegenen An- 
stahmestellen durch PatsmsstssauMge verbunden firrd. Die 
hberrn GtvSwerks der Kopsbauten werden für Dienstzwecks auS- 
nützt. Auch hier im internen Betrieb sind manche technische 
evrn norn geplant. So ninmrt der Südbcm in seinem zwei 
ten Obergefchsß einm SM für die automafiischeFern- 
lprrchzentral« auf, durch deren Einrichtung man sich 
Ane besser« Abwicklung des T^ephonverkehrs und Ersparnisse 
AI Personal verspricht: Von den Halbrundfenstern dieses noch 
tm Entstehen begriffenen Saales genießt man einen herrlichen 
Blick auf die Bahnhofshallen mit ihrem Gewirr von Bahn 
steigen, auf dM ganze, scheinbar so ungeordnete Gewimmel 
der drMMnmM? eilenden Menschen, die, von. olympischer 
.Hsk^ ES M wie ein in Aufruhr geratener Ameisenhaufen 
MsnchmE Weitere Kreis-e wird es intereWemn, daß die 
LMeiLrmg l^abstchtigt, die EingangsHalls des Süß 
Laues währwd der Frühjahrsmesse M zehn Tage 
provisorisch .dem Verkehr foeizugeben. 
Me baultÄM Veränderungen rm H auptöau selber 
sind zmn Teil schon beerbt- In den WartesälZn, die M 
einem UeLerfluß von Renaiffaneefchnörkbln und siMrlichem 
Schmuck litten, hat rmm die! Stuck abgeharren und desgleichen 
die großen Kronleuchter Zum alten Eisen geworfen, ein heute 
ja bekanntlich lohnendes Geschäft, das sicher auch künstlich 
den Räumen nicht Zum Schaden gereicht. Der nördliche Warte 
saal ist jetzt ganz auf Grün gestimmt, der südliche erstrahlt in 
einem kräftigen Rot- NeuM Stahlwerk und passend gewählte 
Tischlampen wirken mit, die Stimmung der Räume zu erhöhen 
rard den Aufenthalt in ihnen behaglich Zu gestalten. Von rein 
künstlerischem Standpunkt aus wäre wohl eine noch radikalere 
Umwandlung der wieder vollständig in Betrieb genourmenen 
Räume Zu wünschen gewesen. 
Auf dem Querbahnsteig erfolgt in den nächsten 
Tagen die Eröffnung des symmetrisch zum Cigarettenkiosk ge 
legenen Schor oladenpavillons, eines mit heiterer 
Goldsrnamenük übersäten blaugrünen Jrmenmums, der so 
entzückend ist, daß er vermutlich die Reisenden sehr heftig zum 
Kauf von Leinen SchsksladeMchen anreizen wird. Im 
Fortgang der Arbeiten sollen die ganzen Sperre-Ein« 
r sich Lungen modernisiert werden. Me gegenüber der 
HaupLeingangshalle befindlichen Sperren erfahren ßm besseren 
Kennzeichnung der Mitte eine ovale Ausrundung, die Gesamt 
Zahl der Durchgänge Zu den Bahnsteigen wird auf 62 vermehrt, 
an ^die Stelle der hölzernen Barrieren treten überall steinerne 
Drängeltische, und statt der bisherigen Nummerierung der 
ganzen Bahnsteige ist schließlich die gesonderte Nummerierung 
einer jeden Bahnsteigkante vorgesehen. Wann alle diese Um 
bauten einmal beendet sein werden, läßt sich natürlich unter 
den gegenwärtigen Zeitverhältnisssn nicht mit Bestimmtheit 
Voraussagen. Gewiß ist nur, daß die im Besiegen von Schwie 
rigkeiten erfinderische Bauleitung ihren Ehrgeiz dreinsetzt, die 
Arbeiten ss schnell wie möglich zu fördern, damit endlich das 
GesamtprsjekL leibhafte WirLichkeiL werde, Lr. 
ZMch SZS Mtz?kMÄe ZDMWK. 
— SLudienrat Hiel scher, der Verfasser des Buchs:, „Das 
unbekannte Sapnrm", dessen künstlerisch vollendete Photographische 
Aufnahmen allgemeine Bewunderung gefunden haben,' sprach 
, Freitag Abend im Saalbau auf Veranlassung der Deutsch - 
Spanischen Gesellschaft über seine Entdeckungsfahrten 
kreuz und quer durch Spanien. Er befand sich dort zu Beginn des 
Kriegs und konnte natürlich während der dar-aKffol^ Kriegs^ 
fahre nicht in die Heimat Zurück- Diese lange Zeit unfreiwilliger! 
Muße benutzte er dazu, das Land mit leiner geliebten Kamera Zu 
durchstreife Mit einem Handschreiben des Königs versehen, 
der ihm daZ Photographieren in seinen Schlössern gestattete, und 
auch noch mit anderen Empfehlungsbriefen ausgerüstet, die alle ihn 
freilich nicht vor gelegentlichen Verhärtungen schützten, bsgaö er 
. sich auf die Wanderschaft, und man muß wirklich sagen, daß er i 
sie mit deutscher Grnüdlichkeit besorgte. Kein Ort war ihm Zu i 
entlegen, kein Weg zu beschwerlich. Abseits von der großen! 
Heevesstrahs fragte er sich Lei der einheimischen Bevölkerung nach k 
feinen unbekannten Zielen durch, ein nicht ganz leichtes Unter ¬ 
! fangen, da di-e biederen spanischen Bauern zumeist gar nicht be 
griffen, was er eigentlich wollte. Erst wenn er ihnen seine Bilder 
z -eißte und den Wunsch auZdrückte, ähnliche Dings noch mehr Zu 
- sehen, ging ihnen ein Licht auf und sie wiesen ihn dann häufig auf 
glückAhe Spur. Der Lohn für diese Mühsale blieb nicht aus. Er 
stöberte Erdenwinkcl und architektonische Schönheiten auf, die 
Äävecker mit mehr als einem Stern hatte auszeichnen müssen, 
und erntete den Triumph, den Spaniern selber Aufnahmen vor-, 
führen Zu können, deren Originale sie in ihrem eigenen Lande 
nimmermehr vsmmtet hätten. Kein Wunder, daß in Spanien 
seine Photographien viel begehrt wurden. Sie erschienen sov^ 
laufend in illustrierten spanischen Zeitschriften, deren MitürbeOer HUl- 
scher war, und Mich die Regierung kaufte eine Anzahl von ihnen an. 
Im Verlauf feiner Ausführungen wies der Redner zu wieder 
holten Malen auf die während des Krieges oft genug betätigte 
deutschfreundliche Gesinnung der Spanier hin und unterstrich die 
Notwendigkeit guten Einvernehmens Zwischen dem deutschen und 
dem spanischen Volke. Daß sich im übrigen der etwas schul- 
meisterlich-moralsier^ Vortrag auf sonderlich hohem Niveau 
bewegte, könnte man nicht behaupten, die Selbstüberzeugtheit, 
die aus jedem Wort sprach, wirkte peinlich und auch die Schilde 
rungen waren reichlich trivial und abgeleiert. Da indessen die 
- Lichtbilder selbst hochgespannte Erwartungen übertrafen, 
mochte man dem BegleiLLext immerhin seinen Clichee-Charakter 
nachsehen. Diese Bilder, die da in schier unbegrenzter Mannig 
faltigkeit vorüberzogen, sind mit einem Raffinement ausgenom 
men und aus geführt, das seinesgleichen sucht, und man begreift 
sehr Wohl das Auffehen, das sie auch bei Fachausstellungen er 
regt haben. Geschichte, Wahl des Bildmotivs, Abpassen der gün 
stigsten Beleuchtung, Sorgfalt im Aufsuchen des geeigneten Vor 
dergrundes, Beachtung der Wolkenbildungen usw.: das alles wirkt 
Mjammm, UM W vWHweg ohm MKrrägliM RetouchieMgen
	        
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