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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.03/Klebemappe 1923 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Am LsZe der WsMsMtM. 
Im Hinblick auf die Univerfität Frankfurt. 
Die Zuschrift im HochschuM (Abendblatt vmu 8. März) 
über das Schicksal der Privatdozenten mag noch 
durch-etliche Angaben ergänzt werden, wobei uns die Frank 
furter VerMtnisse als Beispiel dienen mögen. Auch hier, wie 
überall, sind naturgemäß die PrivaLdozenten der geistes 
wissenschaftlichen Fakultäten am schlechtesten gestellt. 
Einige von ihnen hat man mit besoldeten Lehmufirägen bedacht, 
die noch iw Februar 192Z im günstigsten Falle ein Honorar von 
rund AV W0 Mt. enckrachren, ein Honorar wohltzemerkt, das sich 
nach den persönlichen Lebensumständen seines Empfängers in keiner 
Weise richtet. Weder in der philosophischen, noch in der ^echts- 
wissenschaftlichcn Fakultät gibt es bisher einen außerplanmäßigen, 
geschweige denn einen planmäßigen Assistenten, der Zugleich Pri- 
vatdozent ist, und mich die nanonalökonomische Fakultät hat nur 
einen einzigen planmäßigen Assistenten aufzuweisen. Besser stehen 
sich die Nmurwissenschaftter uns Mediziner, für die eine Reihe 
von Assistsntenposten geschaffen find, die ja auch dringend benötigt 
werden. 
Von den nicht als Assistenten beschäftigten Privatdozenten 
üben manche einen Nebenberuf aus und verdienen sich auf 
diese Weise ihren Lebensunterhalt. Sie find als praktische Aerzte, 
KrankenhaüsärZte, Rechtsari walte, Lehrer, HandeMchrer tätig 
und haben für gewöhnlich in. ihrem „Nebenberuf" ein gerütteltes 
Maß von Arbeit zu verrichten, das ihnen die für ihre wissen 
schaftliche Fortbildung erforderliche Zeit sehr beschneidet. Zum 
Teil handelt es sich übrigens in diesen Fällen um Dozenten, die 
weniger ihren Beruf als ihre Universitätslaufbahn gleichsam 
Nebenamt l i ch betreiben. Auch hier wieder, bei der Wahl 
?- 
VIe MrbelkM der Zorm. 
--- Die Folge der während der Frühjahrsmesse im Haus 
Werkbund stattfindLnden Verträge eröffnete gestern Profi 
Peter Behrens mit fesselnden Betrachtungen über die wer 
bende Kraft der künstlerischen Form. Seine Darlegungen 
waren gerade für die Meffebesucher von Wichtigkeit, suchten sie 
doch Zu erweisen, welche Bedeutung auch in rein kommerzieller 
Hinsicht dem gut gesonnten Gegenstand zukommt. In der Ge 
stalt, die irgend eine Ware findet, so ungefähr führte er aus, soll 
ihre Echtheit und Solidität veranschaulicht werden, die Form 
ist gleichsam der Ausdruck ihres inneren Wertes und bringt sie 
als vorbildhaften Typus nach außen hin zur Geltung. Gut 
durchgeformte Erzeugnisse möchten wir nicht bloß besitzen son 
dern, sie uns auch seelisch ganz Zu eigen machen. Es handÄt 
sich Lei ihnen um die Erhöhung der materiellen Werte durch eine 
individuelle geistige Tätigkeit, die ihnen den Rang eines Mo 
nopols verleiht. Solche Durchtzeistigung des Gegenstandes, 
die überall möglich ist, bringt nicht allein Nutzen, sie verschafft 
auch Glanz und Ansehen. Die Kirche sowohl wie die Fürsten 
kanAen sehr wohl die werbende Kraft der Form und haben 
nicht umsonst Bauten errichtet und sich mit Dingen umgeben, die 
bis ins kleinste künstlerisch durchgebildet waren. 
An Hand zahlreicher Lichtbilder zeigte Profi Behrens, 
welch starker Formmille sich in der Gegenwart durchringt, und 
vergaß im übrigen nie darauf hinzuwelsen, daß die gute Form 
gebung sich auch wirtschaftlich stets bezahlt macht. Als erstes 
Beispiel führte er Messels Warenhaus WerLyeim vor, oas 
den entscheidenden Anstoß zur Errichtung geschmackvoller Waren 
häuser und Handelsbauten gab- Er erzählte, daß er kurz nach 
Eröffnung des Werthe-m-Baues im Gespräch mit Rathenau die 
Frage aufgeworfen habe, durch welche Motive wohl Messet be 
stimmt worden sei, ein Warenhaus so hochkünstlerisch zu gestalten. 
Nachen au sei schon damals (es war im Jahre 1897) von der 
Erkenntnis durchdrungen gewesen, daß eine Steigerung unserer 
Ge>. >rna^ gerade für die Wirtschaft einen unnennbaren 
Das StmßeMK. 
st Frn Vergleich mit der Herbstmesse scheint die Reklame Es 
den" HMpLvHrkehrssLraß sich dieses Moll etwas weniger leb ¬ 
! haft zu entfalten. Freilich, der große Bär auf dem Platz der 
Republik beherrscht noch immer eifersüchtig, um nicht Zu sagen 
bärbeißig das Aufmarschgelände zm Messe, Aber Zum Glück 
fehlen Heuer die beiden ftagwürdigen Riesengestalten, die bis 
her noch immer am Bahnhofsplatz die Kaiserstraße flcm- 
NerLen. Diese Über gibt auf der Strecke zwischen Frank 
furter Hof und RoßmmkL deutlich kund, daß sie der wichtigste 
Fangarm des MeffepolyM ist: wohlbeleibte Reklamekästen 
einer Frankfurter Firma umklarmnew hier sämtliche Leitungs 
masten und verleihen dem Straßenzug das für die Messewoche 
geziemende Aussehen. Daß nicht wehr geschehen ist, hängt 
wohl mit den schwierigen ZeitvechälttriM zusammen. Noch ist 
indessen nicht aller Nächte Morgen, und manches am SanWiag 
noch ungeborene Rekknnefähulein mag am Sonntag lustig im 
Winde flattern. Am meisten für die Belebung des Straß en- 
bildes werden, wie stets in solchen Fällen, die Menschen selber 
zu sorgen haben. Zu wünschen bleibt nur, daß auch die Sonne 
der Verschönerungspflichten nicht vergesse, die in den Messe 
tagen ihr Zufällen. 
Gewinn bedeute An weiteren der gebotenen Beispiele großer^ 
Handelsbauten erhärtete Bohrens die These, daß die Schönheit 
der Form niemals äußere Zutat ist, sondern rein aus der rich 
tigen Anpassung an die innere Zweckbestimmung des jeweiligen 
(oder Gegenstandes) von selber erwachst. Besonders 
intevessimt ckt m.dieser Hinsicht das neue Verwaltungsgebäude 
der Höchster Färb werke, das zur Zeit nach den Ent 
würfen von Pros. Behrens ersteht. Materialschwierigkeiten haben 
hier Züeffsch zur Schaffung neuer Formen geführt, d>s nun ganz 
erumal gegebenen Verhältnisse und Bedingungen 
sind. Das Haus ist auch im Innern als Ziegelbau angeführt 
, ,Z l -h vür Geschosse gehorche Halle, die von 
Mb'g LNLeMheneu ZragMeLlM setnMH wich» SLM des 
Anst üblichen StoffbelagZ sind die Freitreppen mit einer in die 
Stufen eingelassenen Ornamentik versehen. So wird ^uZ der 
Not eine Tugend, in diesem Falle eine Kunst, gemacht. 
Für die Industrie gilt das Gleiche wie für den Hmchel: 
auch sie wird darnach trachten müssen, durch monumentale Bauten 
einen starken Eindruck hcrvorZurufm. Maßgebend für die ssrm- 
volle Anlage der Industriebauten ist derErzeugungsgang, die 
Zuführung der Gleise usw. Entwickelt man nur unbefangen das 
Bauwerk aus sinnen Lchnischen Erfordernissen heraus, so ergeben 
sich ohne weiteres hohe SchönheiLswerte: gute Staffelung der Ge 
bäude, interessante Silhouetten, geschlossene Platz Wirkungen. An 
mancherlei Beispielen, zumal an seinen eigenen Bauten (erwähnt 
sei nur die herrliche Turbinenhalle der A. E. G-), belehrte Behrens 
darüber, wie im EinzelMe -er künstlerische Charakter seinem 
rnnem Wesen entspringt, und wie stets das Aesthetischs mit dem 
Wirtschaftlichen harmonisch Zusammen geht. Auch die Ammoniak 
behälter der von Behrens im Frankfurter Osthafen er 
richteten Gasfabrik dienten als Beleg hierfür. 
Natürlich darf die künstlerische Gestaltung nicht bei den Bauten 
Halt machen; sie muß sich ausi jede Ware, jedes industrielle 
Erzeugnis, bis Zum Prospekt und zum Fabrikzeichen herunter, er 
strecken. We solche Formgebung durchzuführen sei, erläuterte 
BehrenZ an den von der A. E. G. auf den Diarkt gebrachten Venti- 
latoren^ Leekschern, Heizkörpern, Widerständen usw., die allesamt' 
von ihm selber Gestalt empfangen haben. 
Was schließlich die Reklame anbstrifst, so ist Lei ihr Zu be 
achten, daß sie nur dann Sinn und Wert hat, wenn sie aus der 
Umgebung herausfällt Gemäß dieser Notwendigkeit wir- sie sehr 
wohl mit künstlerischen Mitteln geschmackvoll zu gestalten sein. 
Behrens Zeigte u- a. ein Straßenbild aus Hongkong das große 
Ähnlichkeit mit der Leipziger Messe aufwies, und betonte em- 
dnngttch den PEischen Vorteil, den eine gut ausgemachte Reklame 
mit sich bringe Der von ihm entworfene neue Briefkasten der 
Rerchspost mit seinen herunterNngenden schrägen Seitenflächen 
veranschaulichte treffend die von ihm aufgestellten Leitsätze. 
Zum Schlüsse entkräftete Behrens einige Einwänds. He von 
kaufmännischer Seite häufig gegen die QualitätsaGeit erhoben 
werden. Er widerlegte den Irrtum, daß fünstlerische 
Arbeit die Ware verteure, indem er nMw'ws, daß der 
Auftraggeber stets am heften durch den geschickten Künstler bedient 
werde. Auch wandle er sich gegen die Auffassung, daß der Kauf 
mann sich nach dem Geschmack des Publikums richten müsse. Das 
wenig differierte Publikum hat als solches überhaupt keinen 
Gestymack und ist der Ueberredung durch den Verkäufer Zugänglich 
Dw msch in sittlicher nicht mir in wirtschaftlicher und ästhetischer 
Hinsicht wichtige Aufgabe ein hohes Ge-chmacksniveau zu erreichen, 
wnw notwendig von dem führenden NErWaMn gelöst werden 
Müssen. . --- - 
lGroße BücherauMon in Frankfurts Die vorn 14. bis 
18. Mai bei Baer u. So. in Frankfurt Zur Versteigerung ge 
langende Bibliothek des 1910 verstorbenen NegierunOratS Ernst 
Magnus umfaßt hauptsächlich Werke der deutschen Lite« 
ra 1 ur des 18. und 19. Jahrhunderts. Die Sammeltätigkeit dorr 
Magnus, die sich auf die großen Schriftsteller der klassischen Pe 
riode beschränke, begann mit Leffing, fand ihre Fortsetzung mit 
den Stürmern und Drangern, mit Goethe, Schiller und Kleist und 
dehnte sich auch auf die gesamte Heine-Literatur aus. Erich 
Schmidt, der nahe Freund von Magnus, war für den Ausbau 
der Bibliothek ein unentbehrlicher Berater, man findet manche 
Bücher mit seiner Widmung und darf überhaupt feststellen, da^ 
die litemrischen Jutereffen des Besitzers mit den seinen aufs 
glücklichste Zusammentmfm. Von den Schätzen der Sammlung 
seien hier vorausweisend rmr einige wenige genannt: der sehr 
seltene „Brief des Pastors" von Goethe, die eftten Ausgaben 
der „Räuber", sowie die nicht minder seltene medizinische Abhand 
lung Schillers: „Ueber den Zusammenhang der tierischen 
Natur des Menschen mit seiner geistigen" und sämtliche wichtigen 
Ausgaben des „W u n d e r h s r n". Heine ist u. a. mit dem „Buch 
der Lieder" in den ersten zehn echten Ausgaben und mit der Reihe 
seiner seltenen französischen Schriften vertreten. -- Das knapp 
charakterisierende Vorwort zum Katalog hat Dr. Karl Vi 6 tor 
geschrieben.
	        
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