! NMonalversummlung, die vor 75 Jähren ihr ganzes Können
und Wissen in den vaterländischen Dienst setzten, um die
Reichseinheit zu schaffen. Gelang auch das Werk nicht, ver-
geMch war das Wirken dieser Männer nicht. Der Redner zog
die Verbindungslinie von 1848 über 1871 bis 1919 und seierte
Frankfurt als Wegbereiter und Bahnbrecher für
Weimar, wo die deutsche Reichseinheit in neuem GewE
wiedErerstand. Er schloß mit dem Hinweis auf das Pflicht
gebot der Stunde: zur nationalen Selbsterhaltung unerschütter?
lich zusammenzustehen, damit das kostbare Gut der deutschen
Reichseinheit der kommenden Generation bewahrt bleibe.
Kein Opfer darf uns zu groß und zu hart sein,
um dieses Gut zu retten: das sei das Treuegelöbms der
Stunde! Besonderen Gruß entbot er als Sprecher des
deutschen Volkes zuletzt den zahlreich erschienenen Brüdern
aus Deutsch-Oesterreich und den Volksgenossen in den besetzten
Gebieten im Westen und Osten. (Lebhafter Beifall.)
Der Vertreter des österreichischen Nationalmts Seitz
dankte für die herzliche Begrüßung in Frankfurt und betonte,
! daß es gerade jetzt, wo Deutschland im Westen so sehr bedrückt
! und von Haß allenthalben verfolgt werde, den Oesterreichern
! ein Bedürfnis gewesen sei, nach Frankfurt zu kommen und
auszusM welche Liebe Oesterreich für Deutschland
empfinde. (Langanhaltendes Händeklatschen.) Die Einheit des
deutschen Volkes stehe wohl noch in weiter Ferne, und das
Wort in dem Friedensvertrag von der Unabhängig^ Oester
reichs gegenüber Deutschland sei sicherlich das schlimmste Wort,
das der Vertrag enthalte. Trotzdem lebe aber in den Oester-
reichern der starke Wille, endlich eins zu werden mit Deutsch
land. In solcher Sehnsucht und solchem Wollen seien sie hart
und fest, und die Geschichte werde ihnen dereinst gewiß recht
geben. (Starker Beifall.)
Der Vizepräsident des Reichstags Geheimrat R i e ß e r
drückte sodann die unerschütterliche Ueberzeugung aus, daß
keine Macht der Erde stark genug sei, um den endlichen Zu
sammenschluß zwischen Deutschland und Oesterreich zu ver
hindern. Auch er lenkte den Blick auf die Tage der Pauls
kirche zurück und stellte fest, daß seit jener Zeit von Jahr zu z
Jahr die Einsicht in die Zusammengehörigkeit der beiden
Völker gewachsen sei. Kurz verweilte er bei der Bismarckschen
Awischenära und feierte zuletzt in kernigen Worten das zu
Unrecht so vielgeschmähte „ProfessorenparlamenL", d<rs im
Jahre 1848 weithin das Banner des deutschen Idealismus
entfaltete und eine Fülle bedeutender Redner und Politiker
vereinte, wie sie kein Parlament seither besaß.. Was damals
ein Redner gesagt habe, es gelte auch heute: daß wir in ge
duldiger Arbeit und im Glauben an die Zukunft unseres
Volkes die Zeiten der Not überwinden müssen. (Lebhafter
Beifall.)
Aus der Mitte der Versammlung wurde im Anschluß an
die Rede ein Hoch auf die einige groß deutsche Re
publik ausgebrächt, in das die Anwesenden begeistert ein-
stiwmten. Mit den Haydn-Variationen des Deutschland
Liedes schloß die ernste und würdige Feier.
Als die Musik verklungen war, Legaben sich die Anwesenden
über die «^ehrwürdige Treppe hinab in die Römsrhallen, wo
der Reichskunstwart Dr. Rsdslsb einige einleitende Worte
zur Eröffnung der historischen Ausstellung sprach.
Man lerne in der schönen Schau, so führte er aus, die An-
fange des deutschen Parlamentarismus aus unmittelbarer
Nähe kennen. Köpfe, Autogramme usw., das ganze bewegte
Leben der Zeit trete dem Beschauer greifbar entgegen. Vor
allem aber erfreuen, und das sei das Erhebendste, die vielen
schönen Frankfurter Erinnerungen, die hinlänglich beweisen,
wie innig von jeher die gute deutsche Stadt Frankfurt mit der
deutschen Geschichte verquickt gewesen sei. An die Rede des
Reichkunstwarts schloß sich der Rundgang durch die Aus
stellung.
Sie Zeier m der PMMrche.
Me Stichs werden lebendig, wenn man das Innere der
Paulskirche betritt. Ihr schöngebildetes Rund hat die gleiche
Ausschmückung erhalten wie Zur Zeit der Nationalversamm
lung und so sich würdig für die Weihestunds bereitet, die der
Erinnerung an jene Tage, gelten soll. Wohltuend berührt es
vor allem, daß der große Gaslüster entfernt worden ist;
das prächtige Kuppeloval gelangt nun ganz zu seiner
Wirkung, und voller erklingt der Raum. Ueberall,' wohin man
blickt, beherrschen die Farben der Republik das Feld, die vielen
Gsdächtniszei^ rufen den frühen Traum von ihr wieder
wach, den verfrühten Traum, der sich gar seltsam mit der
gegenwärtigen Wirklichkeit vermengt. Die Estrade der Kanzel
ist rot ausgeschlagen. Darüber befinden sich auf rotem Grund
drei schwarz-rot-goldene Fahnen, in der Mitte
der Reichsadler ohne Krone, Schwarz-rot-goldene Be
hänge folgen in der Höhe des Hauptgesimses dem
Kuppelrund, vielfach unterbrochen durch kleinere Fahnen,
die natürlich ebenfalls in den jetzt zum vaterländischen Symbol
gewordenen Farben gehalten Pnd. So durchwogt der gute
Farbendreiklang das ganze Innere und schafft die rechts
Stimnmng für die Feier. Von der Empore oberhalb der
Kanzel „herab grüßt Mutter Germania ihre bedrängten Kinder.
Rechts und links von ihr stehen in großen Lettern jene rührend
schlichten Wers-e geschrieben, die den Abgeordneten im Nationale
Parlament als tägliche Mahnung dienen mochten. Stumm
bitten sie: „O walle hin, du Opferbrand, hin über Land und
Meer, und schling' ein einzig LiebesLand um alle Völker her!"
und: „Des Vaterlandes Größe, des Vaterlandes GliÄ, s
schafft sie, o bringt sie dem Volke zurück!"
Längst vor zwei Uhr füllte sich bereits die Kirche. Auf
der Empore drängte sich, dichtgeschart, die Menge, viele mußten
sich mit Stehplätzen begnügen. Um Viertel nach zwei Uhr be
traten die Teilnehmer des Zuges die Kirche, voran der Banner
träger mit der schwarze Fahne, dann der ReichL--
prästdent, die Minister, die Spitzen der Behörden und alle
die übrigen Gaste, unter denen sich auch, wie noch nachgetragen
zu werden verdient, Oberbürgermeister Dr. Luppe (Nürnberg),
und Vertreter Münchens, der Pfalz und Frankens befanden.
Schnell waren die Bänke bis auf den letzten Platz besetzt, auch
' ein Film-Operateur fehlte nicht, der die rasch wechselnden
SZenenbilder aufnahrm Während Vertreter der studentischen
Verbindungen sich um die KanMl gruppierten, leitete Orgel
spiel die Feier ein. Daran schloß sich Gesang des Frankfurter
Motetten chors unter Leitung seines Dirigenten
Professor Gamble. Weihevoller Auftakt waren
' die nun folgenden Worte von Oberbürgermeister Voigtr
„Heilig Band," sprach ev die Festversammlung an, „schlingt
sich herüber von dem Tage, wo treue Werkleute des deutschen
Volkes hier zusammenkamen, den Traum von Einheit und
von Freiheit zu Wirklichkeit zu bilden. Ihr Work blieb un
vollendet damals. Sein Fundament jedoch hat sich bewährt
Zum Bau, in dem wir heute wohnen. Nach 75 Jahren sind
wir Söhne hier, lebendig Zeugnis abzulegm für das Werk
; der Väter. In ihrem Geiste wollen wir auch die bessere
Ackunst bauend
Hierauf ergriff das Wort .
Reichspräsident Ebert:
Meine Damen und Herren!
Ihnen, Herr Oberbürgermeister, und der StadtFrank-
f u^L, die reichen Geschichte vor 75 Jahren jene
EmpfindMML SMie von der Bergstraße.
Der Morgen Brütete, matte Ahnung der Berge verschwamm im
Frühdunstt und SchtzenenstrsMe liefen endlos weiter durch die
ELme nach Süden, nach Süden. Darm flog Staub um rms
msf als wir von Bickenbach den Höhen uns näherten, erd-
grchrer Staub sich den Himmel, und wir — wir waren,
sMer lme Staub — voller Stadt waren wir noch und quirl
ten weg über den Lag. Jugenheiw mit seinen wei
ßen Springen-Häusern schlief, wir schritten hindurch, lau
wesite sich die Luft; anf Feldwegen strichen wir an den
WWerhüMln vorbei, und da lag Seeheim schon, lässig am
Mergründ auKgeKreistch Häuser, Bäume, Gärten hingehaucht m
blauem Bezirk Gkmino, mem junger Begleiter, lächelte und un
sere Spannung wich, verbitterte im traumhellen Tag. So war
SS am Dodensse gewesen, nein, in Italien. Aber die fremden Bil-
Ler mißten sich nur, um gleich zu verschieben, denn hier war ja
Süden, leiöLissüger Süden, immer tiefer wuchsen wir hinein,
Figuren eines GEÄdes waren wir, m dem wir wunderbar stol
zierten. KWe Zimmer, durch JOlsusien MgBlendet, öffneten sich
uns, und später saßM wir sn großem Lisch im Hotelgarten,
einzig betroGm darüber, dG her Kellner mehr italienisch sprach,
daß "da noch LuKnHe M kaum verlassenen, längst versunkenen
GegendM beftsÄLN. Automobile fuhren ein, Schleier lüfteten sich,
leichte SsnmrergeMt-en verfingen sich im grünen Schattenkreis-
Mir gingen von dritten, und Häuser, Bäume. Gärten blickten
rE noch, wie wir so ohne Ziel dem Ungewissen zuschlenBerten.
Er
In dZM KsiMN JMMNtzeimer GM verMuMen wir die frühe
KiLmgMrm.de. Tm Klavier stmch im Raum, Manino konnte
Nicht widerstehen, er schlug die geliebten Melodien an,
And von LrGengMrr dünn kontVKpunktiert, quoll aus schwarzen
Tasten Heiterkeit schnxrMM in die SAsgestorbene Welt.
Durch die leer auslaufenbe Pch^M-enstraße schlichen wir, rochen an
MederLüschen. spähten in Hofwinkel hinein und trotteten Zwi
schen Hecken dem Nchchbarorte zu, wo wir einem befreundeten
»Schriftsteller begegneten, den wir lange nicht mehr gesehen hatten,
.qmd der NUN RirsMd heißen mag, weil er ganz einem AöruMN-
xLuber glich, so ZMräunt wor er, dieser zivilisierte Räuber mit der
'«naLkömMlicheR Pfeife im UkrndwirM, Muarzm Zocken-
hMr, der hHMdsuLLlöß^n und den stets spöttischen Äugen-
MnMo Hleffte uns diech den Ort, dessen Namen — wir HAen
Als der rauschende Beifall nach den Worten des Reichs--
prästdentE sich gelegt hatte, folgte zum Schluß die ge
dankentiefe
Festrede von Alfred Weber:
s Hmhmrschnliche Versanmckung! Herr Reichspräsident!
Wozu versammeln wir uns heute, an dem Tage, da das deutsche
Varmment vor 75 Jahren an diesem Ort eröffnet ward? Gewiß