Slaa! M GeMSluschafk.
Lm Vortrag Martin Bubers.
Auf Einladung des Frankfurter republikanischen Sinden-
tenbundes sprach vor einigen Tagen Dr. Martin Bub er
über den Bedeutungswandel der Begriffe Staat und Ge
meinschaft im letzten Dezennium. Seine Betrachtungen,
Zeugnis einer wesentlichen Haltung, suchten unsere heutige
Situation ihrer Wirklichkeit nach zu erfassen. Sie verdienen,
an Mser Stelle kurz wiedergegeben Zu werden, da sie sich
vornehmlich an die Fugend richteten.
Zu Kriegsbeginn, so firhrte Buber aus, lebten imr im
Zeichen der Sta a ts v e r gw tzu n g. Der Staat, der das
Letzte doch nur vertritt, galt uns als dieses Letzte selber, er
war die überpersonale Einheit, der die Personen erst ent-
rMchseu. Das folgende Jahrzehnt übte gleichsam eine uomi-
naWe^ Funktion aus; das heißt, die Wirklichkeit des
Allgemeinbegn Staat löste fich allmählich auf und mehr
mrd mehr erfuhren wir, .daß der Staat als handelndes Wesen
voller Widersprüche ist, die seine Unzulänglichkeit verraten.
Darum vermögen wir ihn heute nur noch als einen in sich
inkongruenten Notbau anzuerkennen, als einen Zwang, der
gbilligt werden muß- Auch unsere Auffassung derGemein-
schaft hat sich gewandelt- Setzte man sie vor einem Jahr
zehnt, nur einen unklaren Begriff von ihr hegend, ohne wei
teres mit dem schon sehr aufgelockerten allgemeinen Leben
gleich, so ist man mittlerweile Zu der Ueberzeugung gelangt,
daß gerade dieses allgemeine Leben das Gemeinschafts l o s e
ist. Die heutige Jugend lehnt sich gegen seine Leere auf und
möchte in ihrer Verzweiflung aus ihm in Gemeinschasts-
Oasen flüchten, die, wie sie wähnt, gestiftet werden können.
Die ursprüngliche SLaaLsverherrlichung sowohl wie die
jetzige Einschätzung der Gemeinschaft beruhen beide auf einer
Verwechslung. Jene war ein illusionärer Glaube, der roman
- Lisch Staat und Volk identifizierte. Solche Identität traf für
Die Polis zu und mochte eingeschränkt auch im Mittelalter gel
ten. Seit aber nach der Reformation die Einzelperson
sich aus gesondert hat, fallen Staat und Volk auseinander.
Dieses ist Element, der Staat bestenfalls Gebilde- Wer heute
noch meint, daß man ihn aufbauen könne wie einen Tempel,
und fiktive Staatsprojekte ausheckt, ist ein wirklichkeitsferner
Schwärmer, der, unbelehrt durch Erfahrung, trüben und Dürf
tigen Sinnes das Unmögliche zu erjagen sucht. Ein repa
raturbedürftiges Wohnhaus: das ist der Staat, den das
Schicksal uns zugedacht hab
Auch die nach Gemeinschaft sich sehnende Jugend zielt zum
Teil m falscher Richtung. Sie schließt sich eüva zu Sied
lungen zusammen und glaubt auf solche Weise jene primi
tiven Gemeinschaften wieder zu erneuern, die den Einzelnen
schicksalhaft in sich einbezogen. Wer seit es das Faktum der
Person gibt, ist Rückkehr zur Primitivität eitel Romantik.
Möglich sind nur noch Bünde: der Liebesbund, der Tatbund,
der religiöse Kultbund. Und auch sie entstehen nicht dadurch, daß
man sie will, sondern wachsen lediglich dann herauf, wenn
die Menschen gleichmäßig auf Gott als die lebendige „Mitte"
ihres Bundes und jedes Bundes überhaupt bezogen sind.
Gemeinschaft ist stets Folge, niemals das Ziel, und formt
sich der Bund, so doch nur auf Zeit.
Die Erfahrungen, die wir im Verlauf der letzten zehn Jahre
über Staat und Gemeinschaft gewonnen haben, erleichtern
uns das Verständnis des mit diesen Worten eigentlich Ge
meinten. Was zunächst „Gemeinschaft" betrifft, so ist sie nach
BuLer eine „messianische Kategori e", keine geschicht
liche. Sie deutet auf die Vollendung der Schöpfung zurEe-
! n'-flcha^ Kreaturen vor, weist hin auf die Zeit, da Gott
aues in allem sein wird. Bon dieser ihrer letzten Bedeutung
her legitimieren sich die konkreten Verwirklichungen der Ge
meinschaft als Ankündigung uno Vorwegnahme des „Reichs".
„Staat" im Gegensatz hierzu ist bloßer Status das heißt
jeweiliger Zustand des Nichtverwirklichtseins der wirklichen
Gemeinschaft. Seine, tatsächliche, stets wechselnde Beschaffen
heit bezeichnet den jeweils vorhandenen Grad menschlichen
Miteinanders und Fürem zeigt an, wieviel Zwangs ¬
organisation noch nötig ist. Nach Bubers geistreicher Defini
tion ist der Staat „KristallisaLion des Negative n"
und Schicksal die Art, in der er sich von Fall zu Fall kristal
lisiert.
Staat und Gemeinschaft, sofern sie sich realisieren, sind
immer zugleich und ineinander- Upd zwar hängt es durchaus
von der jeweiligen Struktur der Staatsorganisation ab, in
wieweit Gemeinschaft .in ihrem Rahmen verwirklicht werden
kann. Feder Staat ist sozusagen mehr oder weniger gemein-
schaftshaltig, und man mag, .wenn man will, zwischen ge-
meinfchaftslM Staaten wie' der antiken Polis und ge
meinschaftsbannenden wie den modernen zentmlistischen stau
ten unterscheiden.
Diese ganze Besinnung erst schützt vor Verwechslungen und
verleiht dem auf die richtige Staatsgestaltung hinzielenoen
Willen Realität. Legt mgn sie zugrunde, so erkennt man, daß
das Staats w^sen sich nur aufbauen kann auf lebendige
Gemeinden (Werkgemeinschasten, Glaubensgemeinschaf
ten), die seine Keimzellen sind, und weiter: daß diese Ge
meinden mnsoZebendiger sind, je größer das Maß ihrer Auto
nomie ist. Darum gilt es vor allem, die Zentralisie
rung zurückzu drängen und sie auf das Technisch
Administrative zu beschränken. Freilich, Dezentralisation
den Kern von Gemeinschaften ist unwirklich und unwirksam.
Nur wenn die Gemeinwesen aus den Gemeinden entstehen,
konstituieren sich wirkliche Völker, dann allein ist auch ein
wirklicher Völkerbund möglich.
Töricht wäre es, nun irgend einen abstrakten Plan Zu er
denken, nach dem man bei der Verwirklichung solchen Bundes
zu verfahren hätte. Statthaft ist lediglich ein Handeln aus
der unmittelbar vorliegenden Situation heraus, und nur der
eine oder andere konkrete Hinweis auf den Weg kann ge
geben werden. Gewarnt sei vor allein — mit diesen Worten
wandte sich D?. Buber an die Jugend — vor jeder Flucht
aus der Wirklichkeit. Es heißt aber fliehen, wenn
man den Ort verläßt, an den man gestellt ist, und etiva auf
kleine GemeinschaftZ-JnsM sich zurückzieht. Nein, auszuhar-
ren gilt es bei den noch bestehenden Gemeinschaften des all
gemeinen Lebens (der Familie, der Werkgemeinschaft, der
Ortsgemeinschaft, der Glaubensgemeinschaft), in die man
hineingeboren wird oder hineinwächst. Sie befinden sich heute
alle in einer entscheidenden Krisis, und die Realität dieser
Krisis heischt von dem Einzelnen, daß er sie erfahre und sich
tätig in ihr ^verhalte. Flucht ist auch -eil: gewisser jugend
licher Radikalismus, der dadurch, daß er nur ein un-
biegsames, allzu prinzipielles Entweder-Oder kennt, die Pro
blematik der konkreten gegenwärtigen Situation in Wahrheit
überspringt. Gerade auf das verantwortliche Han
deln in der jeweiligen Situation kommt es aber an; und
zu sagen bleibt nur noch, daß das Verantwortungsbewußt
sein dann allein ganz wirklich wird, wenn die Menschen auf
Gott als die lebendige „Mitte" bezogen sind.
Soweit die Ausführungen Dr. Bubers. Mögen sie im
einzelnen manchen Widerspruch erwecken, so ist ihre Gesamt-
intention doch gewiß unantastbar. Konkretes Ve r h al
ten in konkreter Situation: das meint Zuletzt ein
jedes Wort. Nicht ungestört sollte der Hinweis in den Krei
sen der Jugend verhallen. Lr.
Em GeschZfkspalM.
Die kahlen Flächen rechts und links des Schumann
theaters, die schon seit langem als störende Lücke empfunden
wurden, sollen nun endlich bebaut werden Eine Industrie -
Haus-Bauaktiengesellschaft (Technische Oberleitung:
Baumeister Walter Fischer) hat sich aufgetcm, die hier einen
Baukomplex schaffen will, der Unterkunft für Geschäftsräume,
Bureaux und Umernelmungen der verschiedenste Art gewähren
wird. Die Baumaterialien", mit denen sich das Konsortium recht
zeitig eingedeckt hat, lagern bereits alle im Osthafen. Finanziert
wird das ProM aus g e n o s s e n s ch a f L l i ch e r Basis. Das
heißt, die Mietimereffenten tragen durch Uebernahme von Aktien
einen Teil der Ausbaükosten. Diese Beteiligung an der Substanz
hat unter anderem den Vorteil für sie, daß die von ihnen für zehn
Jahre gemieteten Räume ohne weitere Kosten nach ihren be
sonderen Wünschen ausgebaut werden können. Wegen der
Schwierigkeit der Kapitalbeschaffung ist ihnen auch eins Bezahlung
in Raten ermöglicht worden.
Der erste Bauabschnitt ist der Neubau an der Taunus
straße, der eine Frontlänge von rund 71 Metern hat. Er
! umfaßt einschließlich des Erdgeschosses und des reu weise ausgebau
ten Dachgeschosses acht Geschosse, die, nach denPlänen zu urteilen,
wirtschaftlich aufs äußerste cmsgenutzr sind. Die Läden enthalten
Galerie-Zwilchengeschosse, auch ein Cafe ist vorgesehen. Sämt
liche Räume sind bereits vermietet. Das Gebäude, das als
Eisenbetonrahmenbau hochgeführt wird, soll am 1 Oktober bezugs
fertig sein. Nm die Bauarbeiter: in dem gewünschten Tempo zu
fördern, werden ungefähr dreihundert A r b e i t e r.einge-
stellt. Der zweite an der Karlstraße gelegene Bauabschnitt,
der annähernd dieselbe Größe wie der erste hat, soll spätestens im
Mai in Angriff genommen werden und am 1. Dezember beendet
sein. Auch" hier sind die Räume schon fast alle vergeben. — Der
dritte Bauabschnitt nach der Moselstraße Zu schließt sich
unmittelbar an dem Zweiten cm. Man beabsichtigt ihn höher als!
acht Geschosse Zu führen und seinen Hof durch einen niedrigen
zweigeschossigen Garagenbau zu überdecken, der über fünfzig
Einzelaaragen und Zwei geräumige Hallen umfassen soll. Me
Durchführung dieses Sonderprojekts wird eine eigens gegründete
Betriebsgesellschaft übernehmen.
In wirtschaftlicher Hinsicht ist die Errichtung des
Riesenkomplexes sicherlich ein Gewinn für Frankfurt. Sie eröffnet
dem Bauhandwerk vielfältige Arbeitsmöglichkeiten und schafft,
was ebenso wesentlich ist, Räume für Firmen, die bisher notdürftig
in der Innenstadt untergebracht waren. Man darf also hoffen,
daß der Neubau auf dem Gebiet des Wohnungsmarktes eine gewisse
Erleichterung bringt, da eine Anzahl jetzt noch durch Büros belegte
Wohnungen wieder verfügbar wird. Ueber die Architektur
läßt sich auf Grund flüchtigen Einblicks in die Pläne nur soviel
sagen, daß sie sich in ziemlich konventionellen Gleisen Zu bewegen
scheint. Bei der Bedeutung des Projekts für das Stadtbild halten
wir es für drLngend geboten, daß dem Beirat zur Erhaltung
der Eigenart des Stadtbildes Gelegenheit gegeben werde, Stellung
zu ihm Zu nehmen. Lr.