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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.04/Klebemappe 1924 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Sag Armlsutter SkaLibiiN. 
künstlerischer Beirat oder Bürokratie. 
2°- Im vorige» Dezember ging folgende Notiz der städti 
schen Nachrichtenstelle durch die Blätter: „Äer Magistrat hat 
Baupolizei beauftragt, bei Anfragen und Bsugesuchen, 
deren Durchführung das Straßen-^ oder Städtebild in de». 
durch das Ortsstatut geschützten Straßen, Plätzen und Stadt 
teilen verunstalten würde, in belangreichen Fällen 
den Betrat für die Erhaltung des Stadtbildes auch dann zu 
hören, wenn die Genehmigung b«rbsichtigt ist/ Um die 
Bedeutung dieser Magistrats-EntscheidMg richtig zu wür 
digen, ist ein Blick auf ihre Vorgeschichte unerläßlich. 
Im Jahrs-1621 beschäftigts sich die Oeffentlichleit wieder 
holt mit dem Projekt eines Bankneubaus am Taunustor, 
das von den Behörden schließlich genehmigt worden war, ob 
wohl seine (nur der Zeitumstände wegen unterbliebene) Er 
richtung zur Zerstörung des architektonisch schönen Platzes 
führen mußte. Aus Maß dieser grundsätzlich wichtigen Frage 
berief im November desselben Jahres der Rat für künst 
lerische Angelegenheiten eine Versammlung ein, in 
der Stadtbaurat Schaumann, der Leiter'des HochbauamiS, 
erklärte, daß es sich im Falls des Taunustors vorwiegend um 
ein Versagen des 1911 erlassenen Frankfurter Orts 
statuts gegen die Verunstaltung des Stadt 
bildes handle, dessen Bestimmungen unzureichend seien. Es 
stelle eine stumpfe Waffe dar, die zur wirksamen Unterdrückung 
von Verschandelungen nicht recht genüge und daher ent 
sprechender Verschärfung bedürfe. 
Äui die Erklärungen Stadtbaurats Schaumann hin 
wurde sogleich eine Fachkommission von dreizehn Mitgi edern 
gewählt, die einen Vorschlag zur AbSndsrung des Orts 
statuts entwerfen sollte. Sie hielt sich bei ihren Arbeiten an 
das vom Ortsstatut längst nicht voll ausgenutzte preußische Ge 
setz des Jahres 1907, das in der ausdrücklichen Absicht gegeben 
war, den Gemeinden weitgehendsten Schutz ihres Stadt 
bildes zu ermöglichet!. Da die Regierung, in Wiesbaden 
regez Interesse an der geplanten Verbesserung nahm, beschleu 
nigte die Kommission die Durchberatung so sehr, daß sie schon 
im Januar 1922 den Entwurf des neuen Ortsstatuts dem 
Magistrat und den staatlichen Behörden übermitteln konnte. 
Wie sah der Entwurf aus? Er paßte das Ortsstatut tu 
drei entscheidenden Punkten dem Sinn des Gesetzes besser an. 
Zunächst forderte er, daß der Beirat zur Erhaltung der 
Eigenart des Stadtbildes auch vor Erteilung der Genshmi- 
gung (nicht nur vor Erteilung der Ablehnung) eines Bau- 
gefucheS zu hören sei, ferner wünschte er eine Ausdehnung des 
Schutzes auf Heil,Kaiserstraße, Mainufer und andere wichtige 
Straßen und Plätze und schließlich schlug er vor, daß der Bei 
rat in Zukunft aus Vertretern der bedeutendsten künstleri 
schen Organisationen Frankfurts gebildet werden möge. Diese 
Neufassung machte nach der Ueberzeugung der Sachverständi 
gen aus dem Ortsstatut endlich ein geeignetes Instrument zur 
Verhinderung grober architektonischer und städtebaulicher 
Obwohl die Behörde auf schnell« Erledigung des Entwurfs 
gedrängt hatte, ruhte nach seiner Uebergabe die Angelegenheit 
ein volles Fahr. Erst im Februar 1923 fand wieder ein« 
Sitzung von Vertretern der maßgebenden Stellen statt, irr deren 
Verlauf der Dezernent der Baupolizei nach anfänglicher M- 
lehnung jeglicher- Aenderung zuletzt seine Bereitwilligkeit aus- 
spmch mit dem Leiter der Baupolizei einen neuen Gegen« 
ent Wurf für des Ortsstatut anzufvrtigen. Dieser Kom 
promißvorschlag. der bald danach vsraelegt wurde, enthÄt 
starke Abschwächungen des ursprünglichen Kommiffionsentwurfs, 
Vor allem räumte er dem Beirat zumeist nur das Recht ein, 
in „belangreichen Fällen* vor Erteilung der Genehmigung 
eines BauKesueW gehört W werden. Eine bedenkliche Ein 
fügung, die seine Hinzuziehung infolge der Dehnbarkeit des 
Begriffs „belangreich* wiederum in Frage stellt«. Mit der 
gewünschten Neuzusanrmensetzung des Beirats zeigte sich der 
Gegenvorschlag einverstanden. Eine Einigung wurde in dieser 
Sitzung nicht erzielt. 
Im Juni 1923 trat der inzwischen neu gewählte Beirat 
zum ersten Wal zusammen und beriet über die beiden Ent 
würfe. Die Abstimmung ergab Annahme des Vorschlages der 
Baupolizei. 
Nun geschah etwas Unerwartetes. Nach einiger Zeit er 
fuhr man nämlich, daß die Baupolizei einen neuen Möntze- 
rungsentwurs einzureichen beabsichtige, der ihren eigenen j» 
der Junisitzung gutgeheißenen Kompromißvorschlag zum großen 
Teil wieder aufhob. Der Beirat nahm hiervon (im November) 
unter Protest Kenntnis und ermächtigte seine» - Vorsitzenden, 
beim Magistrat zu beantragen, daß dieser dem Baupolizei-Ent 
wurf nur in der vom Beirat seinerzeit genehmigten Fassung 
zustimmen möge. 
Die Antwort des Magistrats ist in jener einaanos er 
wähnten Notiz enthalten. Ihr Sinn ist kurz und bündig, der, 
daß. der Magistrat eine Aenderung des Ortsstatuts 
überhaupt ableynt und lediglich aus dem Verorbrunqs- 
wege die Pauschalbestimmung trifft, daß in „belangreichen 
Fällen* der Beirat auch vor Erteilung einer Genehmigung 
hinzuzuziehen sei. Mso: das alte OrtSstatut bleibt weiter in 
Kraft, und ohne die Befugnisse des neuen Beirats immdwie 
statutenmäßig zu verankern, begnügt sich der Magistrat damit. 
eine Verfügung zu erlassen, die nicht einmal den Forderungen 
des in der Junifltzung angenommenen Vorschlags der Bau 
polizei Rechnung trägt. Denn weder gestattet sie die damals 
in bescheidenem Umfange aufrecht erhaltene Vermehrung der 
zu schützenden Straßen und Plätze (Kaiserstraße und Zeck z. B. 
sche.den wieder aus), noch ermöglicht sie es dem Beirat, in 
gewissen früher vorgesehenen Fällen auch dann seine Meinung 
zu äußern, wenn ein „belangreicher* Fall nach Ueberzeugung 
der Baupolizei nicht vorliegt. Ob er vor der Genehmigung 
hinzuzuziehen oder zu übergehen sei: die Entscheidung hierüber 
hängt jetzt stets und überall ganz von dem Gutdünken der Be 
hörde ab. . , 
Dies das Ergebnis zweijähriger Bemühungen. Ein 
wahrhaft klägliches Ergebnis, bei dem sich die auf Erhaltung 
und Pflege unseres Stadtbildes bedachten Kreise ebenso wen-« 
wie die Mitglieder des Beirats selber beruhigen können. Es 
ist gleichbedeutend mit einer nur mäßig eingeschränkten Wie 
derherstellung des »intus quo und verrät ein auffallend ge 
ringes Verständnis der Behörden für die triftigen Grünoe, 
die zu den' Kämpfen um die Statutenänderung führten. 
Warum man, statt diesen Gründen Beachtung zu schenken, 
auf der Rückkehr zum alten Zustand beharrte, ist schlechterdings 
unerfindlich. Sich etwa hinter den wirtschaftlichen Bedenken 
zu verschanzen, daß die Hinzuziehung des Beirats gemäß dem 
Kompromißentwurf Erschwerungen und Verzögerungen bei 
Bauvorhaben befürchten lasse, geht nicht wohl an, hat doch der 
Beirat sich ausdrücklich zu schnellster Erledigung 
sämtlicher Vorlagen verpflichtet. 
Wie heute die Dinge liegen, wächst dem Beirat eine dop 
pelte Aufgabe zu. Einmal wird er seine Funktionen im Rah 
men der Magistrats-Verfügung zunächst weiter zu versehen 
haben, zum andepn aber wird er kein Mittel unversucht lassen 
dürfen, um die Abänderung des Ortsstatuts im Sinne des 
von ihm bereits genehmigten Vorschlags und die statutenmä 
ßige Festlegung seiner Rechte zu erwirken. Es verlautet 
neuerdings, daß der Magistrat in die Baupolizei einen Beam 
ten des Hochbauamts zu beordern gedenke, der dort die künst 
lerische Prüfung der eingehenden Baugesuche vornehmen solle. 
Gegen die Verwirklichung dieses Planes muß nicht zuletzt 
auch der Beirat seine Stimme erheben. Da seine Mitglieder, 
zu denen die angesehensten Frankfurter Baukünstler und 
Kunstsachverständigen zählen, jederzeit sofort zur Verfügung 
stehen, bedarf es keines Ersatzes für ihn; und da er zudem 
seine Tätigkeit kostenlos ausübt, ist noch viel weniger 
ein Bedürfnis vorhanden, an seiner Statt einen bezahlten 
Beamten zu beschäftigen.' Ganz abgesehen davon, daß dies 
ja auch den NotwendiMten des Bsamtm-Wbaus wider 
spräche 
Eine baldige Klärung der durch die Magistrats-Verfügung 
geschaffenen Situation erscheint dringend geboten. Meibt es 
bei der Verfügung, so sind die Anstrengungen der Frankfurter 
Künstlerschaft vergeblich gewesen und die architektonischen 
Werts Frankfurts auch weiterhin dauernder Gefährdung aus- 
gesstzt. Nur die Abänderung des Oitsstatuts kann dem ent 
gegenwirken, sie allein gewährleistet eine planvolle Unter 
drückung verhängnisvoller städtebaulicher Entgleisungen. Die 
Oeffentlichksit, insoweit sie an der guten künstlerischen Ent 
Wicklung des Stadtbildes Anteil nimmt, hat ein Interesse 
daran, daß diese so lange erstrebte Abänderung nun endlich 
erfolge. Tr. 
-7- Der verlsrm^ Schatz. Mt diesem setzt in den U.-T-2 i ch t- 
spiele-n lim senden Film werk hüt fich der Film ein ihm ganz 
WgehsriMs Gebin erobert: das Märchen« Dss -alte A schrn- 
puttel-Märchen, durchstschren mit Motiven von G. T. A. 
HoffMMM und Brentano nimmt hier Gestalt an und wird nun 
nicht etwa in eine Zittrige, eine vsycholygische Angelegenheit ver 
kehrt, sondern bleibt das schlichte, unbedingt glaulchafts Marchem 
Di-e unerhörte Redekunst Dr» Ludwig Bergers hat den Stoff 
ohne Abstrich des Wunders dem Reich der Sichtbarkeit einverleM« 
Er verlegt die Handlung an einen kleinen süddeutschen Mrsten-sf, 
so am Ende des 18« JahrbmlderH; Rskoks-SÄe, PrMtre^ 
Ehren Höfe werden durchvauscht von modisch gekleideten ^iMren, 
die sich sehr schicklich zu bewegen wissen, gleichviel, so in 
Karossen steigen, oder mn Teich und im Park sich ergehen. Zwi 
schen der Residenz und dem Besitztum des Herrn v. AreM (MaZ 
Gülftorff), der zum zweiten Male heiratet, spinnen sich die 
Faden. Seine neue Frau, eine eitle Gräfin, brinA ihm Unglück 
ins Haus. Oh, wie ist Lucie Höflich schön, oh, wie böse ist 
sie, Sie fegt daher mit ihren beiden Töchtern (Madh Chri 
stians und Olga Tscheschowa), die ihr an Herrlichkeit und 
.Prunk nicht nachstehsn, behandelt den Schwächling von Mann 
! aM Bagotteü-e und Hai nur Bälle und glänzende Freier für die 
i Jungfern im Sinn. Marie, Arcslis Tochter aus erster Ehe, 
wird von dem schlimmen Dreiblatt in die Küche verbannt, muh 
Linsen zählen, muß Kühe melken. Aber man liebt sie gleich, das 
gute, blonde AschenMtel von Helga Thomas, und weiß ganz 
sicher: eines Tages wird sie vor aller Welt erhöht. Zunächst frei 
lich triumphiert stiefschwesterliche Weitläufigkeit« Drüben am 
Fürstenhof der melancholische Prinz (Paul Hartmann), ein 
sam wandelnd wie Taffo, glaubt in eine der Damm verliebt Zu 
sein, und sein Papa (Leonhard Haskel), ein richtiger märchen 
hafter Trottel, und seine beiden altjüngferlichen Tanten Waula 
s n r a d - Schl-enther und Emilie Maz) schütteln schon weise 
die perückenbedachten Häupter. Da zudem der strohdumme Adjutant 
(Hermann Thimig) fich mit Erfolg um die andere gräfliche 
Tochter bewirbt, scheint Marie wirklich das N-achsehen zu Hallen-
	        
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