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fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.04/Klebemappe 1924 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

jähren als, Pflanzstätten des Ungeschmacks genossen. Die breite 
OeffentlichkeiL erfuhr von den errungenen Erfolgen zuerst 
durch die große Schülerausstellung bei der Eröffnung des Neu- 
baus im Jahre 1913. Eine zweite Ausstellung anläßlich der 
Tagung des Gewerbefchulverban Pfingsten 1923 mochte ihr 
dann beweisen, daß die Schule trotz der KnLgsnöte ihren hohen 
Rang behauptet hatte. 
Was die äußere Entwicklung betrifft, fo sprechen 
die Zahlen zur Genüge. Die Schule, die 1909 mit fünf Klaffen 
und zehn Lehrkräften begann, umfaßt jetzt 9 Sommerklaffen 
und 13 Wmterklassen mit 28 Lehrern, von denen neuerdings 
außer dem Direktor drei abgebaut worden sind. Die größte 
Schülerzahl, die sich auf 308 beließ, brächte der Winter 1919. 
Im letzten Semester wurde der Hochbau- und Tiefbau-abteilung 
noch ein Kursus für Vermessungstechniker angre- 
gliedert, dessen Teilnehmer sich im April einer besonderen 
Prüfung unterzogen. Ihre Abhaltung war die letzte Amts 
handlung des Direktors. Er schied, wie es seinem stillen und 
zurückhaltenden Wesen entsprach, ohne Feierlichkeit von der 
Anstalt, die untrennbar mit seinem Namen verbunden ist. 
Nicht auf die Schule allein bieb das Wirken Pros. UngerZ 
beschränkt. Wo immer man in der engeren und weiteren 
Heimat des vielbeschäftigten Mannes bedurfte, stellte er seinen 
Rat und seine Arbeitskraft bereitwillig zur Verfügung, und 
stets war sein uneigennütziges Eintreten ein Gewinn für die 
Sache. Wie er dem Frankfurter Architektenverein 
wiederholt als Vorstandsmitglied angehörte, fo fühE er den 
Vorsitz der Bauberatungs stelle für Hessen-Nassau und 
lieh dem Verein für Förderung des Arbeiter-Woh 
nungswesens tätige Unterstützung. Sicheres Urteil, 
Unabhängigkeit der Gesinnung und organisatorisches Geschick 
machten ihn zu einem Vecha-ndlungsleiter, den; auch der 
Gegner Achtung darbringen mußte. Ein besonderes Augen 
merk richtete er jederzeit — darin wie in so vielem anderen 
der echte Schüler Sittes — auf die Erhaltung des Frank 
furter Stadtbildes. Unermüdlich setzte er sich für 
seine Pflege ein, zuletzt an maßgebender Stelle in dem Kampfe, 
den ein Unterausschuß des Rates für künstlerische 
Angelegenheiten um die Reform des nicht mehr zeit 
gemäßen OrLsstaA gegen d'K Verunstaltung des Stadtbilds 
führte und noch immer führt.- Wir möchten hoffen, daß Frank 
furt den in voller Rüstigkeit aus seinem Amt Scheidenden nicht 
verliere, denn nur schwer und ungern können wir ihn missen. 
ss.L5 
Lantfeier der Universität Frankfurt. 
Am Sonntag tmrmittag fand in der Aula der Universität 
die akademische KanLfeier statt, eröffnet durch den 
feierlichen Einzug des Lehrkörpers und der Chargierten. Die 
Festrede hielt Pros. Hans Cornelius. Er deutete zunächst 
darauf hin, daß zwischen dem Elend, in das unser Volk hinab« 
gestoßen sei, und dem Elend der Philosophie, die man seit einem 
halben Jahrhundert habe verfallen lassen, ein tiefer, innerer 
Zusammenhang obwalte. Nur wenn wir, beseelt von dem 
Streben nach letzter Klarheit, die Philosophie wieder zur Füh- 
rerm erwahlren, könne es gelingen, die Zielsetzungen mensch 
lichen Handelns dem Zufall zu entreißen und uns von neuem 
eucharzuarbeiten. 
Was vermag uns in solcher Krisis Kant zu bedeuten? 
Prost Cornelius erklärte von vornherein, daß man sein Werk 
keineswegs ohne weiteres übernehmen dürfe. Und zwar ver 
lieh er der Ueberzeugung Ausdruck, daß gerade die Bestand 
stücke der Bernunftkritik, die etwa Schopenhauer noch für un 
vergänglich hielt: also die Raum- und Zeitlehre und die Lehre 
vom Ding an sich, heute preiszugeben seien, da sie sich als 
Irrtümer erwiesen hätten. Dennoch: der Kern der Gedanken 
Welt Kants bleibt dem Redner zufolge unerschütterL in Kraft. 
Einmal hat Kant, was die theoretische Seite seiner Grkennt- 
: nisse berifft, uns aus dem „dogmatischen Schlummer" der Leib- 
niz-Wolffscheu SchulphilosoMe geweckt und endgültig den 
Dogmatismus des vorwissenschaftlichen DerrNens vernich 
tet; zum andern hat er erfolgreich die Skepsis Humes be- 
kämpst, der eine -von der Erfahrung unabhuLgige Erkenntnis 
überhaupt bezweifelte. Dieser Skepsis setzte Kant die unum- 
streiLliche Lehre entgegen, daß der Einheit des Bewußtseins Be 
griffe entspringen, die allererst die Bedingung der Möglichkeit 
unserer Erfahrung sind, Begriffe, durch die wir die Erscheinun 
gen formen und den Zusammenhang erzeugen, der als Natur 
uns gegenMertritt. 
Den gewaltigen theoretischen Einsichten Kants reihen stch 
die Ergebnisse der praktischen Philosophie ebenbürtig an. Von 
allen früheren ethischen Lehren unterscheidet stch die seine da 
durch, daß sie an die Stelle bedingter Normen den katego 
rischen Imperativ setzt, der die Verwirklichung des 
Guten rein um seiner selbst willen begehrt. Man verstünde 
ihn nach Pros. Cornelius falsch, wenn man aus ihm bestimmte 
inhaltliche Gebote entwickeln wollte. Er HM die Menschen 
lediglich dazu an, im Einklang mit dem Vernunstgesetz ihre 
Pflicht zu erfüllen und überläßt es im übrigen jedem einzel 
nen, sein eigener Richter zu sein. Eines freilich ist not: daß 
die Bedingungen hergestellt werden, unter denen die Menschen 
überhaupt sittlich handeln Wnnen. Auch hierzu weist Kant den 
Weg in seinem Traktat „Zum ewigen Frieden", der Von den 
Staaten fordert, daß sie ihre gesetzlose Freiheit aufgeben und 
Ü.W AU iener überstaatliöben Gemeinschaft zusam^ 
menschlichen, die schon die SLoa ahnte und Dante in seinem ! 
Epos dichterisch gestaltete. 
Zum Schlüsse pries Pros. Cornelius Kant als den Führer, 
der uns den Kompaß in die Hand gegeben habe und dessen Leh 
ren bleibende Richtschnur des Handelns und Erkennens imen. 
Wolle unser Volk zu neuer Größe hera-nreifen, so muffe es 
den inneren Kampf gegen die falschen Götter des Mam 
mons und der Eitelkeit aufnchwen, die von uns Besitz ergrif 
fen haben, und sich in seinen Entschließungen einzig vom 
rengesetz bestimmen lassen. — Blaserchöre rahmten dre würdige 
Feier ein. 
Das Institut der Elsaß-Lothringer. 
Das wissenschaftliche Institut der ElsaßH 
Lothringer im Reich hielt am 17. und 18. Mai in FrcmH 
furt seine Hauptversammlung ab. Generalsekretär Prost 
Wolfram dankte in sfeeiinnem Jahresbericht den auWMschertz 
Freunden und Gönnern des Instituts, veorbdreirtete sich über das rege 
wissenschaftliche Leben im Vorjahr und erklärte, daß trotz des auÄ 
mancherlei Gründen eingetretenen Rückgangs der Mitglied erzaW 
die Aussichten auf die Zukunft Zu Hoffnungen berechtigten. Die 
Bibliothek sei, nicht zuletzt dank einigen Vermächtnissen, auf 12 000 
Bände angewachsen, und die Herausgabe einer Reihe weiterer mist 
senschaMcher und schöngeMger Publikationen vorgesehen Von! 
Optimismus getragen waren auch die Ausführungen des Zweiten 
Vorsitzenden, Ministerialrats Donnevert, der in Vertretung deH 
Schatzmeisters sprach. Er teilte mit, das das JnsütutsvermüMN 
sich jetzt insgesamt auf etwa 13 000 Goldmark belaufe. Da diq 
„Notgemeinschaft" ihre Zuschüsse nicht nur weiter zahlen, sondern 
sogar erhöhen wolle, und das Ministerium des Innern auch fen 
nerhin das Institut Zu unterstützen beabsichtige, werde im konÄ 
wenden Geschäftsjahre voraussichtlich die Ansammlung eines klei 
nen Fonds möglich fein. Die von der Mitglied-ewersammlung eins 
stimnng angenommEn Wahlvorschläge ergeben die Kooption zweier 
neuer Mitglieder in den Verwaltungsrat. An Stelle des ausschei* 
denden Geh.-Rats Pros. Ehrhardt (Bonn) wurde Zum ersten Von 
sitzenden Pros. Anrich (Tübingen) gewählt, der in einer kurzen 
Ansprache der Toten des vergangenen Jahres gedachte. 
Zwei Vorträge rahmten die Tagung ein. Pros. König gab 
einen gedrängten Ueberblick über die Geschichte des deutschen 
Reichsbodens im Westen, der sich vom Jura bis Zum Meers 
erstreckt. Er ist jetzt politisch von Deutschland völlig abgesprengt; 
Flandern, Luxemburg, Lothringen, das Elsaß und die deutsche 
Schweiz gehören uns nicht mehr an. Aber die Sprachgrenze verq 
läuft heute noch genau so wie zur Zeit der Völkerwanderung, 
' uno mag es den Franzosen auch gelungen sein, in den von ihnen 
eroberten' Gebieten und darüber hinaus dir Sympathien dev 
Oberschicht Zu gewinnen, sie emzutun in die civilisLtiou n-nr^ 
yLkLe, so haben die Massen doch, ihnen selber vielleicht unbe 
wußt, ihr Deutschtum bewahrt. Wobei besonders der Bund zu 
Lsachtm ist, den in den GrsnZlandsn Bölkstum und Kirche jeder 
zeit ewgegangen sind. 
M. den durch Krankheit verhinderten Pros. Spähn sprarrg m 
letzter Stunde Pros. Platzhoff ein, der die Stellung Elsaß 
Lothringens in der europäischen Politik er 
örterte. Die elsaß-lothringische Frage, so hob er hervor, ist stets 
eins europäische gewesen, denn auf dem Besitz des Elsaß, oas 
Frankreich im 17. Jahrhundert eroberte, beruht seine Vorherr 
schaft über den Kontinent. Die andern europäischen Staaten 
haben diese Hegemonie dauern) beseitigen wollen, doch Opferten 
sie das Elsaß und späterhin auch Lochringen fortgesetzt anderen 
Interessen, die ihnen gerade näher lagen. Wie sehr die früheren 
NsiSskE als Äompensationsobjekt betrachtet wurden, beweist 
die Tatsache, dM der erste sie betreffende Vertrag, den nur zwei 
Staaten abschlossen, der Friedensvertrag 1871 war. Da Rutsch 
land in 'der Folgezeit selbst von seinen Verbündeten keine 
Garantien in Bezug auf das zurückgewmmene Gebiet erhielt, war 
es für die Franzosen im Weltkrieg ein Leichtes, von den 
Alliierten Zusicherungen zu erlangen, die ihm den Besitz MM- 
Lochrmgens gewährleisteten. Uns sind die Waffen heute ge 
nommen, und so kann es uns nur durch geistige Waffen ge 
lingen, drs Verbundenheit Zwischen uns und Elsaß-Lothringen 
wieder herzustellen. Wir werden uns ihm aber umso naher 
fühlen, je mehr wir ihm gegenüber die Treue und im Innern 
die Einheit bewahren.
	        
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