Zwischen den Nummern treiben die Clowns und Auguste
ihren traditionellen Schabernack. Wenn sie hinter den Eisengittern
knurren, lacht das Kind im Manne. Sie möchten auch elastisch
und linisnhast sein, aber es will nicht recht, die Elefanten sind
geschickter, man hat zu viel innere Widerstände, irgend ein Kobold
macht einen Strich durch die ausgeklügelte Rechnung. Auf dem
Kopf führt einer ein piepsendes Wägelchen mit sich. Sie sind so
talentvoll, sie bemühen sich so sehr, und doch gelingt kein Zauber
trick, es sei denn der unbeabsichtigte, den sie nicht wollen, die Ma
terie stellt ihnen ein Bein, ihr liegt nichts daran, zu verschwinden,
lieber erlustigt sie sich harmlos und denkt sich nichts weiter dabei,
als daß sie eben vorhanden ist.
Die Fauna bewegt sich rhythmisch Md bildet geometrische Mu
ster. Da ist von Dumpfheit nichts mehr geblieben. Wie das
Anorganische Zu Kristallen zusammenschießt, so fährt der lebenden
Natur die Mathematik in die Glieder, und Klänge regeln die
Triebe. Die Tierwelt auch bekennt sich zum Jazz. Unter Hackan-
son PstolettiZ Schenkeldruck tanzt ein Vollbluthengst die Valencia
und glänzt in Synkopen; obwohl er aus Hannover stammt. Die
Elen-Antilope und das hochbeinige Guano co haben ihre
SpringtalenLe ausgebildet. Jedes Tier wirkt nach seinem Ver
mögen an dem Aufbau des Figurenreichs mit. Fromme Brah-
minen-Zebus, schwarze tibetanische Kragenbären und Elefanten-
wassivs: alle fügen sich den Gedanken, die sie nicht gedacht. Sie
harren still auf Bütten als lebende Bilder, stellen die grade Linie
dar, sammeln sich zum Punkt und rollen sternengleich auf. Das
dickste Fell wird von der dünnsten Idee durchdrungen, die Macht
des Geistes bewährt sich wunderbar. Mitunter scheint er die Natur
nicht nur hinterrücks zu übsrwältigen, sondern in ihr selber offen
bar. Die Seelöwen jonglieren, als seien sie von Vernunft beseelt.
Ihre spitzen Schnauzen werfen hoch und fangen wieder, was
immer sie von Kapitän von Borstel, ihrem Erzieher, erhalten:
Fackeln, Bälle, Zylinderhüte. Dazwischen fressen sie Fische Zur
Stärkung der Halsmuskulatur; durchaus vernünftig.
Es bedarf der menschlichen Vermittlung, damit die zoologischen
Kompositionen entstehen. Weiblicher Einfluß bewegt den Wüsten ¬
könig dazu, auf dem Rücken eines Gaules sein begrenztes Gebiet zu
durchstiegen. Madame befiehlt, und er ist ihr zu Willen. Andere
Großbestien sträuben sich schrecklich. Es widerstrebt ihren Instink
ten sich im Kreis anzuordnen und gesittet zu springen. Hagen-
öecks Dompteure aber triumphieren über das Element. Sie
sind in die Landesfaröen der Tiere gekleidet und verständigen sich
mit ihnen in ihrem Idiom. Langwierige Unterhandlungen ent-
-vmnen sich oft. Dem ausdrucksvollen Brüllen und Fauchen wird
uurch Zwilchenruke begegnet eine erregte parlamentarische Debatte,
mie Pechche fährt als Präsidentenglocke dazwischen, und am Ende
bilden sich die tierischen Schnörkel. Auch die menschlichen Leiber
beteiligen sich mitunter an dem Legespieb Fred Petoletti steht und
liegt auf wilden Rossen, die Möller Brothers scheinen Centauren,
die Schwestern Carre aus der alten ZLrkusdhnastie voltigieren rosig
auf den grauen Pferderücken.
Die Welt im Stahlheluu Es ist psychologisch verständlich,
daß die Besatzungsbshörden diesen Fox-Film im Rheinland ver
boten haben. Sie können ihn ihren Truppen nicht vorsetzen, denn
er ist gegen den Krieg. Er spielt in England, aber er
könnte überall spielen. Die Heuchelei der Gesellschaft wird in
ihm entlarvt. Zwei Offiziere, ein Hauptmann und ein Leut
nant, lieben das gleiche schöne Mädchen. Sie treibt Schindluder
mit den beiden und wird zugleich in den Zeitungen des Patrio
tismus geziehen, weil sie aus Wohltätigkeitsgründen lebende
Bilder stellt; für unsere Tapferen, draußen im Feld. Die Tan-
Zereien, die sie in ihren Privaträumen in der Gesellschaft frag
würdiger Oenüemen Veranstalter, kontrastieren mit den Front
szenen, in denen es weniger gesellschaftlich zugeht; Die krasse
Gegenüberstellung der Bilder ist eine unzweideutige Kritik, die
legitim erbittert. Sie ist es um so mehr, als aus den Vorgängen
im Feld jene oft vergessene Wahrheit hervortritt: daß an der
Front selber die großen Worte und das falsche Pathos über den
Alltagsdingen und den kleinen Wirklichkeiten des Lebens zu ihrer
faktischen Nichtigkeit stets reduziert worden sind. Auch insofern
ist der Film eine Kritik des Krieges, als er keine Schmähungen
des Feindes, keine Verkündigungen eigener Herrlichkeit «enthält, s
Man sieht Soldaten im Schützengraben, denen es dreckig geht, es -
schießt und explodiert glaubhaft; das ist alles. Zwischen den;
Trümmern und in den Baracken entwickeln sich dann die verschie
denen MensMichkeiten. Aber hat es auch öfters den Anschein,
als sei der Krieg nur die Staffage für das übliche Gesellschafts
stück, so überwiegen doch die Bilder, die richtig demaskieren.
Vor allem die Ereignisse im Feuer sind genau und überzeugend
wiedergegeben. Einer der Leutnants enthüllt den Schein des
Heroismus, der einer der schlimmsten Kriegsfassaden gewesen ist.
In seinem Gesicht steht der Schrecken während der Beschießung,
jede Geste versagt ihm, er ist ein armer junger Mensch, von dem
inmitten dieser Wirklichkeit die Lüge abfällt. Wie der Wacht-;
meister den Jungen zu beruhigen sucht, es Prägt sich ein. Der '
Film läuft in den „B i b e r - B au - Lich t s p i e l e n".
Zirkus KagwöeE.
Von Raca.
Er ist mit seiner großen Menagerie in Frankfurt einge
zogen; eine Internationale der Tiere. Unter der Zeltleinwauü in
der Riesenmanege entfalten sie sich, nach ihren Arten geschieden.
Pferde aus allen Zonen, in ecklen Farben, von Trakehuen bis Ära- ;
bien ist nur ein Schritt, Alaska hat seine Seelöwec.- Lrige^eu. t,
Indien Wasserbüffel und Elefanten entsandt. Aus Afrika die
Dromedare, Kamele und Tigerpferde halten in der Fremde gute;
Kameradschaft. Die BerLerlöwen und bengalischen Kömgstiger j
sehen wie aus den Kinderbilderöüchern aus. plötzlich und furcht-;
bar. Wo die Kontinente beisammen sind, dürfen die Pole nicht
fehlen. Sie geben, auf einen Wink Amundsens hin, ihre Eis
bären her und einen See-Elefant e n, der wie eine wabbelige
Monumental-Schildkrote auf seinem Piedestal sich ausbreitet und
in Melancholie versinkt Er ist durch eine eigene SüdpMr-
Expedition nach Deutschland gebracht worden. Es gefällt ihm
hier nicht.
Die Jnftl der Traume. Diese Verfilmung des Rosen-
haynschen Romans, der vsr kurzem in dem zu Frankfurt er
scheinenden .Illustrierten Blatt" zu Veröffentlichung gelangte
wird gewiß gerade in unserer Stadt ihre Anziehungskraft aus
üben. Die Vorgänge sind dem Leserpublikum noch in Erinnerung;
umso spannender, fie auf der Leinwand aöroSm zu sehen Man
hat die Schaubühne nach Paris verlegt, das eben Mode P. Im
übrigen ist dös Handlung ziemlich getreu reproduziert, Sie führt
rn die große Welt mit ihren russischen Emigranten, den reinen
Frauen und dem liebenden Amerikaner, der noch rechtzeitig er
kennt, daß Reichtum nicht alles bedeutet. Harry LiedLke ver
leiht ihm Smartheit und Zartheit, nur gen Schluß, wenn die
Lrebe hervorbricht, verrät er berlinerisches Temperament. Es
whnt sich, da Liane Haid seine Partnerin ist. Sie hat gute
Momente, wenn sie blauinnig und entMoffen blickt. Wie sie die
Trotts regiert, muß man sehen, da gibt es nichts zu lachen für
die allrussischen Gäule. Alfons Fryland stellt den Kavalier
von Gatten mit Noblesse, Anrüchigkeit rmd ein wenig Schnurr-
bart in und außerhalb der Gesellschaft, der Typus ist richtig
getroffen Auch die mehr oder minder fatalen Subjekte ringsum,
die das Milieu charakterisieren, sind von einiger Echtheit; ein
französischer Kellner zumal. Im Hintergrund werden russische
Natronaltanze getanzt; das Schwarze Meer zeigt sich mit Recht
nur verschämt. Die Ereignisse entwickeln sich Schlag auf Schlag
und vermögen zu unterhalten. - Der Film wird in den Ufa
spulen g^igt. Ferner gelangte gestern der Fuß
aus dem Frankfurter Stadion Zur
Erstaufführung. Dre 45 AN Zuschauer strömen inS Stadion,
Spieler und BE werden unter die Zeitlupe genommen, die span-
n.endsten Ereignisse des Kampfes zergliedert, Berlin erringt sein
eines Tor Furth seine vier. Die Massen klatschen, winken, jubeln
und wir stellen Mfriedeu fest, daß sich alles so zuFetragen hat, wie
es dieser Film berichtet.
Zu den höchsten Abstraktionen losen sich bis Menschen selber
auf. Der Mann Heros ist die Kraft schlechthin. Sein gewaltiger
Körper verflüchtigt sich zu einer physikalischen Idee, wenn er
Kugeln rollt, die nicht aus Pappe sind. Er schleudert ein Torpedo
mn die Höhe, hundert Kilo Gewicht, die Eisenmaffs droht
auf sein Hirn zu fallen, aber blitzschnell beugt er den Kopf und
empfängt die Last mit dem schwergeprüften Rücken. In den Lüf
ten lebt sich die Alberty-Trupps aus. Sie ist eine einzige Kom
bination von Schwüngen. Von Trapez Zu Trapez zieht sie astro
nomische K u r v en durch den Raum. Eine Dame, Kopf nüch
unten, ist der Fänger, in dem Festland ihrer Hände gelangen die
Kurven zum Ziel. Erbhafter sind die arabischen Akrobaten, wenn
sie auch die Erde nicht häufig berühren. Zehn an der Zahl,
wachsen sie zu Pyramiden auf, bis mit zwei Beinen nur auf
dem Boden stehen, und versachlichen sich schreiend zu Rädern. Die
Seele wird zur Stereometrie.
Zirkus HagenbeS in Frankfurt.
Mitten in der Regenperiod« ist er zu unserer Freude Lei
uns cingezogen, und da sitzt man nun schön trocken unter der
Zeltleinwand, um die Riesenmannege herum, in der die vielen
Wunderdinge geschehen. Zur Valencia wird die hohe Schule ge
ritten, eine römische Zirkusphantasie ersteht, Seelöwen aus Alaska
longl-eren Bälle und Zylinder, Kamele mit Höckern wie Vulkan
kegel, feierliche Brahminenzebus, urweltliche Elefanten und Eis-
oären, schwarze und weiße, machen ihre Evolutionen. Die ganze
Natur gruppiert sich zu geometrischen Mustern, dank der hervor-
mgenden Dressuren, die auch den Löwen dazu vermögen, auf einem
JE nicht von Freiligrath — sein Gebiet zu durchstiegen.
Seltene Tiere hat Hagenbeck mitgeführt: den Wasserbüffel,
°en. See-Elefanten, Las Guanaco — man bestaunt sie, wie st« sich
willig bewegen liegen und springen. Darüber schwingen sich die
Luftkunstler, und Heros, der Kraftmensch, schwingt die 1VO Kilo
über sich. Auf der B-arriere Ziehen die Clowns um, stören, unter
halten, zerstreuen nach alter Zirkus weise. Schrecken verbreiten die
Löwen im Kreis, aber der Dompteur beherrscht sie. Das Publikum,
Kinder und Große, klatscht begeistert. In der Pause umgehen
alle die Zelte und Wagen; hinter Zäunen Hocken die Inder im
Regen. r-.