Skip to main content

Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.05/Klebemappe 1926 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Der Wellbewerb .HnuplzollM 
Gin städiebaMches Problem. 
Das Bauprogramm für das künftige Hauptzollamt 
ist von dem Hochbauami in Gemeinschaft mit den Zollbehör 
den feflgestellt worden. Es sieht als Baugrund den Platz an 
der Domgasse vordem Reb stock vor. Man kann über die 
Wahl dieses Orts verschiedener Ansicht sein. Vielleicht haben 
die maßgebenden Stellen beabsichtigt, durch die Verlegung des 
Zollgebäudes in die Nähe des Domes der Altstadt einen 
stärkeren Verkehr zuzuleiten. Indessen ist es zum mindesten 
problematisch, ob die nun getroffene Wahl auch die prak 
tischen Bedürfnisse hinreichend befriedige; an einem der 
großen Verkehrszentren befindet sich jedenfalls das/Zollgebäude 
in der Gegend der Braubachstraße nicht. Fragwürdiger^ noch 
erscheint seine Lage an dieser Stelle vom ästhetischen Gesichts 
punkt aus. Da der Rebstock nun einmal freigelegt ist, wäre 
viel eher daran zu denken gewesen, daß man mit ihm als 
Hintergrund eine Platzanlage geschaffen hätte, die mit 
dem Domplatz zusammen ein schönes städtebauliches Bild 
hätte ergeben können. Der Möglichkeiten hierzu waren und 
sind genug; es. lickpe sich etwa an niedrige Flankengebäude zu 
beiden Seiten des Rebstockes denken. 
Infolge seiner Zweckbestimmung hat das Bauprogramm 
diesen Möglichkeiten nur ungenügend Rechnung 
tragen können. Darüber hinaus hat es manche Unklarheiten 
gelassen, manche Auswege sogar vielleicht verriegelt. Die von 
ihm vorgezeichnete städtebauliche Linie, die gegenüber der 
„Wage" polygonal verläuft, hat nach dem Urteil von Wett 
bewerbteilnehmern zu Einengungen geführt, die unter Um 
ständen zu vermeiden gewesen wären Ferner fehlten in dem 
Programm genauere Angaben über die Zukunft des Rebstocks 
und die Häuser an der Braubachstraße. 
* 
Für den Architekten und Städtebauer bietet die Bebauung 
des auserkorenen Platzes eine Fülle von Sch vierigkeiien. Es 
gilt die Nähe des Domes zu berücksichtigen, es gilt dafür 
Sorge zu tragen, daß das alte RebstockgMude durch den 
Neubau nicht erdrückt werde, sondern nach Möglichkeit unver- 
kümmert sich darbiele. Wesewl'ch ist ferner der Blick von dem 
Domplatz her; auch auf die Trierische Gasse als das 
Haupteinfallstor haben die Baumassen sich auszurichten. 
Die Aufgabe ist an sich von hohem Reiz. Je mehr Be 
dingungen der Baukünstler unterstellt ist, umso z singender 
wird die schließliche Lösung Ist ein Gelände gegeben das 
nach allen Seiten hin offen liegt und ohne Rücksicht auf 
Monumente und Bl'ckpunkte der Nachbarschaft bebaut wer 
den kann so ist Zugleich damit der Willkür Spielraum ge 
währt und die Freiheit der Entsche'dung voller Gefahren. 
In diesem Falle dagegen scheint die Bewältigung des 
architektonischen Problems von den verschiedensten Seiten her 
in eine eindeutige Richtung gedrängt, und der Arch'd, der 
den mannigfachen praktischen und ästhetischen Notwendigkeiten 
Rechnung trägt, mag sich am Ende sagen, daß sein Entwurf 
so und nicht anders habe ausfallen können. 
Trotz der an sich erwünschten fixierten Voraussetzung in 
dessen schließt die Bauaufgabe wesentliche Faktoren diw Un 
sicherheit ein Sie sind weltarnchaul'cher Art und ßch ser 
nur läßt sich ihnen entrinnen Die Umgebung bedeutmderw 
historischer Bauwerke näml'ch legt schon in den Anfängen der 
Entwuchsbearbe^ung tue Frage nahe ob sich die Grnvwew' >g 
*nd Formsache des Neubaues dem fskstellmdm ssharEer 
"»s Gesamch'ldes anvallen solle oder unbedenklich aus de^ 
'-"t'gen Baugesinnung heraus m erwachsen lwbe. 
Manche Gebäude der Braubachstraße sind abschreckende 
w ilpiele einer gefühllos b'storisie^enden A^chiduw und es 
pchteht sich von selbst, daß rwt ihr -eine richt-g' Einfühlung in 
)'>e baussche Stimmung des Gevierts nich' gleichbedeutend 
bleibt es ungewiß ob eine solche Ein- 
"^blung, wie sie etwa von der Schule Thwdor Fischers in 
ü-elen Fällen muste-haft geleistet worden ist, den Vorrang 
wr der zeitgemäßen Sachl'chkeit des Z ^eckbaus ve^d'ene Die 
Ve^fech^e^ des modernen S^lgebabrens können sich nicht ohne 
weiteres darauf berufen doch auch dw Bar^ckbaumeister (etwa 
Valtbasa- Neumann) ihr Stilempf'nden ohne Hemmung den 
gotischen Kathedralen ausgeprägt haben daß sie. mit anderen 
Worten, so unhistorisch wie nur möglich verfahren sind. S'e 
waren fähig hierzu, weil ihr Ausdrucksvermögen sich noch 
in die Dimensionen der Gotik hinein erstreckt Während die 
amh'tek'onischen Gestaltungen unserer Zeit, so groß sie auch 
auf dem Gebiet des Technischen sich darstellen, die symbolische 
Gewalt der historischen Arkitektu^d ckunnente nicht mehr er 
reichen. Es ist darum eine stets wieder neu sich beende 
Schwierigkeit, wie der heutige Architekt zu verfahren habe, 
wenn er an die Gegenwart alter Baudokumente gebunden ist. 
Radikale Modernität ist mitunter ebenso unrichtig wie ein 
passives Sicheinfügen. Man wird hierüber von Fall zu Fall 
zu befinden haben. . 
Die ein gegangenen Entwürfe sowohl — sie sind zurzeit 
im HausWerkbund ausgestellt — wie die Urteile des 
Preisgerichts verraten eine gewisse Unentschiedenheift die sich 
eben aus der angedeuteten Situation erklärt. Man hat zum 
Teil moderne, zum Teil gefällig sich anschmiegende Arberten 
ausgezeichnet; solche, die sich als Neubau unabhängig durch- 
zusehen trachten, und solche, die eine Art von Mimikry mit 
ihrer Umgebung anstreben. Aus der Uebersicht über die zahl 
reichen eingegangenen Lösungen ergibt sich dem Beschauer un 
zweideutig, daß eine gewisse Einglie der ung in den Be 
Regie ist gepflegt; über der subtilen Herausarbeitung der Ein--? 
zelheiten hat sie freilich mitunter die große Linie vergessen. In 
das Groteske traut man sich noch nicht recht vor; auch wo es 
gemcknt ist, bleibt es in der Andeutung stecken. Hier freilich wäre 
amerikanische Entschiedenheit der Sache angemessener als ein 
wehr oder weniger unklares Dazwischen, das auf Hemmungen 
durch kulturelle Rudimente schließen läßt. raea. 
stand der vorhandenen Architektur gefordert ist. Das Jahr 
hunderte alte Bild dieses Stadtteils ist zu fest in sich geschlos 
sen, als daß es verleugnet und gewaltsam durchbrochen werden 
könnte. Eine Reihe von grob modernen Architekturkästen ist 
daher mit Recht von vornherein ausgeschieden worden. 
Der zweite Preis — ein erster Preis ist nicht ausgeteilt 
worden — fiel an den Entwurf der Architekten Kesseler 
und Z i e g l e r. Der tektonischen Gliederung ihrer Baumas 
sen ist anzumerken, daß sie Schüler des leider zu früh verstor 
benen Paravicini gewesen sind. Sie berücksichtigen den 
Rebstock, ohne sich zu irgendwelchen Konzessionen zu verstehen. 
Ihre Grundrißlösung ist vortrefflich; sicher empfunden ihre 
Anordnung von Arkaden. — Besser freilich, weil charakteristi 
scher, erscheint uns die Arbeit der anderen Träger des zweiten 
Preises: der Architekten H a l l e n ste i n und Hebebrand. 
Ihre Pläne enthalten eine originelle Bauidee. Der Bauteil 
vor dem Rebstock ist flach gedrückt, damit der Rebstock selber 
gehörig sich darstelle, und der Teil nach dem Domplatz zu wird 
hochgeführt — eine Gliederung der Vaumaffen, die uns dem 
Orte am meisten gerecht zu werden dünkt. Der Entwurf prägt 
sich von allen vorhandenen am meisten ein; man fühlt aus der 
anfänglich befremdenden Aufteilung Sinn und Struktur her 
aus. — Die Arbeit der Träger des dritten Preises, der Archi 
tekten W. BangerL und M. Ce L t o hält die Mille zwischen 
unbefangener Aussprache des gegenwärtigen Fühlens und der 
Anpavung an das Gegebene mit Verständnis inne. 
Von den Ankäufen sei der ein wenig spielerisch geratene 
Entwurf des Architekten Fritz Berke erwähnt. Der des 
Architekten Löscher hat Aehnlich eit mit dem ersten preis 
gekrönten Entwurf. 
Unter den zur engeren Wahl gestellten Arbeiten fällt die 
Lösung des begabten Architekten G. Schaupp auf, der das 
Motto: „Alte Sachlichkeit" qewähl; hat. In der Tat hat er es 
! verbanden, durch zierliche Glaserker dem Rebstock sein Recht 
j werden zu lassen, ohne vorhandene Motive unkritisch aufzu- 
nehmen Sauber sind die Entwürfe der Architekten Aß- 
-wann 'md Fritz Nathan. Genannt sei schließlich die ge 
! drege^- Arbeit Ernst Balsers, die vielleicht etwas zu kästen 
förmig ausgefallen ist. Lr. 
» „Herrn Colms Abenteuer." Herr Colin, der Held der 
Romane des geistreichen Frank Heller, ist ein Hochstapler, der 
moralischer ist als die Gesellschaft, die er betrügt. Indem er 
fremder Leute Taschen plündert, treibt er praktische Gesellschafts 
kritik; indem er mit Witz auf unsolide Abenteuer auszieht, kehrt 
er zum vernunftgemäßen Leben zurück. In dem Film: „Die 
Finanzen des Großherzogs" ist er schon einmal auf der Lein 
wand erschienen. Nun zeigt der neue von den Ufa-Licht 
spielen vorgeführte Film eine andere Episode seines schwieri 
gen Daseins. Von Frank Heller ist nicht mehr viel übrig ge 
blieben in diesem Film» Zwar hat man nach seinen Roman 
motiven gearbeitet, jedoch den Film zu einer Art von Gesellschafts 
stück zurechtgestutzt. Schon daß Georg Alexander den Colin 
spielt, raubt der Figur den Charakter. Alexander ist ein viel zu 
sympathischer Junge, um sich zur kalten Smartheit des Hoch 
staplers zu reduzieren, der über andere Register verfügt als die 
des wohlgelittenen Bonvivants. In dem Ulm sind die Anfänge 
Herrn Colins zu sehen. Er ist ein Rechtsanwalt, der in den 
Verdacht gerät, Geld entwendet zu haben, und so aus den ge 
sicherten Bezirken der bürgerlichen Gesellschaft in die Welt der 
Gauner gestoßen wird. Diese steht unter der Obhut eines „Prä 
! sidenten", den Edgar Licho famos und vertrauenerweckend ver 
körpert. Er unterhält eine Akademie für Taschendiebe, die nach 
außen Un als Institut für Körperkultur zeichnet. Die Szenen, 
in denen die mustergültige Ausbildung der Akademiebesucher dar 
gestellt wird, sind voller Esprit. Colin, um dies noch mitzuteilen, 
rächt sich an seinem Feind, dem Erich Kaiser -Tietz die 
Mienen des schwindlerhaften Wahrsagers leiht, fühlt sich von dem 
in seiner bürgerlichen Präexistenz geliebten Mädchen preis- 
gegeben und läßt darum sein Herz am Ende für Ossi Oswalda 
schlagen, die zu viel Weib ist, um Mary Pickford zu sein, die sie 
gerne sein möchte, und im übvigen sich im Film als diebstüchtige 
Tochter des „Präsidenten" mit einem nicht gestohlenen goldenen 
Herzen betätigt. Trotz der vielen Liebe und Anständigkeit, die 
in den Ufa-Filmen gerne eingeflochten wird, hat der Film eine 
Reihe ausgezeichnet pointierter Szenen, in denen sich eine 
Schlagfertigkeit bewährt, die das Gelächter heraufbeschwört. Die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.