iv?
Zwei IILchen.
Die Bai.
DLarseM, em blendendes Amphitheater, baut sich um das
Rechteck des Lllten Hafens auf. Den meergepflasLerten Platz,
der mit seiner Tiefe in die Stadt einschneidet, säumen aus den
drei Uferseiten Fassadenbänder gleichförmig ein. In ihre glatte
Helle bracht dem Eingang der Bai gegenüber die Ouuvsbiöre,
die Straße der Straßen, die den Hafen bis zum SLadtinnern
weiterträgt. Sie nicht allein verbindet die hochschwingenden
Terrassen mit dem Platzungeheuer, aus dessen Grund wie
Wasserbüschel einer Springfontäne die Quartiere steigen. Auf
ihn, als den FluchLort aller Perspektiven sind die Kirchen aus
gerichtet, ihm die noch unbedeckten Hügel zugewandt. Ein
solches Publikum ist kaum je um eine Arena versammelt ge
wesen. Füllten Ozeandampfer das Bassin, ihre Rauchfahnen
wehten den entlegensten Häusern, brennte Feuerwerk über
der Fläche ab, die Stadt wäre Zeuge der Illumination.
Keine Ozeandampfer füllen die Bai, Raketen gleiten nicht
nieder. Jollen, Motorbarken, Pinassen nur liegen trag an den
Rändern. Zur Zeit der Segelfischerei war der Hafen ein Ka
leidoskop, das bewegte Muster über die Kais entsandte. Sie
verrieselten in den Poren, an den herrschaftlichen Gebäuden
hinter den Uferfronten gleißten die Gitter. Der Glanz hat sich
abgenutzt, die Bai ist aus der Straße der Straßen zum Recht
eck verwaist. Teil an ihrer Oede hat der seitliche Wasserarm»
ein vergessenes Rinnsal, das die starren Häuser nicht spiegelt.
Die Stadt halt ihre Fangnetze geöffnet. Eingeholt wird die
Beute irr den neuen Hafenbassms, sie im Verein mit der
Küste eine mächtige Wurflinie beschreiben. Ankunft und Ab
fahrt der Überseedampfer sind die Pole des Lebens, den Ver
schwindenden glüht es. Die Trostlosigkeit der kahlen Lager
hauswände ist ein Schein; ihre Vorderseite sähe der Prmz
aus dem Märchen. In den Schwammhöhlungen des Hafen
viertels wimmelt die menschliche FaurM, rein steht in den
Lachen der Himmel. Verjährte Paläste sind zu Bordellen um-
gewandelt, die jede Ahnengalerie überdauern. Der Völker
haufen, in dem die Völker vergehen, wird durch Alleen und
Bazarstraßen geschwemmt. Sie grenzen die Bezirke ab, auf
die sich der Zustrom verteilt. Die ewige Masse der kleinen Ge
werbetreibenden tost in den Muschelwindungen des einen.
Unbefahren räkelt sich in der Mitte die Bai. Ihr Dasein
Mein verbietet den Wölbungen sich zu schließen. An ihren
Ufern laufen sich die Straßen tot, sie biegt die Graden zu
Kurven um. In ihrer Oeffentlichkeit verliert sich das Offen
bare, ihre Leere spreizt sich im fernen Winkel. So stumm ist sie,
daß sie als Pause durch das Gekreische sich wälzt. Die vollen
Ränge des Amphitheaters streichen um einen Hohlraum. Das
sufgerichtete Publikum dreht ihm den Rücken.
Das Karree.
Nicht gesucht hat den Platz, wen er findet. Die Gaffen, zer
knüllte Papierschlangen, sind unverknotet ineinander ge
schlungen. Ueber die Erdsalten führen Traversen, die sich am
Putz reiben, in Kellertiefen stürzen und zu ihrem Anfang
^rückgeschleudert werden. Ein Hintertreppenquartier, oie
Punkaufgänge fehlen. Türen stehen offen, aus denen graugrün
der Geruch der Meerabfälle schwelt, rote Lämpchen weisen den
Weg. An den Durchblicken sind Versatzstücke improvisier::
Reihen von Schwibbögen, arabische Schrifttafeln, Stufenge-
winde. Läßt man sie hinter sich, so werden sie abgebrochen und
am neuen Ort wieder errichtet. Ihre Ordnung kennt der
Träumende.
Eine Mauer ist der Vorbote des Platzes. Schlaflos hält sie
sich aufrecht und verriegelt das Labyrinth. Mit hündischem Ge
horsam begleitet sie eine Furche, trottet auf Schritt und Tritt
ihr zur Seite. In die Mauer sind Luken eingesprengt, in weiten
Wständen kleine Löcher, die den Räumen dahinter kein Licht
gewähren. Andere Mauern von gleicher Länge verkürzen sich
wie Eisenbahngleise; diese nicht. Ihre Fluchtlinien laufen aus
einander — sei es, daß die Furche fällt, sei es, daß die
Mauerbekrönung stetig steigt. Neben der Furche breitet sich
Unversehens der Platz.
Gr ist ein Karree, das mit einer Riesenform in das Ge
schlinge gestanzt worden ist. Kasernenblöcke formieren sich um
W» die Rückwand LA rot gestrichen. Eine Rampe schießt von
ihr aus vor, hält an, bricht ab. Die Horizontalen sind mit dem
Lineal gezogen, schnurgrad.
Auf dem menschenleeren Platz begibt sich dies: durch die
Gewalt des Quadrats wird der Eingefangene in seine Mitte
gestoßen. Er ist allein und ist es nicht. Ohne daß Beobachter
zu sehen wären, dringen ihre Blickstrahlen durch die Fenster
läden, durch die Mauern. Sie fahren bündelweis über das
Feld und schneiden sich in der Mitte. Splitternackt ist die
Angst; ihnen preisgegeben. Kein Palmbukett streichelt die
Kanten, das die Blöße Zu decken vermöchte. Ein Gericht Lagt
auf unsichtbaren Sitzen um das Karree. Es ist der Augenblick
vor der Verkündigung des Wahrspruchs, der nicht ergeht. Der
zugespitzte Pfeil der Rampe deutet auf den Harrenden, folgt
ihm nach, ein wmldelnber Zeiger. So kehren sich die Augen be
rüchtigter Porträts dem Beschauer immerfort zu. Die rote
Hinterwand ist von der Platzfläche durch einen Spalt getrennt,
aus dem ein Fahrweg anfteigt, den die Rampe versteckt.
Niemand sucht in dem Knäuel der Bildergänge das
Karree. Seine Größe wäre bei peinlicher Ueberlegung mäßig
zu nennen. Doch dehnt es sich, wenn die Beobachter auf ihren
Stühlen sich niedergelassen haben, nach den vier Westseiten
aus, erdrückt die armseligen Traumweichteile und ist ein
QuadratohneErb raea.
Knaße und Stier.
Bewegungsstudie.
Nix (Provence), Mitte September.
Ein Knabe tötet einen Stier. Der Satz aus der Schulgram-
matik wird in einer gelben Ellipse dargestellt, in der die Sonne
kocht. Auf das Oval blickt es von den Tribünen und Bäumen, an
denen die Einheimischen wie blaue Bananen hängen. Der Stier
Lost dumm durch die Arena. Dem trunkenen Placken steht der
Knabe allein gegenüber.
Er ist ein orangener Punkt mit umgeschlagenem Zopf. Dreizehn
Jahre, ein Bubengesicht. Andere Jungen seines Alters sausen im
Prunkkostüm über die Prärie und erretten die weiße Squaw von
dem Martertod. Vor einem Stier liefen ste davon. Der Knabe steht
und lächelt zermoniell. Das Tier erliegt einer Marionette.
Sie reizt den Orkan nach der Vorschrift des Rituals, von dem
ste vergrößert zurückgestrahlt wird. Ein Püppcheu auch könnte das
rote Tuch auswerfen, in dem der Stier den Gegenfetisch erkennt.
Er will ihn niederstürmen, das Tuch entschwebt, von dem Püppchen
in eine Arabeske verwandelt. Natürliches ließe sich auffpießen, vor
dem Gleitflug der rinnenden Falten schwinden die Kräfte.
Die Marionette wird zum orangenen Weib, das den Tolpatsch
lockt. Es nähert sich ihm mit Wiegeschritten, die Hände hissen zwei
kleine farbige Lanzen. Ein Theaterlachen der hochgereckten Heldin
kündigt den Liebeskampf an. Der Stier geht dem ausgeklügelten
Rhythmus ins Garn. Doch das Gespinst ist elastisch, und schon hat
der kleine Magier ihm die kleinen Lanzen in die Flanken gesteckt.
Drei Lanzenpaare bemustern den Placken, Stricknadeln im Woll-
knäuel, mit wehenden Bändern. Er möchte sie abschütteln, vergeb
lich, die Geometrie sitzt fest in den Wülsten.
Der Knabe breitet einen Lappen von der Röte des Hahnen
kamms. So lang ist der Degen, den er hinter dem Vorhang ver
birgt, daß er an ihm in die Luft klettern könnte. Die Attribute
der Fläche und der Linie bezeichnen das Nahen des Endes. Die
Marionette läßt den Lappen funkeln und zieht mit dem Degen
Kreise, die sich verengen. Dex Stier wird von einem Zittern
befallen vor der Gewalt der Ornamente. Sie, die in Rauchringen
gleich umstrichen, später punktweise trafen, pressen sich drohender
stets an ihn, damit er in dem Kanevas vergehe.
Nach ist es ein Spiel. Der Degen möchte umkehren, die Rote
müßte sich im Blut nicht begegnen. Es ist ein einziger Stich, ein
rasches, stechendes Leuchten, das durch die Wand springt. Der
Degen schnellt aus der Marionette, nicht der Knabe hat ihn ge
stoßen. Das verwunderte Element stockt und glotzt. Ueber die
Degenlinie triumphiert die Krümmung der sinkenden Masse. Nun
herrschen die Farben und Schwünge.
Dem umlaufenden Miniatursteger fliegen Kappen und Taschen
nach, Bukette des Jubels. Die Sonne glüht m der Ellipse. Der
Knabe steht und lächelt zeremoniell.