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er-
Diese Hocken überall, wo Menschen überhaupt sich einnisten
können: am Boden, auf Gerüsten, keine Perspektive ist sicher vor
tet die Stücke einzeln her und schasst sie an ihren Platz, wo sie
geduldig stehen bleiben bis man sie wieder abreißt; Organis
men, hie sich auf eigene Faust entwickeln wollen, sind sie nicht.
Tischlereien, Glasereien, Bildhauer-Werkstätten besorgen das
Nötige. Die Stoffe: Holz Metall, Glas, Ton, sind ohne
Falsch. Auch richüge Dinge wären aus ihnen zu machen,
aber vor dem Antlitz des Objektivs gelten die trügerischen
eben so viel. Es ist objektiv.
Vorkehrungen sind erforderlich, um die Sachen und Menschen
zusamMenzubringen. Beharrten sie in der ihnen angestammten
Verfassung, so wiesen sie auseinander wie MuseumsvariWen
und ihre Beschauer. Beleuchtung verschmilzt sie; ihr Quell
ist die ausgedehnte ElektrozentrÄe, dir das ganze Unternehmen
!wit Energien speist. Die Darsteller werden in dem Friseur
raum zurechigsstutzt. Er ist kein Arbeitsvaum wie andere,
sondern ein Atelier, in dem sich Kunstreiches begibt. Aus dem
Rohstoff des menschlichen Gesichts werden hier Physiogno
mien geformt, die ihr Geheimnis erst preisgeben, wenn das
Lampenlicht sie berieselt. Zwischen Schminktischen, angefüllt
mit Stiften jeder Schattierung, walten Meister ihres Fachs.
Eine Tabelle zeigt den Helligkeitsgrad an, den die Farben
beim Photographieren erlangen; sie werden in die Schwarz
weiß-Skala hineingepreßt, als Farbwert schwinden sie hin.
Umso verführerischer ist das Vorstudium: die entartete Bunt
heit der Perrücken in den Vitrinen. An der Wand hängen
Porträt ähnliche Gesichtsmasken, feuerfest« Gebilde, die nach
den Hauptakteuren der jeweils in Arbeit befindlichen Filme
angefertigt sind und ihr persönliches Auftreten in gewissen
Szenen entbehrlich machen. Andere verwandeln sich in sie, in
dem sie ihre Masken tragen. Die Vermummten sind starr,
totengleich gehen sie um. In dem angegliederten Vorsüh-
rungszimmer kann dts Bildwjirkung der Toilette erprobt
werden.
Filme und Menschen sind von dieser Autarkie umfangen,
ihr Gedeihen wird mit allen Schikanen gefördert. Man Wer-
prüst und verbessert in einer Versuchswerkstatt die technischen
Rcproduktions-Methoden, etwa der farbigen Filme, und be-!
müht sich gleich sehr um die Aufzucht eines Nachwuchses, der
die verschiedenen Methoden onzuwenden weiß. Eine wirkliche!
Feuerwehr ist zum Löschen wirklicher Brände bereit, Aerzte
und Sanitäter halten sich jederzeit zur Verfügung. Zum.
Glück ereignen sich Unfälle selten, so beliebt sie auch sind. Bei
den Aufnahmen zu „Metropolis" mußten Hunderte von Kindern
aus den Fluten sich retten, ein entsetzlicher Anblick im Film;
der Hergang war so harmlos, daß die nicht mit abgebildeken
Krankenschwestern das Nachsehen hatten. Einer der Haupt-
Wittelpunkte ist die Kantine. Zwischen Angestellten, Ar
beitern, Chauffeuren sitzen hier kostümierte Herrschaften, wie
dir Ueberveste eines Faschingsfestes anzuschauen. Sie warten.
eingesetzt, ihre Vereinzelung wirb getilgt, ihre Grimasse ge
glättet. Aus den Gräbern, die nicht ernst gemeint sind, er
wachen sie zum Schein des Lebens.
Nach der Art des Pointillismus wird das Leben gestiftet.
Es ist ein Getüpfel von Ausnahmen, die an mannigfachen
Orten entstehen, und zunächst unverbunden bleiben. Ihre Ab
folge richtet sich nicht nach der des dargestellten Geschehens:
das Schicksal mag gekurbelt werden, ehe eS sich geknotet hat,
die Versöhnung früher sich darbieten als der Streit, der um
ihretwillen entbrannte. Der Sinn der Handlung ist erst im
fertigen Film souverän; während der Schwangerschaft läßt er
ihnen. Manchmal steigen sie ihren Opfern nach. Auch das
kleinste Teilstück wird nur nach schrecklichen Wehen geboren.
Helfer und Helfershelfer sind beteiligt, unter Gefuchtel schlüpft
es heraus.
Obmann istderRegisseur. Erhat auch die schwierige
Aufgabe, das Bildmaterial, das so schön ungeordnet wie das
Leben selber ist, zu jener Einheit zu gestalten, die das Leben!
der Kunst verdankt. In seinem Privat-Vorführungsraum
schließt er mit den Streifen sich ein und läßt sie wieder und
wieder entrollen. Sie werden ausgesiebt, ineinander geschoben,
abgeteilt und beschriftet. Bis zuletzt dem großen Chaos ein
kleines Ganzes entspringt. Ein Gesellschastsdrama, eine histo
rische Begebenheit, ein Frausnlos. Meist ist der AnZgang
gut: Glaswolken brauen und verflüchtigen sich. Die vierte Wand
wird geglaubt. Alles garantiert Natur. ' .
Das Geheimnis des Doppelgängers.
' Die Anthropologische Gesellschaft hatte in
Vereinigung mit dem Holland-Institut am Dienstag abend zu
einem Lichtbilder-Vortrag des holländischen Gelehrten Prof. Dr.
I. F. van Bemmelen über das Phänomen des Doppel
gängers geladen. Der Begriff des Doppelgängers, so führte
der Redner aus, findet sich bei allen Völkern, zumeist mit Aber
glauben gemischt, der auch bei uns noch nach,wirkt: z. B. in der
Airgst, das eigene Bild Fremden anzuvertrauen. Auch die Lire-
ratur werdet das Doppelgänger-Motiv aus; nur die Wissenschaft
scheint es nicht zu kennen. Dennoch ist der Doppelgänger ein
naturwissenschaftliches Phänomen; kein Zweifel, daß es besteht,
daß jeder Mnsch davon überzeugt sein kann, auf ihm ähnliche
Weien zu stoßen.
Zwei Arten von Aehnlichkeit gibt eS nun. Eine solche
Artistisches und Amerikanisches. Die Neue Licht
bühne hat diesesmal ein ausgezeichnetes Programm zusammen
gestellt. Der Hauptschlager: „Eine Minute vor Zwölfte
mit Luciano Albertini in der Hauptrolle, enthält eine Fülle
filmgcmäßer Intentionen. Im wesentlichen Liese, daß es um ein
pures Nichts Fehl: um ein LoLLerielos — Haupttreffer natür
lich! —, das angeblich in das Futter eines grauen Zylinders
geraten ist, der von Kopf zu Kopf wandert und wie eine Steck
nadel gesucht wird. Zum Schlüsse stellt sich heraus, daß es sich
gar nicht in ihm befand. Das Fahnden nach dem nichtexistenten
Gegenstand setzt die ganze Welt in Bewegung. Der Lunapärk, an
sich schon mit drehbaren Dingen angefüllt, wird noch mehr auf
den Kopf gestellt, als er es von Natur ist. Es geschieht, was im
Film zu geschehen hat: die fortwährende Umwälzung der äußeren
Welt, die verrückte Verrückung ihrer Objekte. Albertini, der Held,
ist ein liebenswürdiger Junge von jenem schmächtig-schwarzen
Habitus, der notwendig für sich einnimml. Er strebt nach dem
Glück mit solcher Grazie, daß es ihm nicht widerstehen kann.
Eine Figur, mit Märch-enzügen behaftet, wie das Volk sie liebt:
etwas PojaZ, etwas unverläßlich, die normale Ordnung überall
durchbrechend, ein netter Revolutionär in der Dingwelt und am
Ende mit dem verdienten Erfolg gesegnet, der unverdient auf ihn
niederträufelt. Er benützt die Möglichkeiten, die der Trick bietet,
um Unerhörtes zu vollbringen. Nach amerikanischem Muster tau
melt er betrunken über die Dächer in gefährlicher Nähe der Regen
rinnen. Er läßt sich von einem minimalen Luftballon durch die
Lüfte tragen und schwingt sich über Marquisen wieder herab.
Immer glückte es im letzten Augenblick^gerade noch entrinnt er
sich nicht ergründen.
Zelle um Zelle will gebildet sein. Die Jnventarstücke
rücken hier und dort zusammen, eine vom Licht geschminkte
Umwelt, in der sich Menschliches abspielt. Die rundum ange-
! strählten Bewegungen werden von den Kurbelkästen verfolgt.
Wandi schaft fei. Diese Erklärung, die sich dem Redner un-
gezwumngen dargcbooten hat, ist hervorgegangen aus Untersucheun--
gen über seine eigene Familie.
Zu den ersten Grundsätzen der genealogischen Ver
erbungslehre gehört der banale Satz, daß jeder Mensch
einen Vater und eine Mutter hat. Das beißt aber: er ist ebenso
gut ein Mitglied der mütterlichen wie oer väterlichen Familie.
Nun hat man theoretisch zwei Eltern, vier Großeltern, acht Ur-
großeltern usw. in mathematischer Progression. Also in der zehnten
Ahnen-Generation (besser: ParenLcckion) hat man bereits 1024
Vorfahren, zu-deren Familien man sämtlich gehört. Unter dieser
Unzahl von Ahnen kommen natürlich dieselben Leute — infolge
von Inzucht — möglicherweise vielfach vor. Trotzdem wachsen
die Zahlen schnell, je höher man in der Reihe der Parentationen
kommt, und man darf sagen, daß die Menschen unseres Kultur
gebiets alle untereinander blutsverwandt sind.
Als weiteren Grundsatz entwickelte der Redner die Lehre, daß
es Nachkommens-Hiften (« Parentelen) geben müsse, die noch
nicht abgeschlossen sind. Es ist nun unzweifelhaft, daß sich die
Nachkommen Karls des Großen heute in allen Lagern
treffen; die meisten von uns stammen gewiß von ihm ab (freilich
ebenso gewiß auch von seinem Kammerdiener).
Die Vorführung der Lichtbilder begann mit dem Bilde
einer der Urgroßmütter des Redners; er zeigte sie zum Beweis
der zwischen ihr und ihm herrschenden Aehnlichkeit. Andere Ahnen-
Lilder folgten. Eines stammt aus dem 18. Jahrhundert (8. Pären-
ration) und trägt ebenfalls Züge, die auf den Redner hindeuLem
Auch die Generationen, die von dem Ahn zur Gegenwart leiten,
sind durch einen glücklichen Zufall in Bildern erhalten. Aus ihrem
Studium ergibt sich: die Physiognomie stellt eine Einheit dar,
die sich s p r u n g w e i § vererbt. Es wäre sehr wohl möglich^ daß
sich in einer anderen Blutlinie des Ahnen aus der 8. Parentalion
ein Mensch fände, der die gleiche GesichtsLildung empfangen hätte
wie der Redner. Durch den Rückgang auf die 10. Parentation
verfeinerte der Vortragende noch die phystognomische Analyse.
Doppelgängertum beruht auf Blutsver
wandtschaft: in diese These münden die Forschungen Prof.
van Bemmelens. Er erhärtete sie durch die Aufdeckung der
Ahnentafeln seiner eigenen (im Bild gezeiAen) Doppelgänger, die
in der Tat eine verblüffende Aehnlichkeit mit ihm haben. In
struktiv die Schilderung der Schwierigkeiten, die mit dem Anstieg
zu dem gemeinsamen Ahnherrn der vier in Betracht kommenden
Familien verknüpft waren. — Das dichtgedrängte Auditorium —
die Zuhörer standen Zum Teil in den Gängen — dankte dem Red
ner lebhaft für seine Darlegungen, die er mit der Bitte schloß,
man möge die Photographien der Verwandtschaft in den Fami-
lienalben mit genauen genealogischen Angaben ver
sehen, damit unsere Nachkommenschaft daraus Nutzen ziehe.
Ar.
Unaufhörlich warten sie auf ihre Szene. Der Szenen
sind viele, gleich den Steinchen eines Mosaiks werden sie anein
ander gestückt. Statt die Welt in ihrem zerbröckeltem Zustand
zu lassen, holt man sie wieder in die Welt zurück. Die aus
dem Zusammenhang gelösten Dinge werden von neuem in ihn
eingesetzt, ihre Vereinzelung wirb getilgt, ihre Grimasse ge-
von Menschen, d-ie offenbar nichts miteinander zu tun haben, und
eine andere von einzigen „identischen" Zwillingen, „Halblingen",
wie sie der Vortragende nennt. Wenn aber die Erscheinung der
täuschenden Aehnlichkeit sich bei beiden Gruppen zeigt, so sollte
man sich doch fragen, ob ihr Grund nicht auch in jenem Falle
dem die Menschen scheinbar einander fremd sind, Bluts V