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Zugleich mit dem. Sternfriedhof wurde ein in der neuen
Mainzer Synagoge untergebrachtes M u s e u w deZ Vereins Zur
Pflege jüdischer Altertümer eröffnet. Zu dessen Entstehung und
Einrichtung wesentlich Dr. Karl Ladenburg Lei-getragen hat.
Es enthält eine Reihe sehenswerter Stücke, die durch ihre Ver
einigung besser das Gewesene zu, erschließen erlauben. Die Lhora-
schrünvorhänge an den Wanden, die aus Brautkleidern gefertigt
sind, bestehen Zum Teil, aus kostbaren Stickereien persischen oder
indischen Ursprungs. Frauenhände haben sie vor mehreren hundert
Jahren mit den Symbolen der beiden Säulen, und der vier
Kronen dekoriert. Stets ordnet der Schmuck bei diesen Kultgegen
ständen sich unter; der Chanukkaleuchter aus der Zeit, des dreißig
jährigen Krieges ist nicht minder Zurückhaltend geziert wie die
Prunkkrone, die der Thora übergestülpt wird. —Me dargebstenm
Proben des häuslichen und synagogalen liturgischen Lebens wer
den durch Akten ergänzt, die einige historische Bedeutung haben.
Das Ganze ist auf Erweiterung angelegt, die begonnene
Inventarisierung drängt wie stets nach Vervollständigung. Neben
dem Frankfurter jüdischen Museum wird auch das Mainzer ein
Bild des jüdischen Lebens in Deutschland vermitteln.
Jüdische Altertümer in Wainz.
Dew Grabmalgarten. — Das Museum.
. Li* Mainz, im Oktober.
Das höchstgelegene Gelände von Mainz, ein hügeliges Grund
stück, das an den seit 1880 geschlossenen alten jüdischen Friedhof
an der Mombacher Straße grenzt, ist jüngst Zu einem jüdischen
Grabmal garten umgestaltü worden, der seinesgleichen
sucht. Grabsteine aus der Zeit von etwa dem Jahre 1000 bis gegen
die Mitte des 15. Jahrhunderts — unter ihnen die ältesten bisher
in Deutschland bekannten stehen hier einzeln und in Gruppen
an verschlungenen Wegen. Viele haben sich nur als Fragment
erhalten wie ein halb vermodertes Skelett. Einst waren sie das
Zeichen des VesLattungsorL^ nun sind sie selber bestattet. Der
Zersetzungsprozeß, der auch sie der Natur vollends Zurückgegeben
hätte, ist unterbrochen worden, damit dte Namen der Toten auf
bewahrt seien, die sie verzeichnen.
Alles ist merkwürdig an diesem Friedhof der Steine.. Wie
Rabbiner Dr. Säli Lewi. der verdienstvolle Schöpfer der An-
laM, Mchgewiefendas Feld schon den Juden des
Zu AM im Schumann.
Zur Premisre des zweiten Oktoberprogramms.
Im Kriegswagen kommt eine schöne Frau angesahren,
C l -a u dia Alba, antik gewandet, eine Amazone. Sie verbindet
Grazie mit Kraft, woran ihr Begleiter glauben muß, den sie um-
dreht oder in die Höhe hebt, so eine Frau sollte man haben, man
brauchte für den Sport nicht mehr zu sorgen. Außerdem stemmt sie
Kugeln und wirst sie sich auf den Nacken. Pazifistisch ist sie nicht.
An einem Trapez hängend, schießt sie eine Kanone ab, die sie mit
den Zähnen im Schwebezustand hält. Tann verneigt sie sich lieblich,
der Kontrast ist groß. Man mochte ihr Nachts nicht allein begegnen.
Joy Bells chinesische Gladiatorentruppe übt
mit Lanzen, Schwertern und Ketten. Ihre feine Gewandtheit
triumphiert über Schneiden und- vorschnellende Spitzen. Sie treten
gegeneinander an und jagen sich die Speere in die Leiber, die sich
gerade, rechtzeitig, noch vorLeiwinden, um sich unversehrt wieder
aufzurichten; zwischen den Stichen bleibt kein freier Raum mehr.
Auch werden rasselnde Dreizacke umher gewirbelt, die nach und nach
sich verselbständigen und nun ihrerseits mit ihren Trägern Be
wegungsspiele treiben. Von den Dreizacken regiert, drehen diese
sich durch die Lust. '
Die Gruppe der drei Boundings Vounders besteht aus
einem Mädchen mit einer wundervoll stechen Fistelstimme, einem
älteren vergnügten Hrrn und einem jungen Burschen, der zu
seiner Zerstreuung, Räder schlägt. Der Herr benutzt seinen Auf
enthalt auf der Bühne dazu, sich mit dem Mädchen zu unterhalten,
bis es ihm genug wird, einen Violinkasten herbeizuholen, dem er
ein Taschentuch entnimmt, mit dem er sich abtrocknet, dann stellt er
den Kasten , wieder hin, und solcher bedeutender Handlungen mehr.
Mitunter läßt er sich vom Trampolin in die Höhe schnellen. Zwi
schen ^Himmel und Erde lebt sichs schon; kein Wunder, daß er
vergnüt ist. Mit dem Mädchen und seiner Kravatte, die wie -ein
Rolls Royce hupt, wenn er daran rührt. — raca.
^ermanos Walders: Balanceakt an der Stange: gelbe
Stiefel, lächelnde Nonchalance. Saubere Arbeit und ein guter
Augenblick, wo beide, Kopf gegen Kopf an der Stange — lang
sam ihre Handschuhe ausziehen — um Fahnen aller Länder vom
Mast aus zu entfalten.
Zwei Watson komisch seriöse Rollschuhläufer. Eine vor
zügliche Nummer. Die Zusammenarbeit könnte etwas besser sein.
„Er" erinnert an Dodo aus den amerikanischen Lustspielen. Alles
geht ihm schief seine Hosen sind lockere Scharniere, die ihn an
den Boden klappen. Zum Schluß aber kreiselt er sich aus einem
runden Tisch empor und tanzt wunderbar elegant mit der schönen
Frau, ganz rosa Bein und weißes Gesicht.
Wenn Otto Schumann vor den gemalten Parkwegen
„arbeitet", dann ist das, wie wenn <in Engel vom Himmel kommt.
Svine Füße sind Musik — die Pstrde fühlen das. Ein Schimmel
mit rosa Nüstern und einem rosa Bauch tanzt wie eine Bajadere.
Dann kommt ein schwarzer Riesongaul, der fast zu groß ist für
die kleine Bühne -- der arbeitet mit einer liebevollen Wucht ,
-ein Berg, wenn er sich auf die Hinterhand stellt, und dann tut der
Reiter gar nichts mehr — die Tieve scheinen sich ganz übeAasscn.
Das Pferd und die zwei Hunde — eine weiße Dogge, die im
stolzen Hahnentritt des Pferdes geht — und eine Wolfshündin
mit einem Eisbärfell, die geht noch ganz schachern dm Schwanz
schamhaft verklemmt mit treuen blauen Augen nebenher und. be
wegt die Pfoten mit zart andeutenden Gesten. ' -Ka.
' frühen Mittel-alters als BeerdigungZplatz. Im vorigen Jahre erst
wurden hier Skelette aus gegraben, uralte Knochengerüste, die dank
der günstigen Bodenverhältnisse unversehrt wiedererstanden. Ihnen
Zur Seite als einzige Beigabe die eisernen Nägel, die den Sarg
früher hielten.
Die Grabsteine selber, die aus dem Mainzer Altertums
museum an ihren Ursprungsort zurückverpflanzt worden sind,
haben die Jahrhunderte im Verborgenen überdauert» Nach den
Judenaustreibungen im 15- Jahrhundert wurden sie verschleppt
und zu Haus- und Festungsbauten benutzt, während das Grab-
feld als Weingarten den Lebenden flammte. In den Fundamenten
und Mauerbogen harrten die Steindokumente ihrer Erweckung
durch die Historiker. Kürzlich erst wurde ein neuer Fund bei bei?
Anlage eines Sportplatzes auf der Bastei gemacht — ein nicht
unwesentliches Argument für die Rechtmäßigkeit des Sports.
Niemand wird ohne Anteil die Grabsteine durchmustern. Die
ältesten sind Zeitgenossen fenes Geschlechts, das den Mainzer Dom
> in seinen ersten Anfängen sah; eindringlicher, als die Quellen
schriften es vermöchten, beezugen sie die Verflochtenheit des jü
dischen Schicksals mit dem deutschen. Manche der hebräischen In
schriften haben ihre Jugendfrische hinübergerettet, ihr Bericht
ist ein schönes. Ornament. Andere, die verwittert sind, droben ihr
Geheimnis mitzunehmen. Auf einer winzigen Ruine, die sich
hcrabneigt, steht als letzter Ueberrest noch der Namen. Die Denk
mäler sind insgesamt keine Monumente, die den fragwürdigen
Anspruch erheben, Kunstwerke zu sein, sondern der Untergrund
für die Inschrift, hinter der er selber verschwinden will. Seiner
Unscheinbarkeit entsprechen nicht fllten die cingemeißelten Worte»
„Ein Felsstein wurde ausgehauen Zum Gedenken 'des Rabbr
Gerschom", ist auf einer frühen Tafel zu lesen.
Von dem GraL-malgarten blickt man weit in 'den Rherngau,
und fast scheint es, als gewänne die Landschaft an Menschlichkeit
und an Kraft der Rede, weil dem Gedächtnis eine Stätte in ihr
eingeräumt worden ist. Wer nach Mainz kommt, möge diesen Platz
nicht versäumen, auf dem das Vergangene wiederkehrt, um lange
zu bleiben.
Bei der Verteilung des glänzenden Varietehimmels die im
Gast staitfand, fiel dem unterzeichnenden Referenten der Kunst
pfeifer zu, das Ballett, und der Humorist. Qbzwar er darin ein
besonderes Zutrauen zu seinen musischen Fähigkeiten erblicken
durste, es sei nicht geleugnet, daß mancher sehnsüchtiger Blick den
Kraftspielen einer schönen Frau nachtrauerte und daß der schärfste
Pfiff (aus Butterfly mit den Händen geblasen) jenes entzückende
Quitschen nicht übertönte, das mitsamt dem Trampolim dem
Referenten raaa überlassen bnob. Also der Kunstpfeiflr Herr
Willy Schwarz, vom Publikum als alter Bekannter begrüßt,
war mir neu. Er pfiff, von rhythmischen Schwung seiner Beine
unterstützt mit erstaunlichem Atem, einen Pfiff, außerordentlichen
Volumens.
Das Ballett setzte sich zusammen aus Galina Zacarina,
einer kleinen Balletteuse und dem Tänzerpaar Jrina Schychowa
Fred Tim, beide einem großrussischen Ballett ihre Vergangen
heit dankend. Der Kleinen, wenn sie erst völlig rhythmisch sein
wird, werde ich einmal den Vorzug geben. Die Einfälle waren
nicht immer heiter, wie bedeutend auch der Vorhang auf und
nieder ging. Von den Kostümen blieben mir die grauen Schleier
eines „Phantoms", das einem Empireherrn aus der Ruhe scheucht,
in Erinnerung. (Ernsthafte Nebenbemerkung: Webers „Aufforde
rung zum Tanz" haben die Großrussen etwas mißverstanden.)
Das Abwechslungsreiche des Programms i8 Lanznummern) sei
dankend vermerkt. Bleibt der Humorist Willy Ziegler; ich
will nicht mit ihm streiten, vielleicht ist er ein geborener Humorist
und ich verstehe nichts von der Sache, auf jeden Fall: ich blieb
toternst. Das Publiukm al r strahlte und jauchzte bis hinauf in
den rauchigen Schlund der Galerie. Wie sagte der breitschultrige
Herr aus den 3 Bounding Vounders, wenn seine Freunde etwas
ihm Unbegreifliches taten? „Geh zn Hause", —6en.