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des Jchbewußtseins nicht hindurchschimmern kann. Treue Lricht
aus ihm hervor, die stete Bereitschaft zu helfen umglänzt die
ichlose Erscheinung. Das Mädchen, das -Chaplin liebt — ist -es
Liebe zu nennend — wird angegriffen, und er, der immer An
gegriffene,, der so schwach und feige ist, möchte als Kavalier vor
den Anpobeleien sie schützen. Man lacht, man weint, man weiß,
daß die Oberfläche aufgeriffen ist.
Weil aber das Menschliche hier so dargestellt ist, darum ist es
in der Ordnung, daß es ihm wie im Märchen ergeht. Vor diesem
Würmchen Chaplin, das hilflos und ganz allein durch den Schnee
sturm und die Goldgräberstadt kriecht, weichen, die elementaren
Gewalten zurück. Gerade rechtzeitig noch kommt immer wieder ein
Zufall herbeigeeilt und entreißt ihn den Gefahren, die er nicht
ermißt. Der Bär selbst ist ihm freundlich gesinnt wie ein Bär aus
dem Märchen. Seine Ohnmacht ist Dynamit, seine Komik bezwingt
die Lacher und erweckt mehr als Rührung, denn sie rührt an den
Bestand unserer Welt.
Revue Rr. 1 der Mniersaison.
München im SchumanntheaLer.
— Die Revue kommt aus dem Münchener Deutschen
Theater zu uns mit allen möglichen Girlkomplexen, Kostümen
aus Werkstätten und einer winzigen Handlung, die das Ganze Zu
sammenhalt, ohne die Teile miteinander zu verbinden. Es geht
bewegt her in dieser „Nacht der Nächte", die so heißt, weil
ein Prinz sich vornimmt, sie zu ihr zu machen. Um ihn herum
werden geometrische Beinschwünge verübt, immer dieselben, in
immer verschieden ausgeschnittenen Gewändern Die Ausschnitte
überwiegen mitunter. Die Girls tragen bald aufeinander abge
stimmte Schellen um den Hals, mit denen sie nett klingeln, bald
nahen sie mit Saxophonen bewaffnet, aber zu anderen unerfind
lichen Zwecken. Den Eindruck der Masse erwecken sie nicht, man
kann sie noch zählen. In Amerika konnte man es nicht. Vor ihrer
gleichförmigen Pracht, die sich wie ein rotes Fädchen durch die
Bilder zieht, werden Solotänze ausgefuhrt: gymnastische und
andere, häufig in schöner Bewegtheit, mit einem Höchstmaß von
Mensendieck. Es ist erstaunlich, wie dieselben Motive sich unbe
grenzt a-bZMvandeln vermögen. Ein Kaleidoskop. Damit das von
Farben überströmte Publikum ab und zu aus dem Schauen her-
auskommt, in dem es sich sonst verlöre, werden Gespräche zwischen
den Hauptpersonen geführt. Sie sind jedenfalls zum Lachen, gleich
viel. wie man über ihren Inhalt urteile. Eine Szene im Sende-
raum einer Funkstation ist originell gestaltet, und Hans
Albrecht als Oberbayer wirkt unwiderstehlich komisch. Auch
sonst erinnert manches an die Münchener Herkunft der von Leo
PeukerL geleiteten Revue. Man ist dort unten auf Sowjet-Ruß
land nicht gut zu sprechen und zieht der Revolution die Evolution
vor — Gedanken, die eine ihrer Größe entsprechende tänzerische
Darstellung erhalten. Die kunstgewerblichen Hintergründe und
Staffagen, die nicht minder aus München stammen, verhindern
etwas das Hervorbrechen exzentrischer Möglichkeiten und geben
der bunten Reihe einen Anstrich von Solidität, gegen die Hugo
Fischer - Köppe in seiner Eigenschaft als Berliner Funge
zum Glück immer wieder mal angeht. Seine Fixigkeit bestimme
das Tempo vor und auf der Bühne. raea.
Khaplin.
Von Naca.
Charlie Chaplin, der den „Goldrausch" gedichtet hat, geht
durch seine Dichtung als eine Darstellung des-Menschlichen, die
aus fast verschütteten Quellen geschöpft ist. So ist das Menschliche
in den Märchen gemeint, in dem dummen Hans und anderen
Märchenhelden, die keine Helden sind, so meint es vielleicht der
Spruch Laotses, daß das Ohnmächtigste die Welt bewege.
Der Mensch, den Chaplin verkörpert, nicht verkörpert, sondern
gehen läßt, ist ein Loch. Die Goldjäger, unter denen er auftaucht,
haben einen Willen, sie machen sich Gold und Weiber streitig, rüde
Giganten, wie sie in den Abenteurerbüchern stehen. Er hat keinen
Willen, an der Stelle des Selbsterhaltungstriebes, der Machtgier
ist bei ihm eine einzige Leere, die so blank ist wie die Schneefelder
Alaskas. Andere Menschen haben ein JchLewußtsein und leben in
menschlichen Beziehungen; ihm ist das Ich abhanden gekommen,
darum kann er, was so Leben heißt, nicht mitleöen. Er ist ein
Loch, in das alles hereinfällt, das sonst Verbundene zersplittert in
seine Bestandteile, wenn es unten in ihm aufprallt.
Dieser Mensch muß mit Notwendigkeit feige, schwach und
komisch erscheinen, sobald er unter die Menschen gestoßen wird.
Den gewaltigen Goldsuchern gar ist er noch weniger gewachsen
als den Leibern geringeren Formats. Da er kein Ich besitzt: wie
könnte er es gegen die großen Jchbündel verteidigend Er Lebt .vor
der Türe zurück, wenn sie hinter ihm aufschlägt, denn auch sie ist
ein Ich, alles, was sich selbst behauptet, die Loten und die lebenden
Dinge, alles hat eine Macht in sich über ihn, vor der man das
Hütchen ziehen muß, und so zieht er immer das Hütchen. Die
Menschen essen, essen muß man am Ende, aber nur, wer etwas auf
sich hält,, ißt das richtige Essen, ihm tut es ein Stiefel, sein eigener
Stiefel, daß er ihn dann entbehrt, ist ihm entgangen, denn er sorgt
nicht für sich, den es nicht gibt. Einmal tanzt er mit dem Mädchen,
es ist auch danach, seine Tanzkunst vollendet sich erst, wenn er im
Traum vor dem Mädchen seine Gabeln Lanzen läßt.
Ein Mensch ohne Oberfläche, ohne eine Möglichkeit der Be
rührung mit der Welt. In der Pathologie hieße es Fchspaltung,
Schizophrenie. Ein Loch. Aber aus dem -Loch strahlt, das reine
Menschliche unverbunden heraus — stets ist es unverbunden, in
Bruchstücken nur, in den Organismus eingesprengt —, das Mensch
liche, das unter der Oberfläche sonst erstickt, das durch die Schalen
Buster Keatsrr. In den Ast o ria - L ich tsp i e l e n
läuft ein älterer Buster KeaLon-Film „Sherlock Holmes jr.",_
der einen hübschen Einfall enthält. Keaton, ein starrer Verliebter,
wird eines Diebstahls beschuldigt, den fein Nebenbuhler begangen
hat. Zugleich ist er Kino-Operateur, ein Amt, über dessen Pflich
ten er einschläft. Dem Träumer verwandelt sich das auf der Lein
wand vorgeführte Paar in das geliebte Mädchen und den Neben
buhler. Wie er sie so innig Zusammenfindett springt er aus dem
Vorführungsraum durch den Zuschauersaal in die Leinwand und
agiert hier weiter. Die folgenden Szenen haben die Sprunghaftig-
keit des Traumes. Auch in diesem Film erzielt Keaton die ko
mischen Effekte durch die Darstellung seines Mißverhältnisses Zut
Welt, die ihn Menschen und Sachen verwechseln läßt. — Ein
zweiter Film: „Nick, der König der Chauffeu r e" gibt
einem italienischen Filmstar die Gelegenheit, als Chauffeur und
zugleich als russischer Fürst zu glänzen, und in der einen wie in
der anderen Eigenschaft eine körperliche Gewandtheit zu entw'ckeln
die ihn mit der Notwendigkeit zum Liebling der Damenwelt machen
muß. Der verarmte Fürst verdient sich sein Geld als Kraftfahrer
uid lebt von den Spargroschen einen Monat lang an der Riviera
als Aristokrat von ehedem. Die kleinen Konflikte, die aus einer
'olchen Doppelrolle folgen müssen ist der Held, Fürst oder
Hochstapler? — werden ganz amüsantaus geschlachtet.
Zur Frankfurter Aufführung des
Chaplin - Films: „Goldrausch".
Ro» Larissa
KerLner. Berlin, Vener Ventseker VerlsF.
SA Seiten. 6eö. Läl).
vio 2u trüb verstorbene russisobs llommalistm,
deren Lrosebürs: „Lamburk s-nk den Lo-erLs-äsn"
ssinorroit trots des krotsstss dsr dsutssbon Intel-
von dsr srlsnebtstsn Aensurdsbörds aus dunk
len (Gründen verboten worden ^ar, bat sieb. 2U allen
Stätten binTS20Mn Mküblt, an denen Revolutionen
vor sieb. Mn^sn oder mö^lieb sebienen. 8is ist eine
Reisende in RevolutionsLn^eleMnbeiten KS^esen, die
in Lnbul und im Ural, in Noskau und Hamburg 2ur
reebten Ltundy Luktauebte und, vas mebr ist, reebt
2u seben verstand. "Wie Tut ibre ^UMN Tvarsn, be
weist der jet2t ersebienene Land, in dem die Zebilde-
runMn ibrer ^allkubrten naeb den ..nationalen Lei-
liTtümern" veutseblnnds 2usLMmenTSsts11t sind.
Nationale LefliTtümer: unter ibnen werden die
Lrupp-^erke und andere repräsentative Betriebs
verstanden. Von diesen Instituten, die das Ossiebt
veutseblands bestimmen, entwirkt die unTewöbnliebe
Brau Bilder, deren Redliebkeit niebt MrinTsr Ist als
-ibre spraebliebe LeblaTkraktt Zie erblickt die Nodelle
aus der russisoben Lerspsktive; aber über der Lnt-
bMunT ibrer okt bsdenklieben inneren Leere verZiüt
sie ibre Orölle niebt. Lnbestseblieb stsbt sie den
(deMnständen und Nenseben TSMNüber. eine Revo
lutionärin, die den OsTner aebtet und daber um so
mebr über26UTt, wenn sie in den nationalen Heilig
tümern einige Altäre niederreillt. ver Inbalt der
Tlän2snd Tssebriebenen Feuilletons ist radikaler als
ibre Lorm, die 2u impressionistiseb und obsrkläeben-
bakt Mraten ist. voeb die Eindrücke sind Moau ver-
2siebnet und binter der Oberkläebe sebläTt ein Ver2.
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