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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.06/Klebemappe 1927 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

bett, die mit Lrvn QegsvstLndE spielt. Dem Vadb 
ist sin grollsr Lrkolg ru vüusebeL. r. 
Ausdeutung der Nebensache«. Du Ehepaare, die sich übers 
Kreuz verbinden, wohnen sich gegenüber. Man blickt sich mD 
Fenster, und was aus der Ferne wie «in AnMst a^ ist en 
Wirklichkeit eine freundliche Begrünung. Durch das immer ver 
schiedene Usberqueren derselben Straße wird «me MmnigfaÜig- 
kett von Stimmungen ausgedrückt. Der Rausch emes Charleston-, 
Balles ist durch kunstvolle Ueberblendungen bessnders treffend dar 
gestellt. Auch für die Jnnchaltung^r Tempi E,LubuMösst 
Grund auf zuständig. Seine formale Sicherheit und sem^Bcherr- 
sch-ung der Zwisch-entöne verdient um so größere Anerkennung, 
als sich die Durchschnittsregie Zumeist, auf die rohe Zusammen 
stellung stofflicher Sensationen beschränkt. 
— ^Der Zuchthäusler, der Junge und die Biographie.I 
Gewöhnlich wird die Biographie eines Menschen nach seinem Leben 
geschrieben; mitunter aber formt sich das Leben nach der Bio-^ 
graphie. Der Charakter bestimme die Handlungen, heißt es; nicht 
selten indessen wird der Charakter durch ein zufällig ausgesprochenes 
Wort bestimmt. Drs Wort ist mächtiger als die Menschen, von 
denen es kommt und zu denen es geht. — Seine Gewalt wird dmch 
einen amerikanischen Film: „Spiel und Ehre" (den Zur 
Zeit die Frankfurter Neue Lichtbühne vorführt) charmant 
dargotan. Er beruht auf der heute selbstverständlichen Voraus 
setzung, daß Baseballspielerstars Nationalhelden sind. Als Held in 
diesem Sinne tritt ein ehemaliger Zuchthäusler auf, der vor mehre 
ren Jahren bei seiner erneuten Verhaftung einen Fluchtversuch un 
ternommen hatte und darum eigentlich wieder im Zuchthaus sitzen 
sollte. Daß der Star einem Reporter die Aussage verweigert, der 
von ihm für seine Zeitung den Lebenslauf abverlangt, ist nur 
zu begreiflich. Der Reporter verfaßt daraufhin mit Hilfe seiner 
eigenen an Filmen geschulten Phantasie eine Autobiogra 
phie der Bafeballkapazität, in der ihr ein Werdegang zuer 
teilt wird, der Tränen zu entlocken vermöchte: der Held 
hat seine arme Mutter von Kind an ernährt, nicht geraucht, 
nicht getrunken usw. (Wir leben in Amerika.) Die Biographie ver 
richtet ihr erstes Bekehrungswunder an einem ungezogenen Jungen, 
der nach ihrer Lektüre die Zigaretten wegwirft und der imaginären 
Heldenjugend nachzueifern beschließt. Er macht die Bekanntschaft 
seines Vorbilds, das gerade vor einem neuen Weltmatsch steht, in 
dem es, auf das Drängen des gewinnsüchtigen Managers hin, seine 
Niederlage herLeizuführen verspricht. Aber der Junge, in dem das 
Wort Fleisch geworden ist, rettet den Rückfälligen vor sich selbst. 
Zweites Bekehrungswunder: die erlogene Lebensbeschreibung ver 
wandelt das beschriebene Leben. Angepackt durch den unbegründeten 
Glauben des Jungen modelt sich der Star nach dem, was er nicht 
war, bricht die getroffene Abmachung und führt seine Mannschaft 
zum Sieg; obwohl der Manager von seiner Vergangenheit weiß und 
ihm mit der Anzeige drohte. Nach dem Sieg stellt sich der entsprun 
gene Häftling freiwillig dem Richter. Drittes Vekehrungswunder: 
der Richter gibt den Helden frei, weil seine Biographie in der 
Jugend des Landes Segen gestiftet hat. Man darf die Jugend nicht 
enttäuschen. Das Schlußbild zeigt den Reporter, wie er gleichmütig 
seine Zigarette in Brand steckt und sich das Seine denkt. 
B. a c a. 
--- Rmaldo Rirraldim. Dieser Räuberhauptmann geht in den 
„Saalburg-Lichtspielen" um, aber nicht in seiner alten 
Gestalt, sondern renoviert, ein moderner Hochstapler, dem sein 
Schöpfer Paul Rosenhayn einen Marchese gegenüberstellt, der ihm 
mehr als gewachsen ist. Die Doppelrolle wird von Luciano 
AberLini gespielt, der zwar kein Douglas Fairhancks ist, aber 
auch seinen Mann stellt, wenn es auf ein rennendes Pferd zu 
springen oder Fassaden zu klettern gilt. Für den Fortgang der 
Handlung sorgen Verwechslungen und ein Bösewicht. Der Film 
ist nach bekannten Mustern gearbeitet und, abgesehen von einigen 
aber auch schon übertrumpften Fixigkeiten Alberrinis, wenig origi 
nell. Von der alten Räuberromantik ist nur dE schwarze Gesichts 
larve noch geblieben. — In dem Beiprogramm wird das Leben der 
Hirschkäfer vergrößert uwd Monty Bancks in einer seiner Grotesken 
gezeigt. ^ca. 
Verbotene Küsse und CharLeston. Die „Bieberbau- 
Lichtspiele" haben ein Rie-senprogramm, zwei Hauptfilme. 
Der eine: „Die Insel der v e r b o t e n e n K üs s e" wurde 
(wie die früher schon gezeigte „Frau ohne Namen") von Georg 
Jacobi uM Ensemble gelegentlich einer Weltreise ausgenommen. 
Die Hintergründe zu diesem Film stammen von Jamaica und 
Britisch-Westindien. Leider tauchen sie nur selten auf, da die in 
Luxuskabinen und auf Promenadendecks spielende Handlung die 
Natur fast völlig verdrängt. Auf einer märchenhaften Insel 
ziehen Küsse die sofortige Zwangsehe nach sich. Aus dieser fik 
tiven Satzung ergeben sich einige Lustspielmotive — die Küssen 
den wollen sich ober wollen sich nicht, usw. —, die viel zu breit 
abgehandelt werden. Immerhin sieht Georg A l ex an d e r .mit 
berußtem Gesicht drollig-hilflos aus, und Elga Brink wirlr 
durch ihr zurückhaltendes Spiel angenehm. Für die Andeutung 
der Exotik ist durch ein Tropenhotel und Palmenparks am süd-. 
lichen Meer gesorgt. Eine schöne Einzelheit ist die Dampferfahrt: 
bei der zwischen den Leuten an Bord und den Zurückbleibenden 
eine letzte Verbindung in Gestalt von Luftschlangen für kurze 
Weile noch aufrechterhalten wird. So sorgen die bunten Papier 
streifen für die Verlängerung des Zusammenseins. — Der zweite 
Lustspielfilm: „E harleston ist Trumpf!" ist vor allem 
M TsnMndigs eine Erguickung- Schlanke Beine werden nach 
der Seite geworfen, daß e§ nur so eine Art hat. Die Haupt 
partner sind Reginald Denny und Laura La Plante, die 
durch den Charleston zum Eheglück kommen. raea. 
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Vo» K° Oodns. L. 60. L6S 
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Moborn, äio seit läusoror Lolt orsobionsir sind. Ls 
18t, ^ouu M3,n 80 ^ill. eins ^.rt von Cau^uiu- 
KomLn; 'ivouiMtonZ ist d3L SebiolLSLl des Leiden 
Obaries LtrieiclLnd dem des krLNLösiseiieii NL- 
iers vor^Lndt. Der luimit. a.uk den os Erbitten niebt 
viel nnicommt, ist icnrs dieZer: Ltrieittand le^dt nls 
ebrsLmer Vörsenmnitter an cker Leite einer literarieeb 
intsresZierten b'ran, die sieb Kanin um ibn kümmert. 
dabrLebnteianK Kbbt or Lrüb Lur Börse und Lebrt 
absnds Turüok; eine barmonisebe Bde. Öie Lar- 
moniH ^ird dadureb gestört, daü er eines la^es 
seine Brau veriällt und auk Limmeniederseben 
naek Baris sntsebivindot. Diner anderen Brau ^e- 
ß:sn? ^der nein: um su malen. Br ist ein Be 
sessener, ein vidervmrtiLbr Leri, aber ist Lu^ibieb 
ein Cenis. Bis Beute laeben über seine Bilder; er 
bunkert un-d malt. Der einÄ^s Nenseb, der dib Be 
deutung Ltrielciands ermillt, verliert seine Brau an 
ibm Oie Brau bleibt auk dsr Ltreeke, -weil Ltrieb- 
land sio über seiner Uawrsi verÄllt. Bann sebläZt 
sieb das Bnsebeuer in Narsbilisr Äatrosenkmeiuen 
dureb und sebiM sieb naeb ll'abiti ein, sieb ssins 
Visionen ertüllsn. V^Lbrend die Bilder in Duroua 
bereits pbantastisebs Brei so erzielen, ^ebt ibr 
Lebövksr an der Beura ru Crunds. — Ds liest niebts 
an den Babten. die Borm des Leriebts ist entsebei- 
dend. Nausbam br^äblt im leb-ll'en. sr sibt sieb als 
iunser Rann, der rukällis die Lauutuersonen Bennen 
sslernt bat, sie später nieder aus den ^.ussn ver 
liert und so erstaunt vüs nur irgendeiner ist. daL 
der unsebsinbars Ltriebland sieb als berübmter 
Nalsr entpuppt. Bas Bekerat ist ein unnaebabmiiebss 
Oemiseb aus Larbasmus und Lacbliebkeit, präcis in 
Wdem Ltrieb und von einer Barmlosisbeit an der 
Obsrkiaebe, die auk sekäbrliebe Untergründe 2u 
geblieben erlaubt. In der ioeber gefübrtsn Land- 
lung sitzen seistreiebs Nonologs und Cespräebs, die 
sieb ^vis ^.rabssben ausnebmen. Ibre 2üge sind 
mebr als ein Brsatr kür psvoboiogisebs ^nalvsen. 
ibr rsrstreutss Binklattern sntspriebt der rerstreu- 
tsn Vv slt in dsr ^vir leben. Bas Bbänomsn Ltrieb- 
lanck tritt kurebtbar und unbsMÜnglieb aus dsr 
msnsebliebsn Bmvelt bsrvor: Baris und labiti. dis 
Lintsrgründe, von denen es sieb abbebt, sind Lieber 
umrisssn. Bsstsebsnd ist die ^Veltbenntnis. die sieb 
okt uur in dsn LsbensätLsn äullsrt. dis Ilsbsrlsgsn- 
Film-Kaurmerspiel. 
— Das Lustspiel: „So ist Paris", das die Ufa-Licht- 
sviele zeigen, ist von Ernst Lubitsch inszeniert, der bei s-mer 
Rückkehr nach Deutschland wie >d«r verlorene Sohn gefeiert worden 
ist. Zwar: HariS kann so nicht gut sein, weil von Pans in dem 
Stück nichts verkommt, aber die Regielrrstung ist auf ;enen feinen 
Kammerspielton gestimmt, der auch Lubitschs „Lady Wmdermeeres 
Fächer" auszeichnete. Die Rcinhardtsche Kunst der Inszenierung 
von Gesellschaftsstücken hat Lubiftch auf den. Film übertragen. 
Handlungen, von denen anzunehmen Ware, daZ ste nur auf der 
-Arechbühne zu ihrer Wirkung^gelangen, verwandelt er rncme 
Anlae lilmoerechter Szenen- Sie bleiben darum doch ^mhnen- 
mamiflripte: aber die persönliche Kunst deS Regisseurs^ 
bas UnNwgttche und zaubert aus ihuen emeu guten. Film hervor. 
Von kaum einem andern als von Lubitsch freilich Ware ihre Vcr- 
Das Stück ist ein Vaudeville, ein pofsmhafk!s Nichts ES der 
Gesellschastssphäre. Ein leichtlebiger. ^e^Monte Blue) 
nimmt einen verjährten Flirt mit erner verheiratete 
wieder auf, deren Mann sich vergeblich der Frau des anderen an- 
zunähern sucht. Fledermausmotive klingen an eS^ kommt zu erner 
Haftstrafe, die der Falsche absitzt, und am Ende lost sich dre Ver 
wicklung, die keine ist, wohlgefällig auf. 
Diese winzige Bagatelle wird von Lubitsch ausstaffieri. Ent 
scheidend chp"nicht die Handlung, sondern di« Vttqmckung und. 
Das Beiprogramm enthalt Zwei von jenen a m er r k a n r ch e n 
Grotesken, deren wir jetzt genug gesehen haben. Wrr,Hasen kaum 
eine Gelegenheit vorübergehen lassen, bei der wir mch dre Lei 
stungen amerikanischer Darsteller aus dem Gebret dieser besonderen 
Filmgattung gewürdigt hätten, die eine eigene Schöpfung Amenta^ 
ist Wer nachgerade scheint sich drüben eine Grofesken-Jv- 
düstrie entwickelt zu haben, deren Erzeugmsie mrNderwertrg 
sind. Es ist nicht eben angenehm, sie immer wieder absitzen zu 
müssen.
	        
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