Skip to main content

Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.06/Klebemappe 1927 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

nicht vollends verschlissen werden. 
eseL. 
Wer Gelegenheit der Aufführung des FTms in den 
FrsnkfVrter Msrrmrmia-LWMeLen.) 
^Mein Heidelberg . .I Früher wurden zu Texten 
Schlager geschrieben, heute werden die Schlager verfilmt. Der 
neueste: „Mein Heidelberg, ich kann dich nicht ver 
gessen . . »" hat einen Film auf die Leinwand beschworen, der 
genau so gut Zu jenem anderen Schlager von dem in Heidelberg 
verlorenen Herz paßte, mit dem allein es eigentlich schon genug 
gewesen wäre. Jedenfalls ist der Heldin ihr Herz dmt abhanden 
gekommen;, es ging an einen leider zu früh verstorbenen Stu 
denten verloren, es ist an den bebänderten Burschen hängen ge 
blieben, die immer noch, im Film wie im Leben, ihre Gesichter 
mit Schmissen verzieren^ den Komment peinlich befolgen und mit 
der alten Burschenherrlichkeit auch die anderen Herrlichkeiten von 
früher erneuern möchten. Es ist verloren, Hr Herz, und sie kann 
es an der Waterkant' nicht wiederfinden, wo sie als Frau eines 
Großreeders, den zu ehelichen niemand sie zwang, im Geld nur 
so schwimmt. Der Großreeder, der reich genug ist, um sich sogar 
ein großes Herz leisten zu können, hat mit der Frau etwas aus- 
zuhalten. Denn blickt sie in den Nachthimmel: welchen Namen bil 
den die Sterne? Heidelberg. Hört sie ein Grammophon: was 
tönt ihr entgegen? Der Schlager. Tut sie wie stets überhaupt 
nichts: womit beschäftigt sie sich? Mit Heidelberg, seinen Rapieren 
und Mützen. Heidelberg überall. Zuletzt entflieht sie an den Ort 
ihrer Sehnsucht — warum die Flucht, wo der Mann hätte mit 
reisen können? —„ wandelt im Mondenschein auf der Schloßter- 
raffe, als sei sie ein Volkslied mit dem bekannten Blick auf den 
Neckar, und wird von dem ihr im Tourenwagen eigenhändig 
nachsteuernden Gatten anderen Tags entseelt am Grab des leider 
zu früh verstorbenen Studenten in Großaufnahme betrauert. Ihr 
H-erz hat sich wiedergefunden, das des Großreeders ist gebrochen.— 
Manchmal heißt die Stadt auch Wien. Heidelberg und Wien: 
schöne Städte. Sie sollten durch eine nichtsnutzige Filmromantik 
Schirmen die steile Köh'. 
Meldung der „Frankfurter Zeitung": 
Die Absicht eines Sommertheaterdirektors, den «Prin 
zen" Harry Domela im Theater am Nollendorfplatz 
in einer Rolle in „Altheidelberg" austreten Zu lassen, 
Hai Zu einem Konflikt mit der Ufa geführt- 
Dieses Unternehmen, das sich als eigentlichen Pächter 
des Theaters betrachtet, hat bereits vor einigen Tagen 
gegen die Absicht des Theaterdirektors Hut, der als 
Unterpachten: fungiert- Einspruch erhoben. 
Die Ufa weigert sich, den „Prinzen" Harry Domela in einem 
von ihr gepachteten Theater als Prinzen auftreten zu lassen. Die 
Ufa — das ist Herr Hugenberg. Herr Hugenberg erachtet es 
als ein Gebot der Stunde, sich schützend vor Prinzen zu stellen, 
selbst wenn sie nur Theaterprinzen sind; im Interesse des Prinz- 
Rchen Standes. Herr Hugenberg ist so zart veranlagt, daß ihn 
bereits der Schatten einer Kränknug des Monarchenberufs ver 
drießt. In meinen Räumen nicht, sagt Herr Hugenberg, und 
weist dem Harry Domela die Tür. Herr Hugenberg fürchtet, 
Prinzen kannten verletzt werden, die vielleicht doch noch ein 
mal . . während er die Republik gewiß nicht darum für unver 
letzbar hält, weil sie unverletzlich ist. Herr Hugenberg wird in der 
Ufa Filme inszenieren lassen, von denen nicht zu besorgen ist, 
daß sie echten Prinzen zum Schaden gereichen. Herr Hugenberg 
stellt sich auf die Seite der Schwachen, die durch die Republik 
benachteiligt worden sind; wenn auch nicht finanziell. In seinen 
Theatern finden echte Prinzen stets ein Asyl. 
Der SonKnertheaterdirektor wird Harry Domela an anderer: 
Stelle den Karlheinz spielen lassen müssen. Es wäre schade. 
Wenn nicht endlich einmal ein Karlheinz auf den Brettern erschiene, 
der sich im Leben Anderer als Prinz bewährte. Der durch sein 
Auftreten Republikanern GeLer und Ehrenknickse entlockte. Der 
ein Prinz war, weil er in der Wirklichkeit von erfahrenen Herren 
unb-Damen sür einen Prinzen gehalten wurde. Der haarscharf 
bewies, daß sogar in der deutschen RepÄÄk zu einem Prinzen 
nichts weiter gehört als eine so und so beschaffene Figur. Der 
in der Öffentlichkeit klarlegte» was sich RepuMkaner von der 
Art Hugenöergs von einem Prinzen erwarten. 
k / 
--- Der Mm„Primanerliebe", der in den Breber- 
bau-Lichtsptelen läuft, enttäuscht angenehm. Schüler- ,6- 
tragödien sind schon wiederholt kitschig verfilmt worden. . 
Dieser Film dagegen zeigt ein glaubhaftes Geschehen (Manu 
skript: Dr. Alfred Schirokauer), sorgfältige Regie 
(Robert Land) und vor allem eine anständige Gesinnung. 
Er ist gut, Eltern, Lehrer und auch junge Leute sollten ihn 
sich ansehen. 
Eim Primanerklasse an einer heutigen Schule. Der Held, 
von Wolfgang Zilzer sympathisch verkörpert, wächst bei 
seinem Onkel auf, der es mit der Strenge zwingen will. Fritz- 
Kortner: dumpf und bedrohlich, nicht nur der Junge 
müßte Angst vor ihm haben. Der Junge liebt natürlich ein 
Mädchen aus Selekta, von Grete Mosheim gespielt, 
die blond, frisch und nett ist. Eine geheime Schülerkneipe 
findet statt, bei der ein anderer Primaner erwischt wird. Er 
hat ein Stipendium, liebt eine Kellnerin und erschießt sich, 
weil er die Ausweisung aus der Anstalt nicht überleben 
könnte. (Bildhübsch ist dieser Mattin Herzberg, der den 
Jungen in verwachsenen Kleidern darstellt.) Der Freund des 
Verstorbenen kann die Trauerfeier in der Schule nicht er 
tragen und stiehlt stch davon — ein Verstoß, der zu seiner 
Relegierung führt. Aus Furcht vor dem Vormund will auch 
er sich erschießen. Es kommt nicht dazu, da er zunächst aus 
dem Revolver einen Streifschuß auf einen Sänger abgeben 
muß, der gegen jene kleine Selektanerin handgreiflich wird. 
Gerichtsverhandlung. Freispruch. 
Auch in der älteren Generation sind die angenehmen und 
peinlichen Typen gerecht verteilt. Neben dem humanen Direk 
tor findet sich als Hauptperson der Studienrat Jaro Fürths, 
ein Pädagoge der alten Schule und, alles in allem, eine 
einzige bärtige Gemeinheit. Agnes Sträub ist die freund 
liche, etwas verschüchterte Frau des Onkels. Eine Glanz 
leistung Adolphe Engers als Mädchenschulprofessor; 
dümmlich und rosa. 
. Als guter Regieeinfall verdient die folgende Szene hervor 
gehoben zu werden. Die Klasse hat das Auflatzthema zu be 
handeln: „Welche Lehren sind aus dem Weltkrieg zu 
ziehen?" Unser Held, dessen Vater gefallen ist, fordert die 
Brüderlichkeit der Menschen. Der Streber der Klaffe, dem man 
den zukünftigen Reserveoffizier ansähe, wenn es noch welche 
gäbe, schreibt von frischfröhlichen Reiterliedern usw. Hinter 
diesen Aufzeichnungen sieht man die Jungensgesichter auf 
blitzen, und die Lächerlichkeit der vom Streber hingeschmetter 
ten Phrasen wird durch den Ausdruck der Gesichter drastisch 
belegt. 
Der Film ist vom Zentralinstitut für Erziehung und Unter 
richt als künstlerisch wertvoll anerkannt worden. Wahrschein 
lich dankt er die Anerkennung zum Teil dem Kompromiß am 
Ende. Der Studienrat nämlich, der mehr als eine Rüge ver 
dient hätte, läutert stch sozusagen, und ebenso beschließt der 
Onkel wider jedes Erwarten, in Zukunft nicht mehr hatt gegen 
seinen Neffen zu sein. Aber diese Zugeständnisse mögen hin 
genommen werden, denn der Film steht sonst hoch über der 
Durchschnittsproduktion. Lucu. 
-- England-Aegypten. In d« Neuen LichLbühne Wust 
der von Lothar Mendes nach einnn KrimLrMromau von Mühlen- 
Schulte inszenierte Film: ^ie drei KuckuSSAhren . 
Da er zum Teil in Aegypten spiest, ist Mendes nach Kairo aeveist 
und hat einige gute Dampfer- und Straßenaufnahmen mitgebracht. 
Die Handlung wird im übrigen mehr illustriert als verfilmt. Sie 
ist spannend und unwahrscheinlich. Ein romantischer Lord laßt sich 
durch einen Brief und drei Kukuksuhren dazu verführen, seinen 
Landsitz zu verlassen, in dem er einen ansehnlichen Goldschatz ver 
wahrt, und sich in die Höhle der Verbrecher nach Kairo zu begehen. 
Der Hauptschuft wird durch.Albert St ein rück brutal und ab- 
g-efeimt dargeMt. Man fleht auch wieder den schönen Nils 
Asther, der an Ramon Novarro erinnert und stets sympathische 
junge Männer verkörpert. Lillian Hall-Davis hat sich die 
Hosenrolle eines kleinen Japaners zugelegt, in der sie anzieh^d 
wirkt. In dem Buch kommen Alligatoren vor, die den abenteuer 
lichen Lord verschlingen sollen. Wo bleiben die Alligatoren im 
Film? Wer auch ohne sie gibt es Sensationen genug, die freilich 
etwas grobnervig aneinandergereiht find. — Im Beiprogramm ist 
der Pola-Negri-Mm: „Die Frau des Kommandeurs" 
wieder ausgenommen, den man gut zweimal sehen kann. Super 
mann erweist sich nicht als die schlechteste Unterlage für einen an 
ständigen Film. Man erkennt aus diesem Film der Vorkriegszeit 
u. a., wie endgültig vergangen die wilhelminischen Offiziere sind 
— oder doch sein sollten. Das kleine Ladenmädchen, die Kokotte, 
die große Dirne; alle Möglichkeiten werden von Pola Negri be 
herrscht. R-aen. 
— Gauner im Frack. Das ist ein hübscher Film, der jetzt in 
den, Alemannia-Lichtspielen läuft. Wir werden uns 
hüten, die Tricks zu verraten, die von den beiden Hochstaplern an 
gewandt werden; genug, wenn wir versichern, daß sie sich mit Er 
folg auf die Höhe der Pariser Gesellschaft schwingen, eine Geigen- 
künstlerrn kreieren, von einem anderen, größeren Gauner Schlim 
mes zu erleiden haben und schließlich, mit der Aussicht auf eine 
solider unterbaute Zukunft, in die Hände der Polizei geraten. 
Nils Ast her, der Hauptschwindler, gelangt durch seinen Charme 
nach oben; das heißt hier: zu einem Posten im Justizministerium, 
einer Zimmerflucht im Clartdge-Hotel und einer richtigen Gräfin 
Entzückender noch der zweite Schwindler: Paul Hei bemann. 
Ein früherer Zauberkünstler, der Eier aus Tüchern, und Geld 
scheine von Ladentheken zaubert. Er macht das mit verschnörkelten 
Armbewegungen, die er auch bei normalen Handreichungen nicht 
lassen kann; als stünde er immer Noch auf dem Podium. Dabei ist 
er ein freundlicher Bursche und viel sympathischer als die soge 
nannten anständigen Leute. Die Frauenrollen sind weniger gut 
beseht, aber das Ganze ist doch ein netter Ulk, der anspruchslos zu 
erhertern vermag. Was nicht von allen Posten sich sagen läßt. — 
Ern alter Harald Lloyd-Mm geht voran. Uaca.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.