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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.06/Klebemappe 1927 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

unter allen Umständen mit ihnen zu rechnen. 
Ferner streifte 
Weizmann Klagen der Jewish Agency. Er gestand zu, 
daß ihre Erweiterung Gefahren heraufbeschwören könne. Doch sei 
diese Erweiterung schlechterdings unabweislich. Den Vorschlag 
der Opposition, die Einbeziehung der Nichtzionisten in die Jewish 
Agench auf ökonomisches Gebiet zu beschränken, bezeichnete er 
als töricht. Der Kongreß habe die Jewish Agency beschlossen; 
er solle ihr die Chance gewähren. Zum Schlüsse betonte Weiz- 
mann nochmals die Unabänderlichkeit der von ihm eingeschlage 
nen Politik und ermähnte den Kongreß, für die Behebung der 
Krise gu sorgem 
Langanhaliende Ovationen wurden dem Redner zu Teil. Die 
Sitzung schloß um ^2 Uhr. 
drückte sein Bedauern darüber aus, daß die palästinensischen Schutz 
truppen nur zum geringsten Teile aus Juden beständen. Der Friede 
in Palästina, von dem die Exekutive spreche, sei zwar zur Zeit vor 
handen, doch gebe es Symptome, die auf künftige Unruhen 
und Auseinandersetzungen Hinwiesen. Natürlich solle keine aggres 
sive Politik getrieben werden; aber die stetige Versicherung der Exe- 
kuttve, daß die Lage in Palästina befriedet sei, wirkte politisch gerade 
zu destruktiv. Die Exekutive, gegenderenWied erwähl 
er stch deutlich aussprach, habe der Welt geradezu die Ueberzeugung 
von einer entspannten Atmosphäre suggeriert, während sie die 
politische Krise in ihrer ganzen Furchtbarkeit 
hätte offenbaren müssen. In Lezug aus die Erweiterung der ckewisk 
erklärte er, daß er nur auf wirtschaftlichem, nicht 
aber auf politischem Gebiet für die Mitarbeit der Nicht- 
Zio nisten sei. 
Es sprachen sodann die Vertreter der verschiedenen 
Landsmannschaften. Das Schlußwort Weizmanns 
zur Generaldebatte wird voraussichtlich morgen abend erfolgen. 
Dsr Monifterrksttgreß.^ 
Schlutz der Generaldebatte. — Präsident Dr. Weizmann 
begründet nochmals seine Politik. 
(Sonderbericht der „Frankfurter Zeitung".) 
ML' Bafel, 4. Septbr. Die Generaldebatte, die nichts Be 
merkenswertes mehr brächte, schloß Samstag abend zu vor 
gerückter Stunde. Nach Mitternacht ergriff Dr. Weizmann 
das Wort Zu seiner großen Schlußrede, die seine außer 
ordentlichen Führerqualitäten bezeugte. Bündig und geistreich 
rechnete er mit seinen Gegnern ab. Hinter jedem Satz, den 
er sprach, war sein ausgeprägter Sinn für Realitäten und 
jene staatsmännische Klugheit zu spüren, die auf weite Sicht 
hinaus denkt. 
Zunächst klärte Weizmann den palästinensischen Poale Zion- 
Führer Katznelson auf, daß die direkten Verträge der Organisa 
tion mit den einzelnen Siedlern und Si-edlergruppm sowohl im 
Interesse ihrer größeren Kreditwürdigkeit als auch zur Stärkung 
des Verantwortlichkeit^ in den Siedlern erfolgten; aus 
sachlichen Gründen also und keinesfalls, wie Katznelson unter 
stellt, aus politischen Gründen, die das Zeichen irgend eines neuen 
Kurses wären. Schlagend und pointiert fertigte Weizmann auch 
die Sprecher der Opposition ab: Grünbauw und Jabo- 
tinsky. Diesen warf er in der Angelegenheit der palästinensischen 
Schutzgruppe dogmatische Entstellung einzelner Tatsachen vor. 
Ferner hielt er ihm entgegen, Laß die Frage des Schutzzolles in 
Palästina ein höchst schwieriges Problem sei, das unter keinen 
Umständen saus ka^ou gelöst werden könne. Sicher arbeite die 
englische Verwaltung langsam, aber diese Langsamkeit habe ihre 
Vorteile. Uebrigens habe die Regierung auf dem betreffenden 
Gebiet in einigen Fällen bereits Konzessionen gewacht, und tat 
sächlich bestehe die Tendenz, Industrien zu schützen, die ihre Pro 
duktivität bewährt haben. Die Anklagen Jabotinskys gegen die 
Kostspieligkeit der palästinensischen Mission entkräftete Weizmann 
mit dem Hinweis darauf, daß die Kostspieligkeit zum Teil durch 
das Bestreben, die Leiden auf ihr kleinstes Maß herabzusetzen, 
hervorgerufen sei, zum Teil aber auch sich aus den herrschenden 
politischen Bedingungen erkläre» Dann kam Weizmann auf das 
Verhältnis des Zionismus zur MaudatarumchL 
zu sprechen. Man habe während der Debatte vielfach Unzufrie 
denheit über 'den außenpolitischen Kurs der Exekutive geäußert. 
Es sei ein unverbrüchliches Axiom der Exekutivpolitik, die Or 
ganisation so zu führen, daß man der Mandatarmacht ein Mini 
mum an Verlegenheit bereite. Konflikte mit der englischen Re 
gierung dürfte sich die Zionistische Bewegung um keinen Preis 
leisten. Die ganze Palästina-Politik sei ja tatsächlich im Inter 
esse Englands, doch sei die englische öffentliche Meinung, auf die 
von der Regierung Rücksicht genommen werden müsse., hiervon 
keineswegs überzeugt. Diese Tatsachen seren hart, aber man habe 
Der ZiortPenkorrgreß. 
(Drahtmeldung unseres Sonderberichterstatters.) 
Bafel, 2. Septbr. Aus den KommissionSsitzungen 
des gestrigen Tages wird das Folgende bekannt: Zum Vorsitzenden 
des Permanenzausschusses, der die Personalvorschläge 
für die neue Exekutive auszuarbeiten hat, wurde Kurt Blumen 
feld (Berlin) gewählt, dessen Fraktion, das linke Zentrum, die 
Politik Pros. Weizmanns befürwortet. Weizmann machte den 
Vertretern des linken Zentrums Mitteilung von einem Schreiben, 
in dem bekannte britische Staatsmänner die Zionisten 
ihrer weiteren Unterstützung versichern. 
Ferner ist das Ergebnis der Internationalen Zio 
nistischen Frauenkonferenz (^Vomsn's International 
Monist Organisation) nachzutragen, die unter dem Vorsitz von! 
Lady Samuel vorn 28. bis 30. August tagte. Die Konferenz be 
schloß u. a. die Gründung eines Fonds zum Zwecke ihrer Aufbau 
arbeit in Palästina und des Studiums der Heimarbeit in den 
verschiedenen Ländern, um die Einführung von Heimindu 
strien in Palästina zu fördern, vorausgesetzt, daß sie Aussicht auf 
Erfolg versprechen. 
ch 
Ihren Höhepunkt erreichte die Generaldebatte in der 
heutigen Sitzung'mit der Rede Jabotinskys. Der lebhaft be 
grüßte Revisionistenführer, der übrigens eine zahlenmäßig bedeu 
tungslose Gruppe vertritt, setzte sich für eine stärkere Indu 
strialisierung zur Behebung der Arbeitslosigkeit ein; frer- 
> lich müsse zu diesem Zweck die Regierung die industriefeindliche 
Haltung ändern, die sie in mehreren Fällen bewiesen habe. Ins 
gesamt legte er der englischen Verwaltung einen Protektionismus 
! im Interesse der schwerkämpfenden jüdischen Industrien nabs. Er 
Der Ziorrrste«ko«greß. k. 
Cröffnunzr der Generaldebatte. 
(Drahtmeldung unseres Sonderberichterstatters.) 
Basel, 31. Aug. Zu Beginn der NachwitLagMtzung ent 
spann sich eine Geschäftsordnungsdebatte über den Beschluß des 
Präsidiums, die Redezeit der FAMonsvedner in der General 
debatte entsprechend der Größe der Fraktionen festzusetzen. Gegen 
diesen Beschluß erhoben die Vertreter der Opposition einen 
heftigen Protest, der zur Folge hatte, daß die kleinen Welt 
anschauungsgruppen die doppelte Redezeit wie die Landsmann 
schaften erhalten. 
Zuerst sprachen die Vertreter der drei großen wehr oder 
weniger regierungstreuen Fraktionen. Der jetzt in Palästina 
lebende Rabbiner Meir Berlinaus New York, der Führer 
der orthodoxen Gruppe (Misrachi), vertrat hauptsächlich die 
Forderung, daß der Zionismus auf streng religiöse Grundlage 
.gestellt werden solle. 
Herr Arlosorofs von der Hitachduth (Partei der sogenann 
tem VolkssoMisten, des rechten Flügels der Linken) begegnete 
bei der Linken, die in dieser Hinsicht geradezu nationalistisch ist, 
einem demonstrativen Widerstand, weil er sich der deutschen Sprache 
bediente. Seine Polemik gegen den „politischen Klerikalismus" 
des Vorredners fand den lebhaften Beifall der Versammlung. Als 
schwache Punkte nannte er: die palästinensische Administration, die 
ihrer Aufgabe inmitten politisch delikater Verhältnisse nicht durch 
aus gerecht werde; die zionistische Position in den Vereinigten 
Staaten, die von immer größerer Bedeutung werden müsse; das 
Schwinden der außenpolitischen zionistischen Disziplin, dem im 
Innern gewisse separatistische Bewegungen entsprächen. Ferner 
stellte er fest, daß die geistige Aktivität des Zionismus hinsichtlich 
der Bearbeitung der jüdischen Volksmasse (besonders in Polen und 
Amerika) erlahmt sei. Sein Vorschlag: Schaffung interfraktio 
neller zionistischer Verbände. An eine Kritik der Anleihepolitik der 
Exekutive schloß er den Protest gegen den von einigen bürgerlichen 
Gruppen neuerdings eingeschlagenest Untiarbeiterkurs. Zur Lösung 
der Arbeitslosenkrisis seien drei Grundsätze zu befolgen: Einleitung 
des Abbaues der Arbeitslosenunterstützung; Produktivierung der 
Arbeitslosenfürsorge; Inangriffnahme der Orangenkolonisation. 
Dr. SLephanWise, der bekannte amerikanische Reformrab- 
Liner und Freund des Präsidenten WUon, der auch vor christlichen 
Gemeinden gepredigt hat, sprach für die amerikanische Landsmann 
schaft. Er erwartet mit Zuversicht, daß die Erweiterung der Jewish 
Agency, d. h. die Zusammenarbeit mit den Nichtzionisten zustande 
komme, und kritisierte die Mandatsverwaltung, insbesondere das 
Steuersystem, das für die neuen Kolonien schwer Zu tragen sei. 
Mrnens seiner amerikanischen Freunde sagte er Weizmann Unter 
stützung zu. In Palästina empfahl er Toleranz, auch den Ortho- 
b^en^gegenUöer. ° 7 7 
Der polnische Sejmabgeordnete Grünbaum, der Führer der 
radikalen Zionisten, wandte sich ebenfalls gegen die Beschwichti 
gungsversuche des Präsidiums, mit dessen außenpolitischem Kurs 
Wohl keine Gruppe einverstanden sei. Er protestierte sodann gegen 
die Erweiterung der Jewish Agency (Verhandlungen mit Marshall), 
die eine Desavouierung der zionistischen Agitation bedeutet und 
tadelte heftig die Anleihepolitik Weizmanns. Es komme darauf an, 
daß eine Lösung in nationalem Sinne gefunden werde. 
Heute finden Beratungen in den Kommissionen statt. Die 
Generaldebatte wird morgen fortgesetzt und abgeschlossen werden. 
Hv- Basel, 1. Septbr. Perl Katznelson, der Führer der 
Sozialistischen Arbeiterpartei (Poale Zion) erklärte Zu Eingang 
vsr gestrigen Ubendschung, daß die Zur Schau getragene Ruhe 
kaum der wahren Lage des Zionismus und der Arbeit in Palästina 
entspreche. Die Schwierigkeiten der palästinensischen Situation hingen 
Zum Teil von der politischen Lage ab. Die gegenwärtige Knse sei 
keine Krise in Palästina, sondern eine Krise in derzioni sti s ch e n 
B e w egun g. Er warf der Organisation vor, daß sie den Kontakt 
Zwischen den verschiedenen Elementen der Bewegung Hemme und 
die Möglichkeit, für zahlreiche junge Pioniere zu sorgen, verabsäumt 
habe. Ferner protestierte er, wie der Vertreter der Volkssozialisten, 
gegen die Arbeiterfein-dlichkeit eines Teiles der offiziellen Bewegung 
und gegen die von der Exekutive vorgeschlagenen Einschränkungen. 
Er forderte zum Schlüsse von der Organisation eine Erklärung, ob 
sie mit oder gegen die Arbeiterschaft zu arbeiten gedenke.
	        
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