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--- Ossi Osmalda Co. In dem Film: „Ein schwerer
Fall" tritt ein ganzes Ensemble ausgezeichneter Berliner Schau
spieler auf. Ossi Oswalda selbst, die kleine Hauptperson, bemüht
sich, eine zweite Mary Pickford zu sein, aber die Pickford kann sich
besser- Wen steht man nicht außer ihr alles in diesem Lustspiel, das
sich so anstrengt, lustig zu sein, daß man fast über die Anstrengung
lachen könnte! Da ist Henry Bender, Paul Morgan, Siegfried Arno
und die Meröezirk — lauter Größen, die ihre Sache vortrefflich
machen, nur eben ist die Sache zu winzig, und die rühmenswerten
darstellerischen Einzelheiten ergeben keinen berühmten Gesamteffekt.
Immerhin sei pflichtgemäß verzeichnet, daß das Publikum sich er
heiterte. — Es läuft auch noch ein Wildwestfilm mit Jack
Hoxie, der Tom Mix an Reitfertigkeit und Heroismus erreicht.
Importierter Militarismus.
Wo Fridericus Rex-Filme fehlen, stellen sich Kriegsma
rine-Filme zur rechten Zeit ein. Wir haben keine nennens
werte Kriegsmarine mehr, aber Amerika besitzt dafür eine um
so größere. Seinen Marine-Propagandafilmen nach zu schließen
hat der Militarismus, den es bei uns hat erschlagen wollen, dort
trotz der harten Einwanderungsbestimmungen ein neues Asyl ge
funden. Es ist nicht der schlechteste Witz der sogenannten Welt
geschichte, daß wir ihn wieder aus dem gleichen Land importieren
müssen, das seinerzeit so besorgt um seine Ausrottung war.
Wir: das heißt hier der Ufakonzern. Er hat sich den Film:
„Der Brand im Ostern" von drüben entliehen, der ein
Ausbund unverfälschter militaristischer Gesinnung ist. Ist es ein
Zufall, so doch ein geschickter, daß die Wahl des Zeitpunktes seiner
Aufführung gerade der Zeitpunkt vor den Wahlen ist. Amerika
hilft Lei der Propaganda mit, man braucht sie nicht einmal aus
eigenen Mitteln allein zu bestreiten.
In dem Film wird ein junger Mann Seesoldat. Er will es
eigentlich nicht recht werden wird es aber eben darum um so mehr.
Ein hübscher, frecher Bengel, dessen loses Maul ihm im Dienste
Scherereien genug verschafft. Sein Sergeant treibt ihm die Im-,
pertinenz aus und flößt ihm in den so entstehenden Hohlraum
den Stolz ein, ein brauchbarer Seesoldat der amerikanischen
Kriegsmarine zu sein. Lon Chaney spielt den Sergeanten als
einen großartigen Landsknecht, wie er in den^riegsbüchern stchty
inwendig voller Güte. Wir sind Zeuge der oft sehr handgreiflichen
Instruktionen, die er seinem jungen Untergebenen erteilt, und
wenn es dem Film nachginge, so sollten unsere Herzen bei den
Rohheiten höher schlagen. Wenigstens wird alles getan, um die Ne,
geisterung zu schüren Hinten dampfen die großen Schlachtschiffe,
die Kanonen donnern, ein Boxkampf findet auf Deck des Schul
schiffes statt, weil sonst nicht genug Kämpfe wären, die SeesoldaLen
exerzieren in wundervollen Uniformen wie Bleisoldaten, und jeden
Augenblick könnte ein neuer Krieg losgehen, bei dem jeder
Bengel mitmachte...
Er geht los, damit die Marinebilder einen Zweck haben. In
China. Dort finden laut dem Filmtagesbericht „Unruhen"
statt, die zu einer Gefährdung der Weißen führen. Unter ihnerx be
findet sich ein Ansichtspostkartenmädchen, für das der Sergeant und
sein Seesoldat ein besonderes Interesse haben; denn Liebe und
Militär sind innig miteinander verquickt. Um die Ansichtskarte zu
befreien, feuern die beiden Tapferen Mit ungemeinem Eifer in
die Chinesen hinein. Ein gerettetes Mädchen, eine hervorragende
Kriegsmarine, eine elende Chinesenbande: sollen unsere Herzen
über eine so niederträchtige Propaganda nicht noch höher schlagen?
Schlußbild: der gar nicht mehr impertinente Jüngling, der
jetzt nur noch erprobter Seesoldat ist, quittiert den Dienst und
heiratet das Mädchen. Auf seinem alten Kasernenhof steht er ein
letztes Mal in Zivil und beobachtet traurig, wie der Sergeant die
eben eingetroffenen Novizen anbrM. Er möchte wieder dabei
sein, möchte selbst wieder angebrüllt werden. Immer und immer.
Der Sergeant erblickt ihn, stellt ihn den Neuen als Vorbild hin.
Eine einzige Trauer, kein Seesoldat mehr, nur noch privat mit
dem Mädchen. Im Hintergrund dampfen die Schlachtschiffe.
Morgen sind die Wahlen.
Zu der Aufführung des Films irr den
Frankfurter! Ufa- Lichtspielen.
Koca.
Onkel Tom's Hütte. Dieser nach dem berühmten Roman
der Harrtet Beecher Stowe gedrehte amerikanische Grotzsilm, den
die Ufa-Lichtspiele zeigen, ist als Handlung so überlebt
wie der Roman, der bekanntlich seinerzeit eine gewaltige Wirkung
ausgeübt hat. Man kann weder dis langwierigen Marterszenen
auf den Plantagen noch den Überschuß an Sentimentalität recht
ertragen; immer wieder Peitschenhiebe, grausame Farmer, gute
Farmer und das Geplärr — es ist zuviel. Wider den Geschmack
verstößt aber die Verfilmung des Romans vor allem darum, weil
sie an den gegenwärtigen' Befreiungskampf der Neger in den
U. S. A. erinnert, der nicht verfilmt ist. Solange die schwarze
Rasse drüben als minderwertig angesehen wird, ist es eine Heuche
lei von hohen Graden, die Zuschauer von heute einfach mit ver
gangenen Taten zu blenden. Um ganz Zu schweigen davon, daß
wohl nicht nur moralische Motive zur Aufhebung der Sklaverei
drängten. — Im übrigen bietet der Film gute schauspielerische
Leistungen und veranschaulicht realistisch die Erscheinungen jener
Epoche. Man hat einen eigenen Raddampfer gebaut, der auf
dem Fluß nach Süden zieht, seine beiden Schornsteine qualmen
schwarz, und die Frühzeit der Maschinentechnik steigt leibhaft mit
ihm herauf. Echte Lands-chaf'sbilder, echte Neger und brutale
Farmertypen, die Angst cinzujagen vermögen. Der eine von ihnen,!
der im Irrsinn endet, ist meisterhaft. Ein Kabinettstück der Komck z
ist die Topstz-Szene. Topsy, von Mona Rah gespielt, ist ein-
kleines Negermädchen, dessen Drolligkeit ihresgleichen sucht. Wie
es den Kopf neigt, wie es die Augen mit der Schnelligkeit eincS
Flugzeugs öffnet und schließt, wie es anschleicht. betrügt und
weint das ist eine Spitzenleistung durchaus. Mit dem Einzug
der amerikanischen Befreier läuft der Film in den Hafen des
guten Endes ein. Auf den Negerfilm der Gegenwart wird man
noch warten müssen. , Raca.
--- „Spuk im Schloß " Dieser Film, der als zweiter — neben
Liä" — in den Ufa - Lichtspielen läuft, ruft Sen
sationen der Angst hervor, leicht gemildert durch etwas Humor.
Paul Leni hat zum Teil großartige Jnszenierungsaröeit geleistet.
Zwar flattern Zuviel Vorhänge in dem verwunschenen Schloß,
aber manche Beleuchtungseffekte erschrecken wirklich, und vor
allem sind die Sprünge von der Totalansicht zur fragmentarischen
Großaufnahme beklemmend. Erreicht wird jedenfalls eine starke
Spannung und jene angenehme Art des Gruselns, über die sich
der Zuschauer zuletzt doch erhaben fühlt, da er genau weiß, daß
sich am Ende alles klärt. Es war ein guter Einfall, gerade
Laura La Planta zum Objekt der Spukvhänomene zu machen.
Sie sieht so furchtlos und unberührbar aus, daß ihr Schaudern
doppelt erschreckt. Auch die anderen Darsteller sind vorzüglich;
die ä.tere Tante, die eine Hauptrolle spielt, ist das Muster einer
bösartiger Schachtel.
Sind Frauenherzen käuflich5 Natürlich nicht in einem sran-
Mischen Film, der diese Frage stellt. Er ist nach dem Stück „Aue -
äa 1a ?aix" gedreht und spielt wirklich in dieser Straße in einem
eleganten Modesalon. Seine Heldrn ist Andree Lasayette, die
als Mannequin von schönem Wuchs und unbezahlbarer Treue ist.
Der edle Millionär kann jedenfalls ihre Preisgabe nicht'bezahlen
und muß zuletzt erkennen, daß Liebe sich mit Geld nicht erzwingen
läßt. Die Intrigantin im Modesalon ist Suzy Pie-son, eine
schöne,, schwarze Erscheinung, die man gerne in einer größeren
Rolle sehen möchte. Die Karikatur eines flegelhaften Amerikaners
(Armand Bernard) beweist, wie befremdend das rüde Wesen
mancher Leute aus U. S. A. gerade auf Franzosen wirkt. Geradezu
reizend Fleur Des Champs als eine leicht grotesk unterlegte
Gamine. Es ist dankenswert, daß tie Alemannia-Licht-
spiele auch einmal einen solchen französischen Durchschnittsfilm
Zeigen, den mit den üblichen deutschen Erzeugnissen zu vergleichen
nicht uninteressant wäre. Aaea..
Nach einer kurzen, schweren Krankheit ist Max Scheler
in Frankfurt gestorben. Mit dem erst Vierundfün^igjährigen
verliert das gegenwärtige Deutschland — es ist zu sagen er
laubt: Europa — einen seiner bedeutendsten und merkwür
digsten Geister. Einen Mann, der schon allem darum nicht nur
der Geschichte der Philosophie, sondern der umfassenderen Zeit
geschichte angehören wird, weil er die Geschichte der Zeit in
jenem doppelten Sinn des Worts mit-machte, der besagt, daß
er an ihr gestaltete und ihr zugleich unterworfen war.
Er war im nie verleugneten Ursprung ein dämonischer
Mensch, ein Mensch, in dem sich chtonische Gewalten mit den
Kräften der Kontemplation unzertrennlich verbanden. Die
Leidenschaft, mit der er sein empirisches Leben lebte,
brach in seine Erkenntnisse ein und riß sie stets wieder in
das empirische Leben zurück. Er ist während des Krieges als
offiziöse Persönlichkeit im neutralen Ausland tätig gewesen,
er hat sich in den letzten Jahren in seinen Schriften, bei Kon
gressen und internationÄen Veranstaltungen für eine neue
Organisation der Wissenschaften eingesetzt und die politische
Mentalität des Nachkriegseuropa zu beeinflussen gesucht.
Dämonie ist Mischung, ist mehrfache Bestimmtheit des
Wesens. Manche Wandlungen hat Scheler durchgemacht, und
nicht nur einmal hat er spater verbrannt, was er früher rm-
gebetet hatte. Aber er ist in eine Zeit der allzu großen, allzu
nahen und überdeutlichen Ereignisse g^aten, in der kaum
einer einen Kompaß besaß. Andere mögen stetiger geurteilt
haben als er: sie sind nicht so gefährdet gewesen. Wo immer
er umstürzte oder aufzurichten meinte, bat er M um die