Kulissen. Die Regie ist gut.
kuea.
-- Die große Nummer. Dieser in den Ufa-Lichtspielen
gezeigte amerikanische Film ist eine Reprise. Er spielt im Milieu
der VarietMnstler und hat zur Hauptperson Norma Shearer,
die gerne die Hauptperson sein möchte, ohne hierfür mehr als ihre
gutgebaute Person mitzubringen. Erobert sie auch nicht das
Publikum,, so doch ihren Tanzpartner, der zwar mit ihr nicht auf
dem Podium tanzen, aber doch durchs Leben gehen will. Man
sieht im übrigen einige gute Artistentypen im Umkreis, einen
Impresario in Zigarre und Hut und ab und zu hinter Hie
Der Wagen kommt ins Sausen. Er jagt in den Abgrund
hinein, seine Geschwindigkeit ist nicht zu ermessen. Ein einziger
Schrei bricht los. Jeder muß schreien. Auch wenn er die
Zähne zusammenbiffe, schriee er jetzt.
Die primitiven Instinkte treiben den Schrei heraus. Sie,
die für gewöhnlich von dem festen Gefüge der Dinge erstickt
werden, sind durch die Verwirrung im Aeußern, durch das
Ineinander den Fassade und Holzgerüst freigelegt worden.
Das irrsinnige Tempo erweckt sie vollends, und nun spielen sie
Aufruhr. Die Fahrenden brüllen vor Angst, zerschmettert zu
werden, sie schaudern am Rand der Welt, das Bild der Gefahr
versetzt sie in Schrecken. Ihr Schreien ist elementarisch.
Es ist etwas anderes noch. Es ist auch der Schrei der
Seligkeit darüber, ein New Vork zu durchfahren, dessen Bestand
aufgehoben ist, das nicht mehr zu drohen vermag. Fast scheint
es, als schrien alle, weil sie sich endlich erlöst wähnen. Ein
Triumphschrei: wir sind da, wir schweben mitten im Glück,
wir rasen, weiter und weiter. Das Rasen kann Tod bedeuten;
es ist zugleich die Erfüllung.
Der Schrei dauert an. In einem unaufhörlichen Taumel
wird das Spiel zu Ende gebracht. Die Geheimnisse finstrer
Tunnels werden blitzschnell ergründet, verwischte Fronten
brausen vorbei. Eine wilde Kritzelei ist die Welt geworden. Das
sind nicht Arbeiter, kleine Leute und Angestellte mehr, vor denen
die Brocken stürzen, die Linien rascheln, die Stücke aufrauschen.
Es sind Menschen, die im Augenblick sind, die, fliegenden
Strichen gleich, von einem Pol Zum andern sich dehnen. Vom
Berg ins Tal, «aus der Höhe in die Tiefe und wieder zur Höhe.
Ankunft. Fertig. Die Fahrt hat nur ein paar Minuten ge
dauert und ging quer durch, die Welt. Erschöpft Lebt der Kör
per nach. Auf dem Areal, das der Kosmos war, türmt sich un
nahbar New Nork. In einem Pavillon vor den Kulissen sitzt
ein schattenhafter Mann, der den Betrieb überwacht. Der Mann
ist müd. Er sieht nicht die Wolkenkratzer, die maurischen
Kuppeln und das winzige rote Licht, das im Dunkel schimmert.
Raca.
Am Lunapark von Halensee erhebt sich zwischen dem
Wellenbad und der Reitbahn ein gemaltes New Dort. Bunt
und schwindelhaft fahren die Wolkenkratzerfassaden zum Nacht
himmel empor. In Wirklichkeit bedecken die Kulissen nur einen
mäßigen Raum. Sie dienen einem Schienenstrang als Staf
fage, der sie nach allen Richtungen durchwindet.
Am Samstag abend, dem Morgen der Arbeiter, der kleinen
Leute, der Angestellten, drängt sich die -der Stadt entronnene
Menge vor den Toren der Stadtillusion. Aus ihrem Innern
tönt fortwährend Gekreisch. Manchmal taucht an einer Stelle,
an der er am wenigsten zu vermuten wäre, ein Wagen auf
und verschwindet so plötzlich wie er gekommen. Eigentlich ist
nicht der Wagen selbst zu sehen, sondern ein fliegender Men
schenstrich. Sofort nach der Ankunft füllen sich wieder die
Wagen. Sie sind schmal und lang, jede Sitzreihe reicht genau
für ein Pärchen.
— Almenrausch und Edelweiß. Der tn den Alemann ia-
Lichtspielen gezeigte Film, nach einem bekannten Roman-
vorwurs gedreht, ist ein oberbayrisches Volksstück mit Schmuggler
leben und Liebe. Er paßt für den Sommer, in dsm die Städter
mit der Natur in Beziehung zu treten wünschen. Sie Wi auch
keineswegs; in Gestalt von Hochgebirge und Seen ergänzt sie das
Jäger-, Müller- und Bauernmilieu. Ter - fal, der sich in ihm
huSkennt, ist ein- waschechte HeimatZfigur, und auch KamperS
stehen die Krachledernen gut zu Gesicht. Dem jungen Walter
Slezak ist anzumsrken, daß er am Tegernsee gründlich auf
Aelpler studiert hat. Margarete Kupfer als Bauernweib hat
nur das Kleid gewechselt: die gemeine Seele ist ihr im Dorf wie,
im Salon zugedacht. Ksca.
Die Fahrt beginnt zögernd. Daß sie allmählich an den
Geschoßfenstern entlang aufwärts führt, ist nicht weiter be
fremdlich. Auch die Untergrundbahn klimmt aus der Erde,
und wenn sie schräg nach oben gleitet, können die vielen Steno
typistinnen in die Büroräume blicken," in denen sie sonst
schreiben. Hier freilich, und das ist wunderbar, dringt der
Wagen über jede Hochbahn hinaus, bis zum dreißigsten Stock
werk vielleicht. Die Arbeiter, die kleinen Leute, die Angestell
ten, die werktags von der Stadt niedergedrückt werden,
bezwingen jetzt auf dem Luftweg ein überberlinisches New l
Fork. Sie sind Sieger, die zauberhaft hingepinselten Paläste'
liegen zu ihren Füßen.
Der Wagen ist bei einer maurischen Dachkuppel angelangt.
Seit wann sind Wolkenkratzer mit Kuppeln bekrönt. Eine
scharfe Kurve, und die Kuppel ist fort, der Glanz der Paläste
dahin. Die Fassaden sind nur Fassaden gewesen, simple Ver
satzstücke, die eine riesige Holzkonstruktion auf ihrer Rückseite
verdecken. Pfosten, Streben, Balken: der Kern der herrlichen
Fronten ist ein Gerüst. Soeben noch hatte die Wunderstadt
geprunkt, und nun enthüllt sich das kahle Skelett. Das also ist
New Aork -- eine angestrichene Flache und dahinter das
Nichts? Die kleinen Pärchen sind verzaubert und entzaubert
zugleich. Nicht so, als ob sie die aufgebauschte Stadtmalerei
einfach für Humbug hielten, aber sie durchschauen die Illusion,
und der Sieg über die Fassaden bedeuM ihnen fortan nicht
allzu viel. Sie weilen an dem Ort, an dem die Dinge sich
doppelt zeigen, sie halten die Zusammengeschrumpsten Wolken
kratzer in der hohlen Hand, sie sind frei von der Welt gewor
den, um deren Pracht sie doch wissen.
AuS der Vorkriegszeit. In den Ufa-Lichtspielen
wird, um dringenden Bedürfnissen abzuhelftn, ein Lustspiel:
„DaS Spreewald Mädchen" vorgefuhrt, in dem ein
Leutnant und eine Spreewälderin während der Manöver sich
näherkommen. Der bunte Rock übt seine bekannt- Anziehungs
kraft auf junge Mädchen aus, das Militär zeigt nur seine heite
ren Seiten - kurz: die gute alte Zeit entfaltet sich wieder ein
mal prächtig. Daß inzwischen Krieg war, merkt man dem Film
nicht an. Immerhin hat er ein Gutes: indem er den Glanz des
früheren Soldatenlebens heraufbeschwört, läßt er erkennen, wie
verblichen bereits der Glanz ist. Die Uniformen scheinen aus der
Rumpelkammer geholt, das ganze Gehaben wirkt archaisch. Es hat
sich docy etwas geändert bei'uns seit 1914, und Filme wie dieser
erwecken den Eindruck verstaubter FamilienpoträtS. Nacs.
-. - D-rine und der Zufall. Dieser Film der Al«mannia -
Lichtspiele brmgt eine verführerische junge Amerkanerin mit
drei jungen Herren zusammen, die sie gerne verführten. Aber
das Verfahren ist recht kompliziert. Denn kaum hat sich die
! immer lächelnde, immer tanzsüchtige junge Dame mit d«m einen
^verlobt, so überrascht der sie mit dem zweiten. Der zweite vcr-
lobt sich mit ihr und nun pfuscht der dritte ins Spiel. Lauter
Zufälle, die harmlos sind, aber bedenklich erscheinen. Sie mehren
sich und bringen es schließlich zuwege, daß Dorine doch dem
ersten Herrn anheimfällt, der sie zu lieben behauptet. Fay
MarbS glänzt in schönen Toiletten (sonst ist sie ziemlich uncr-
traglrch), Ernst Verebes ist .vaS man einen .süßen Jungen"
nennt. Ganz nett Hans Thiemig als Verliebter, der einen
! schnupfen hat. Leider wird aus dem Zufall im Film ein Prin-
^^P gemacht. Me Regie erlaubt sich manche Unwahrstheinlich-