Im (Luxushotel.
Raoa.
sitätsprofessoren in unserem Luxushotel nicht anzutreffen find.
Sein einziger Professor ist der für Tennis. Am persönlichsten zu
geschnitten find die Physiognomien einiger älterer Herren. Im
Gefolge des einen von ihnen befinden sich mehrere unsichtbare
Sekretäre, die immer um ihn sind, wenn er sie auch nicht mit
gebracht hat. Ein anderes Gesicht wirkt wie ein Privatkonto mit
ledergepolsterten Türen und wieder ein anderes erinnert an eine
Kaffeeplantage in Holländisch-Jndien. Der Ausdruck wird ge
dämpft durch die Gegenwart der Familien, die nirgends so ein
trächtig auftreten wie in der Öffentlichkeit des Hotels. Sie sind
sorgfältig komponierte Schaufensterauslagen, deren größere oder
geringere Pracht den Reichtum des Besitzers verrat. Ihr Haupt
schmuckstück ist die Dame. Unter den jungen Leuten überwiegen
die SportgeE, die Schultern wie Querbalken haben, an denen sie
selbst lose herabhängen. Die Mädchen bilden kleine Banden wie
in den ersten Bänden von Proust und lachen den ganzen Tag
unbeschwert Zwischen ihren Tennispartien und den anderen Par
tien, die für sie angebahnt werden. Bonnen in weißen Hauben
beschirmen die Kleinen, die später auch einmal lachen können. Für
die größeren Kinder ist ein eigener Tennisplatz angelegt, auf dem
sie sich standesgemäß üben. Kein Laut der Welt dristgt herein.
Daß sich unser Hotel in den Alpen befindet, lohnt nicht der
Erwähnung; es könnte ebenso gut in der Ebene liegen, am Meer.
Streng genommen liegt es überhaupt nicht in einer Landschaft,
sondern ist das Panorama, auf das die Landschaft sich ausrichtet,
um defsentwillen sie als Landschaft erst Beachtung verdient. Pa
noramen sind Blickpunkte, sie genügen sich selbst. Da der Gesell
schaft die Natur, die allen gehört, zu wenig luxuriös ist, gestattet
sich das Hotel den Luxus einer eigenen, die gesellschaftsfähig ist.
Sie zeichnet sich vor der landesüblichen dadurch aus, daß sie aus
Tennis- und Golfplätzen besteht — eine Natur für Klubmitglieder,
von früh bis spät fliegen die Bälle. Die Sonne kommt bestenfalls
Wettspielen zustatten. Das Alpenglühen «oird dm Hotelgästen
Unser Luxushotel vereinigt eine internationale Gesellschaft:
Hochfinanz, Aristokratie, Großindustrielle, Arrivierte aus freien
Berufen und Erben. Ist je ein Krieg gewesen? Man merkt es
hier kaum. Unter dem Schutz des Kellogg-Paktes geben sich Bevor
zugte der verschiedenen Nationen dem Genuß eines Friedens hin,
der um so tiefer ist, als sie für ihren Teil auch das soziale Problem
bereits gelöst haben. Vor lästiger Neugier sind sie durch den drei
fachen Riesenwall der Pensionspreise besser behütet als durch An
schläge, die Unbefugten den Zutritt verwehren- Sie wollen nicht
gesehen werdendste wollen sich gegenseitig zeigen, ohne sich zu ge
wahren. Kein Laut der Welt dringt in ihre Enklave: es sei denn
ein Hochstapler, der aber nicht laut ist, oder das Kursblatt, das
wahrend der Saison die Ruhe nicht ernstlich zu stören vermag.
ersten und zweiten Ranges überlassen. Bei Regenwetter fliegen
die Bälle im Innern des Hauses. Ob Saalwand, ob Bergwand:
die Umgebung umgibt nur die Sports.
Mit der Eisenbahnstation hat unser Luxushotel nichts Zu tun.
Seine Gäste kommen überhaupt nicht an oder reisen gar umständ
lich ab, sondern sind einfach da, ohne eingetroffen zu sein, und
verflüchtigen sich ebenso unbemerkt. Ein Vakuum klafft zwischen
ihrem Aufenthalt im Hotel und dem an anderen Orten. Vor
dem Psrück wartet ein Automobil, aber es ist ungewiß, ob es
nur eine Spazierfahrt unternimmt oder mit seinen Insassen für
immer entrollt- Freilich auch dann fahren sie spazieren. Der
Chauffeur trägt eine weißblaue Livree.
In mittleren Filmen wird mit Vorliebe ein höheres Gesell
schaftsleben dargeboten, das in den kleinen Leuten Sehnsucht er
weckt. Auf der Leinwand Wesen Herren und Damen, die der
Filmregisseur mit einem schlechterdings unirdischen Glanz um-
woben hat. Sie gleichen den Lilien auf dem Felde: statt der
Sorgen haben sie Jachten. Ein Paradies, das nicht wirklich sein
kann, das offenbar nur zu dem Zweck gestellt ist, damit das
Publikum sich für eins Stunde über den Alltag erhebt.
Das Märchen ist wahr, und so wenig wie die Sonnenunter
gänge auf Oeldrucken sind seine Figuren erdichtet. In den Luxus
hotels lustwandeln sie höchst dreidimensional. Die Frage ist nur,
ob sie zu flüchtigem Dasein aus der Leinwand getreten oder jene
Films nach ihrem Vorbild geschaffen sind. Fast scheint es, als
lebten sie allein von Gnaden eines imaginären Regisseurs.
Der Müßiggang ist im Luxushotel eine Modenschau. Jede
Sportart erfordert ihre eigenen Kombinationen, und der Pullover
wie die blaue Golfjacke erlangen die Bedeutung von Charakter
zügen; jedenfalls ziehen sie stärker als ein Charakter, der schlecht
angezogen ist. Es gibt mehr geheime Zusammenhänge zwischen
Krawatten und Socken, als die Mittelschulweisheit sich träumen
läßt. Abends prangen die Gesellschaftstoiletten, aber keineswegs
jeden Abend die gleichen; obwohl die in ihnen geführte Konver
sation sich in der Regel gleich bleibt. Nicht nur durch die Not
wendigkeit des fortgesetzten Kleiderwechscls ist der Tag so aus
gefüllt wie der eines Angestellten. Den Matchs und Konkurrenzen
sich fernzuhalten verstieße wider — die Unsitten; der Dbä äansant
gehört zu den Nachmittagspflichten; die Bälle und Kostümfeste
wollen mitgemacht sein. Mittelpunkt ist die Halle, ein weitläufiger
Gesellschaftsöahnhof, aus dem man nach einem peinlich geregelten
Fahrplan zu den Sportplätzen, dem Speisesaal und der Bar ent
schwindet- Die ununterbrochene Kette von Tätigkeiten verleiht dem
Nichtstun das gute Gewissen, mit dem freilich nichts weiter getan ist.
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Das Haarsieb mondäner Geselligkeit läßt individuelle Eigen
heiten nur spärlich durch; um ganz davon abzusehen, daß Univer
In äsr Lammlung „BbilosoMs unä deistes-
wi-ssensobattsn" bat Lrisb Rotbaeker als rrwsi-
ten Land äsr „Xeuäruoke" (Lalle. Max Memevei.
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sebwer LugängUobs Zebritt „Das Bolitisobe
Lesnräeb" von 1836 unä sins Reibe von Hueb
Isnstellen aus seinen Lodritten nur Lrläuterung sei
ner erksnntnistbeorstisebsn 6-eäanken berausgegebsn.
Xls Band 25 unä 26 äer ..Hassiker äes Alter
tums", äis unter Leitung Banns Lloerkes im Bro-
vvläen-Verlag (Berlin) ersebeinsn. sinä Zeusens
b ilo s o nb is eb e 8eb ritten" berausge-
kommon (XXXIX, 465 unä XIX, 528 Zeiten. Heb.
10). Die stattlisben Bände sntbalten eine Reibe
von Xbbandlungen unä äis Vriets an Dueilius.
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DebsrsetLung von August Baubv unä X. Laakb äis
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Bände veröttentUebt werden — in diesem labre
mit einem dritten Bande dervor ( VI. 362 Zeiten,
geb. 15). Lr wird von IViUv Moog in Ver
bindung mit rablreieben Laedgenosssn bsrausge-
gebsn. Von den trüberen Bänden untersebeidst er
sieb darin, daü er niebt einem bestimmten Launt-
tbema gewidmet ist, sondern einen abgeseblossenkm
OesamtüberbliiL über den gegenwärtigen Ztand
der vbüosovbiseben Lorsebung auk den versebieds-
nen Gebieten sieb 2u geben bemübt. Unter äsn
Xutoren dieses Bandes seien Lrnst Oassirer,
Dbsoäor 2iebsn. Xltred Viorkandt und Lmil!
Dtits genannt. Man wird sur Intormation um so
lieber 2u dem dabrbueb greiken. als ibm eine aus-
tübrliebs Zusammenstellung der ieweils besvroebe--
nen Literatur beigegeben ist. Mob seinem Vor
bild sollen aueb äis tolgenden Bände aukgebaut
weräen.