ü I / 2 -» ^7
Ernst Lubitsch: „Alt-Heidelberg" im Ufa.
Es lassen sich Einwände gegen den Film erheben, aber er
ist entzückend gemacht. Das muß gleich zu Anfang gesagt
werden.
Man kann etwa fragen, ob es notwendig war, zu Wilhelm
Meyer-Förster zu greifen, wo doch der Stoff auf der Straße liegt.
Man kann fragen, ob es uns ansteht, das schwere Geschick eines
- Fürstensohnes zu glorifizieren, während zahllose unbekannte Men
schen ein viel schwereres erleiden. Es steht uns nicht an, und die
Fabel ist tatsächlich trotz der zeitgemäßen Jronisterung ein Ana
chronismus.
Doch wie anfechtbar immer das Sujet sei, das Lubitsch
seiner Popularität wegen gewählt: er hat es mit einem Witz
und einem Sinn für zarte Wirkungen gestaltet, über die heute
nur ganz wenige Filmregisseure verfügen. Man halte die üblichen
Erzeugnisse der gegenwärtigen deutschen Produktion daneben, um
den Unterschied Zu bemerken. Schon in „Lady Windermeres Fächer"
hat Lubitsch gezeigt, wie sehr er sich auf Nuancen versteht und
aus geringfügigen Gesten die Bedeutung herauszuholen vermag.
Er stammt noch aus der alten psychologischen Schule; das ist
nicht immer und gewiß nicht bei ihm ein Schaden.
Nun hat er, ein höchst merkwürdiger Fall, in dem amerikanischen
Hollywood eine versunkene deutsche Wirklichkeit wieder.erweckt.
. Es zeugt für ihn, daß er zum Zweck solcher Beschwörung keines-
z Wegs das bekannte Theaterstück mechanisch in die Filmsprache
l übertragen, sondern so weitgehend verändert hat, daß eigentlich eine
neue Handlung entstanden ist. Ihr Gehalt begreift teilweise den
des Romans: „Königliche Hoheit" mit ein. Wie in dem Werk
Thomas Manns, so steht auch im Film der Lebenslauf des Prin
zen im Mittelpunkt. Kaum zu erwähnen nötig, daß Lubitsch nur die
Oberfläche abbildet, deren Scheinhaftigkeit Mann gestaltet. Aber
immerhin, er übernimmt noch etwas aus der Sphäre des Buchs.
Er führt den Prinzen schon als Knaben vor, der in einem Park
hinter Gittern wie in einem Käfig gehalten wird. Er läßt ihn
die Farce des Abiturientenexamens durchmachen und verwandelt
Alt-Heidelberg in eine Episode dieses belanglosen Glanzlebens
zurück, in die einzige Episode, die mehr ist als äußere Herrlichkeit.
Ihre Bedeutung wird unterstrichen durch die ausführlichen Schluß
szenen, in denen das höfische Milieu wie eine undurchdringliche
Hecke um den Helden hochwächst.
, Der Film hat einen bewußt spielerischen Charakter, den zahl
reiche glückliche Einfälle festzuhalten und geschickt zu steigern wissen, j
Reizend arrangiert ist am Anfang und Ende das Zylinder-
geschwenke Lausender treuer Untertanen; eine gelungene Simpli-
zissimus-Satire das Ballspiel des Knaben mit drei Lakaien; muster
haft der leichte Spott, mit dem die zeremoniellen Ereignisse trak
tiert sind. Lubitschs künstlerischer Geschmack sorgt dafür^ daß nir
gends plump übertrieben wird. Stilsichere Assoziationen und Ueber-
gänge verstehen sich bei ihm von selbst. Im Gegensatz zu den
Durchschnittsregisseuren arbeitet er eben nicht mit festem Schema,
sondern gruppiert von Fall zu Fall. Wie ausgezeichnet ist, um
nur das noch zu erwähnen, der Endauftritt, in dem der Fürst an
der Seite der hohen Gemahlin durch die Residenz fährt. Von der
ganzen hohen Gemahlin ist nur ein Stück Kleid über den Knien
zu sehen.
Kompromisse und Nachlässigkeiten seien nicht verschwiegen. Hie
und da ist die Sentimentalität knüppeldick; so hätte uns die Nacht
wiese mit dem funkelnden Sternenhimmel darüber getrost erspart
werden können. Das Corps Saxonia gibt sich zuerst ein wenig gar
zu drastisch (dafür kommt freilich sein späteres Ersterben vor dem
inzwischen zur Durchlaucht Aufgerückten um so besser heraus).
Die Architektur des fürstlichen Krähwinkels ist nicht naturecht
genug.
Schwerlich wird es, einen charmanteren Karl Heinz als
Ramon Novarro geben. Er ist ein bildhübscher, anständiger
Junge, der den Mangel an außergewöhnlicher Intelligenz durch
gute Manieren und unmittelbare Gefühle ersetzt. Auch der Dr.
Jüttner Jean Hersholts ist porträtähnlich getroffen, während
Norma Shearer als Käthi nicht durchaus überzeugt, so sehr ste
, ihr Herz auch verloren hat. ;
/ n n .
Ein alter Douglas FairbankZ-Film. In der Neue«
Lichtbühne wird ein vor vielen Jahren gedrehter Film: „D e r
vierte Musketier" gezeigt, der nach dem Roman von
Alexander Dumas fabriziert worden ist. Vielleicht hat er damals
als Prunkfilm gegolten; heute ist er nur noch ein Mönches
Kuriosum. Es handelt sich in ihm um verzwickte höfische Kabalen^
in deren Mittelpunkt der Kardinal Richelieu steht. Er wirkt wie
ein Schmierenintrigant, und Adolphe Menjou, sein Gegenspieler,
ist nun einmal trotz des angehefteten Spitzbärtchens kein König,
sondern ein süffisanter Lebemann. Auch Bronnens längst verstor
bene Barbara La Marr muß übrigens in der Geschichts-
Maskerade herhaltem Douglas Fairbanks selbst hat inzwischen
entschieden Fortschritt« gemacht; denn als vierter Musketier fM
er zwar so trefflich wie heute, aber sein Auftreten ist von einer
kaum zu Lberbietenden Tölpelhaftigkeit. — Der vorangehende
amerikanische Kinderfilm — einer der vielen, in denen Laus
buben sentimental glorifiziert werden — Wäre vielleicht zu er»
tragen, wenn man nicht wüßte, daß» aus den Lausbuben später
Amerikaner werden, die wieder solche Film« herstellen.
stre».