Grotische Iilme.
Berlin, 4m Mat.
Zur Zeit laufen hier einige groß aufgemachie Filme, die in
allen möglichen fernen Zonen spiel m, nur nicht bei uns. Ss wird
im am Zoo ein Expedit isnSfilm Sv^n
H nS gezeigt, der von Paul Lieberenz hergestE ist. Aus-
§Äihn't wie die Mongolei ist auch der Film. Man zieht mit
Schweden, Deutschen, Chinesen und Huberten von Kamelen durch
Sand- und Steinwüsten, die gar nicht enden wollen. Immer wieder
werden die Zelte angepflockt und immer wieder nach kurzer Frist
abgerissen, weil faustischer Drang die Forscher durch neue Wüsten
treibt. Sie gleichen den alten. Manchmal taucht ein noch unbe
kanntes Kloster auf, in dem gerade religiöse Tänze verunstaltet
werden. Oder es weht der „Sturm über Asien", ein ganz entsetz
licher Sturm, der mitten durchs Lagerleben fegt. Oder die Kamele
wollen ihre Lasten nicht mehr tragen- gebärden sich widerspenstig
und machen Revolution. Vielleicht sind es gar keine Kamele. Auch
die Meteorologie ist gebührend berücksichtigt, und die Kleintierwelt
wird in Großaufnahme dargestellt. Man übersähe sie sonst, ihrer
Winzigkeit wegen. Kurz, es ist beinahe so, als seien wir seW in
der Mongolei gewesen. Verweilte der Film weniger ausführlich in
den verschiedenen Wüsten, fo ermüdete er vermutlich nicht so sehr.
Die Aufnahmen sind gut und verschaffen eine deutliche Vorstellung
von dem Wüstenzug durch Zentralstem
*
Im Capital läuft der Film: „Simba". Ein Löwensilm aus
Afrika. Er ist von Martin und Osa I 0 hns 0 n gedreht wor-
L den, einem amerikanischen Forscher-Ehepaar, das sich vier Jahre
in den Urwäldern Ostafrikas aufgehalten hat, um den Löwen mög
lichst nahe vor die Kamera zu bekommen. Unter dem Protektorat
' des amerikanischen Museums für Naturgeschichte. Außer den
allenthalben unentbehrlichen Kamelen sind auch Autos und Maul
eselgespanne an der Expedition beteiligt gewesen. Ehe die für den
dramatischen Höhepunkt aufgesparten Simbas erscheinen, wird die
ganze afrikanische Fauna einschließlich etlicher Negerstämme in
wirklich wundervollen Aufnahmen vorgeführt. Einige Szenen sind
wie Visionen aus Kiplings Dschungelbuch. Das Großgetier ver
einigt sich im tiefsten Gottesfrieden an der Tränke, die Assen
tragen ihre Jungen auf dem Buckel, die Giraffen schreiten pretiös
durch den Busch. Die eigentliche Sensation aber ist die Löwen
jagd der Eingeborenen, die entfernt an einen Stierkampf erinnert.
Der Simba nämlich wird von den Schwarzen umringt und mit
Speeren erledigt, ehe er recht Zur Besinnung gelangt. Einmal steht
man Frau Johnson mit der Flinte im Anschlag neben öM
vateur, der einen äußerst bedrohlichen Löwen kurbelt. Sie scheint
— eine vorzügliche Schützin zu sein. Die von der Kamera erlauerte
Beute hat gewiß hohen dokumentarischen Wert.
Auch ein moderner Spielfilm aus Japan ist zu scheu (im
Ufa-Pavillon am Nollendorfplatz). Er heißt: „Im Schatten
d <A D 0 sh iwa ra" und stellt mit den fortgeschrittensten technischen
Mitteln ein Geschehen dar, das im Jahr 1850 spielen soll, in Wirk
lichkeit aber wie eine zeitlose Legende anmutet. Ein armer junger
Mann ist in Liebe zu einem Freudenmädchen entbrannt, das seiner
spottet. Die Schwester des Jünglings sucht ihn zu retten, erliegt
indessen ebenfalls dem Verderben. Wie Reinheit und Armut sich
verbünden, um beide Geschwister den Dämonen auszuliefern, wird
mit einer Naivität faßlich gemacht, die dem Sinn der virtuosen
Montage widerstrebt. Auch sonst schlägt durch die uns vertraute
Filmwoche die fremde Erscheinungsform durch. Gestalten gehen um,
die kaum zu enträtseln sind. Sie haben Gesichter wie auf den japa
nischen Aquarellen, ihr Ausdruck ist eine unergründliche Hiero
glyphe. Der Kontrast zwischen der Maskenhülle und dem allgemein
menschlichen Inhalt 'bildet den besonderen Reiz dieses Films, der
durch seinen Vorwurf ergreift, ohne Laß seiner Echtheit unbedingt
zu trauen wäre.
Vor einiger Zeit fragte mich ein Produktionsleiter einer be
kannten Filmgesellschaft, welche Filme man nach meiner Ansicht
herstellen solle. Ich erwiderte ihm: „Gehen Sie nicht in den Busch,
ziehen Sie nicht quer durch Asien. Bleiben Sie zu Hause. Rüsten
Sie Forschungsexpeditionen in die noch unentdeckten einheimischen
Dschungel aus. Zeigen Sie etwa Las Leben eines ganz gewöhn
lichen kleinen Angestellten..." — „Aber das Publikum will die Ar
mut nicht sehen, es sehnt sich nach Abenteuern, nach der großen Ge
sellschaft, nach Glanz." —„Dann zeigen Sie ihm, wie der Glanz
der Gesellschaft in Wirklichkeit beschaffen ist." Er schüttelte den
Kopf, er wollte von meinen Vorschlägen nichts wissen.
Man wird auch weiterhin dem Publikum fremde Länder vor
setzen, damit es im eigenen nichts merkt. S. Kraeauer.
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