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fullscreen: H:Kracauer, Siegfried/01.08/Klebemappe 1929 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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r-^! Olga Tschechows in „Diane". Sie. ist schön, die Frau, wenn 
auch der Film leider historisch ist. Er behandelt eine Episode aus 
dem französischen Rückzug nach dem Brand Mos 
kaus. Wir schreiben 1812, was dem wenig erfinderischen Regisseur 
Gelegenheit gibt, Schneelandschaften, Kosaken, Gardeuniformen und 
Marodeure mit entsetzlichen Bärten durcheinander zu mengen. Die 
Statisterie scheint ihm nicht sehr opulent zubemessen worden zu 
sein. In der russischen Kälte erwärmen sich die Hauptakteure durch 
eine Unmenge von Liebe, Sinnlichkeit, Eifersucht — alle geblen 
det von der Tschechows, die in der Tat die Aufregung lohnt. Leuch 
tete sie nicht im Film, so bliebe nur der allgemeine Kriegsschla 
massel übrig, dessen serienweise Herstellung man jetzt endlich ein 
mal abbrechen sollte. kacn, 
* Demimonde. Florence Vidor hat etwas vom Charme der 
Massary. In dem von den Ufa-Lichtspielen gezeigten Film. 
„Demimonde" ist sie eine elegante, ein wenig leichtlebige 
-Witwe, von der Art jener, die in Operetten die Hauptrolle spielen. 
Sie am Toilettentisch zu beobachten^ ist ein kleines Erlebnis für 
sich, und welch ein Anblick für Männer, wenn sie im Schmuck 
ihrer vollen Kriegsrüstung erscheint. Da kann keiner gegen sie an; 
nicht einmal die eigene Tochter, die Grund genug hätte, der 
Mutter zu zürnen. Diese Familiengeschichte indessen dient der 
schönen Frau nur als Folie, wie auch der Partner der Vidor 
eine leblose Puppe ist, die allenfalls von fern an Menjou erinnert. 
Ohne das es D'Abbadie D'Arrast gelungen wäre, der Bagatelle 
einige Spannung abzugewinnen, hat er doch die Pikanterie der 
Heldin geschickt untermalt. Er ist ein Regisseur der winzigen ge 
sellschaftlichen Ereignisse. Eine nette Chargenfigur ist übrigens der 
leicht karikierte Amerikaner. Kaca, 
Der Held aller MadchentrLume. Ja, Harry Liedtke 
ist es, weil er der Konfektion^ ist. wie» er leibt und 
lebt. In dem neuen Film der Ufa-Lichtspiele vereinigt 
er wieder einmal- so ziemlich alle Vorzüge, von denen so Mäd 
chen gern träumen. Er ist Vieomte, aber damit man ihm nicht 
vorwerse, daß er ein überflüssiger Aristokrat sei, ist er zugleich 
arm. Er hochstapelt mit Charme, um sich im Frack auf den Höhen 
des Lebens Zu halten, verspricht aber auch, sich sein Leben fortan 
durch Arbeit zu verdienen. Zur eigentlichen Ausführung konnnt 
allerdings der Vorsatz nicht. Er flirtet schließlich mit einer 
msndänen Tänzerin, zieht ihr aber doch die nette, bescheidene 
Kostümzeichnerin vor. Kurzum, es ist für jeden Mädchengeschmack 
gesorgt, und wer nur immer will, mag von diesem Männerideal 
träumen. Robert Land hat das Traunrstück mit Routine auf 
gezogen. Die kleine Betty Bird ist wirklich ein freundliches 
Wesen. — Das Programm wird durch die Produktionen der 
Tänzer Titz 6 und Tarassov angenehm ergänzt. R. s e a. 
--- Re« Heimat. Der Gloria-Palast hat ein gutes Pro 
gramm. Sein Hauptfilme „N eue Heims t" ein Erzeugnis 
s^llt ein Emigmntenschicksal dar. 
Lird auch Amerrka mcht gerade mit den Augen Upton Sinclairs 
betrachtet, so smd doch als Ausgleich gegen das landesübliche keep! 
smilins emrge recht bittere Glossen angebracht. Weich am Anfang 
wenn die Auswanderer amerikanischen Boden betreten, geht es 
fehlte nicht viel, und der Gerichtsfall 
endigte wie die Sacco- und Vanzetti-Affärs. Ein Junge zieht in 
ben Krieg, und die Regie verzichtet wahrhaftig darauf, durch seine 
Rückkehr das Kapp)-enä zu vervollkommnen. Die Spuren der Kritik 
machen den sonst zur Schau getragenen Hollywooder Optimismus 
wenigstens erträglicher. Vollends überschattet werden jene Teile 
der Handlung, die man in Amerika vermutlich für lichtvdll HM, 
durch die E^cheinung Rudolf Schildkrauts, der den Aus- 
darum ein so großer Schauspieler, weil 
A-E Mensch ferne Richtigkeit hat. Seine Darstellungskunst ent- 
der Mltgegebenen Substanz. Wie er zu Beginn jeder Zoll 
em Böhme ,st; wie er sich nach und nach ins Amerikanische über- 
Wl er glücklich sein kann und dann wieder der Kummer 
H von einem virtuosen Kunswerstand zu 
Leistung durchgestaltet, die der ungebrochene Ausdruck der 
Humanität zu sem scheint. Die Ba ra n o ws ka j a, seine Part- 
S'i 'st groß im Schmerz und zärtlicher 
mächtig Wundervoll M- Augenblicke, in denen sie auch 
ihrem Mann zur Mutter wird. Der Regie sind wirkungsvolle Sze 
nen und ein dem inneren Verlauf genau angepaßtes Tempo zu
	        
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