des Blauen
der Intensität mitunter Abbruch. Aber auch das Theater Hat sich
in ähnlicher Richtung entwickelt. '
Pompös wie der Beginn sind die einzelnen Attraktionen
Tscherkessen und Kosaken umwirbeln im Flug ihre Pferde. Chinesen
schleudern Papierschnörkel durch die Lust, schaukeln an den Zöpfen
und schlucken Feuer. Japaner laufen auf Bambusslangen gen
Himmel. RifleuLe setzen sich zu lebenden Mauern zusammen, bilden
ungeheure Trauben und schlagen vielfach den Saltomortale. Die
Lrapeztruppe leistet in Wolkenkvatzerhöhe Präzisionsarbeit, Mann
fliegt Zu Mann, kaum scheint die Verbindung zwischen Händen
und,Stangen noch möglich. Die Technik ist in nahezu allen Num
mern Zur höchsten Vollkommenheit gebracht, die alten Kunstfertig
keiten werden dekorativ präsentiert.
Eine MerWe von Dressuren. Der Trakchner - Vollblüter ist
ein Meistertänzer, und sogar das Kamel absolviert die hohe Schule.
Unter den Seelowen findet sich ein Rastelli, der Bälle und bren-
dende Lampen schlürfend jongliert. Zebras treten mit dem Nil
pferd Oedipus auf, das an einen entsetzlichen Erdkrater gemahnt,
wenn es das Maul aufreißt. Ein Muster von Engelsgeduld, so
Hocken die Zehn oder zwölf Königstrger auf ihren Schemeln. Einer
von ihnen springt über drei Kollegen hinweg, ein anderer durch
einen Reif. Sie lassen sich alles gefallen, als seien sie ein Volk,
dessen Diktator der Dompteur ist. Manchmal freilich brüllen sie und
sind ungebärdig, aber ihr Meister bringt sie mit ein paar Schreck
schüssen Zur Ruhe. Herr SLosch-Sarrasani in eigener Person
traktiert indische Elefantenkolosse als Babys. Vielleicht folgen sie
ihm um so freudiger, weil er sie in seinem Maharadschagewand an
die Heimat erinnert. Wenn sie sich aufrichten oder setzen, scheinen
sich Gebirge auf wunderbare Weise selbsttätig zu bewegen. Das
gesamte Tierreich ist in geometrische Formen gezwungen, und nur
der Doktor Dslittle wäre wahrscheinlich mit diesen Triumphen
über die Elementargewalt nicht Zufrieden. Aber einstweilen ver
steht sich noch niemand auf die Sprache der Tiere, und ohne
Peitschenknall geht es auch selten bei den Menschen ab.
Den Massen wird Massenkunst geboten. Wenn es noch eines
Beweises dafür bedürfte. Laß es auf die Massen ankommt — hier
ist er geliefert. Von einzelnen individuellen Nummern abgesehen,
produziert sich stets ein Kollektiv. „Der brodelnde ferne Osten",
„Hoftheater des Mikado" und „Wildwest", so lauten die Titel um
fänglicher Sammelattraktionen. M die einen Messer werfen,
entfachen die andern rote Brände. Das Auge kann sich kaum noch
in die Details versenken, sondern muß sich am Schaugepränge er
götzen. Der Hang zur extensiven Entfaltung, der sich auch in den
bunten Balletts äußert, ist wohl amerikanischen Ursprungs. Er tut
Zirkus Sarrasani.
' Frmckfurt, den 13. November.
, Das Me Bild: vor den Bretterzäunen auf der Straße um.
lauert die Masse das Wunschzelt. Es hat freilich nichts mehr zu
tun mit den früheren Zirkuszelten, die flüchtige Herbergen waren,
sondern ist ein Riesenpalast aus Segeltuch, der ganz und gar elek
trisch glänzt. Glühbirnenreihen rieseln die Fassaden kerunter
strahlen sternartig auf dem gewaltigen Dachrund. Eine handfeste
Fata Morgana.
Innen der gleiche Glanz. Scheinwerferlicht in allen Farben,
die Dienerreihen in Prunklivreen. Das Sinnbild der Großartig
keit ist die Eröffnungsparade. Sie ist eine Parade in wörtlichem
Sinn: voran das schmetternde argentinische Orchester, das so
stramm wie exotisch ist. Ihm folgen die an den Zirkusspielen be
teiligten Nationen, siebenunddreißig an der Zahl, in Trachten, mit
Fahnen. Sie marschieren auf, sie machen Evolutionen, sie füllen
die ganze Manege. Die Musik dröhnt Militärmärsche, Herr Sarra-
sani erscheint selber inmitten der Heerscharen. Jubel im Kreis:
strahlender könnte der Auftakt nicht sein. Er gleicht der Schluß
apotheose einer Revue.
Wird in einer Fabrik mehr rationalisiert oder im Zirkus? Au
OrganisationsZunst ist jedenfalls Sarrasani nicht leicht zu über
treffen. Die Handreichungen greifen ineinander wie am laufenden
Band, der große Manegenteppich wird in einem Zeitraum auf
gerollt und zusammengelegt, der sich nach, Sekunden beziffert. Es
ist, als seien die Szenen nach der Stoppuhr geregelt. So werden
einige Munden Zu Jahren; so bleibt aber auch nicht die geringste
Lücke frei. Bezeichnend für die kontrollierte Dichte ist der Ausfall
der Clowns. Gewiß, ein paar bemalte Zwerge kollern im Sand
und bemühen sich komisch zu sein. Ihre Spaßmachern jedoch ist
von der Art, die Chaplin in seinem Zirkusfilm zum Lachen ge
bracht hat. Wo sind die echten Clowns hingeraten? (Vor einem
Jahr erzählte mir Grock, daß er nicht mehr aufzutreten gedenke.
Zum Glück haben Wichen im Pariser Empiretheater schon im
September fein Wiedererscheinen angekündigt.) Es fehlt an Zeit
j für die Clowns, wir müssen zu viel rationalisieren. Der Impro
visation wird bald keine Stätte mehr gegönnt sein. Laos..
Die Lady von der Straße.
Ein weiblicher Racheakt in diplomatischen Sphären, Ort:
Paris vor dem siebziger Krieg. Der Militärattache der preußischen
Gesandtschaft ist mit einer französischen Gräfin verlobt, die, wie er
eines Abends erfährt. Zu ihrem Kaiser eine zärtliche Beziehung
unterhält. Er schilt sie Mätresse und erklärt, dah er lieber ein Mäd
chen von der Straße ehelichen werde. Sie läßt sich ein hübsches
Mädchen von derSLraße besorgen, steckt es in gute Kleider und Manie
ren uns bestellt zuletzt den Liebenden das HochZeitsmahl. Bei dieser
Gelegenheit muß der Ahnungslose die wabre Herkunft seiner Frau
erfahren, die ihm als aristokratische Sennorita vorgestellt worden
war. Großer Skandal. Der gute Aüsgang ist notdürftig angeklebtst
D. W. Griffith, der bekannte Regisseur, scheint alt geworden
zu sein. Er stützt sich auf Kostümwirkungem auf ParkeLLglanz und
Milieuschilderungen in verjährtem Geschmack. Die Kneipe:
düen hui kurns" erinnert an eine TheaterZantine während der
Pause. Automatischer Einsatz der Großaufnahmen; geringe Beweg
lichkeit der Kamera. Auch die Charaktere sind schematisiert. Kurz:
ein unfilmisches Sujet ist mit überholten Mitteln bewältigt.
Unter dem Einfluß von GrisfiLH verfällt die reizende Lupe V e
lez bei dem Uebergang vom Straßenmädchen zur Dame in die
Karikatur. Sie ist im übrigen eine starke Spielbegabung und
in der Animiexstube so Zu Hause wie in der großen Welt. Die
gräfliche Intrigantin Jetta Gsndal fasziniert durch chren Wuchs,
begnügt sich damit, die Augen klein zu machen, um Falschheit Zu
markiern. Der preußische Gesandte ist eine rustikale Imitation von
Msmarck, und William Boydals die betrogene Hauptperson rührt
durch seine angestrengt dumme Physiognomie. (Der Film läuft in
den Pieberbau - Lichtspielen und in der Ca m er a.)
KKas.
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