-- Eine Nacht in London. Dieser Film der Vieberbau-
Lichtspiele ist ein Vaudevillestück, das Lupu P L ck ganz nett
arrangiert hat. In einem großen Londoner Hotel findet eine
jener pikanten Verwechslungen statt, die den Anstoß zu einer Hand
lung, geben, deren Abschluß die Verlobung ist. Das ganze feudale
Getriebe kreist um Lilian Harvey, Die sich bemüht, ein Töchter-
chen im Sinne der englischen Unterhaltungsromane zu sein. Eine
Bagatelle, die zum Glück selbst keine anderen Ansprüche als die
des Amüsements stellt. kaca.
---. Sein Letzter Befehl. Es genügt, auf diesen bekannten Jan-
nings-Film, den jetzt die Neu-e Lichtbühne zeigt, noch ein
mal kurz hinzüweisen. Selten wird es ein solches Muster der Ge-
Khlsöerwirrung gegeben haben, selten ein Stück, das sich mit
solcher Gerissenheit zwischen der Scylla der Reaktion und der
Charhbdis der Revolution durchzuschlängeln sucht Der russische
Großfürst: ein brutaler Knoten, aber im Kern ein guter Mensch
und noch besserer Hatriot. Die Revolutionäre: alle mit berechtigter
Empörung geladen, aber ein wenig gemein. Im Grund hält es
die amerikanische Firma, wie kaum anders zu erwarten, eben doch
mit dem Großfürsten, der als Komparse in Hollywood endigt und
mit einer Gloriole von Tragik umwoben wird. Seinem revolutio
nären Gegenspieler, auf den nicht das geringste Licht fällt, bleibt
am Schluß nur übrig, sich vor dieser Tragik Zu beugen. Ein
Rattenschwanz von Konfusionen, die ein anderer auMren mag.
Jannings ist die Hauptfigur dieses Spiels aus Lug und
Trug. Schade, daß er und seine schöne Partnerin ihre Gestaltungs
kräfte für einen so brüchigen Spekulatisnsbau vergeben müssen.
Im einzelnen fehlt es nicht an gut aufgenommenen Szenen; in
teressant sind vor allem die Hollywood er Details. Raaa.
Fasching im Kino. LYaMara ist mit dem Film „Mein
Herz ist eine IaZzband" im G l o ria - Pa Last einge
zogen- Es ist Fasching, und jeder Unsinn ist erlaubt, wenn er nur
lustig ist. An Unsinn fehlt es nicht in dem Film, aber wenigstens
sorgt Lya Mara für die Lustigkeit. Sie ist, was man einen Racker
nennt, mit ihrem jazzenden Herzchen und ihren Gir!s, die immer
in karnerten Hosen auf- und abtraben. Sonst kommen noch
LtraßencMchten von London vor (die jetzt an die Stelle der
Pariser zu treten scheinen), Verbrecher, die ebenfalls rm mischt
dendcn Augenblick das Herzchen auf dein rechten Fleck hab n,
M-ifelhast-es Nachtleben und feudale Milieus. Der begabte
rzrddrich Z«lnik hat die Szenen so heftig durcheinander
geschüttelt, daß gar keine Zeit zum Nachdenken bleibt, und durch
spritzige Einfalle ein paar nette Augenblickscffekt« erzielt. Alfred
Abel frönt wieder einmal der Wehmut des alternden Mannes,
2" - al - S a-m borski bewährt sich als Jongleur und
Raimondo van Riel haut mit großer Kunst in die Fresse. Alles
in allem Dgt sich der Film in den Fasching gut ein. Racs.
An einen Schriftsteller.
Brief der Feuilleton-Redaktion.
Sehr geehrter Herr!
Wir haben mit großem Interesse Ihre beiden Novellen
gelesen und möchten Ihnen sagen, daß nach unserer Ueber
zeugung eine starke Begabung aus diesen Arbeiten spricht.
Wrr haben uns mit wirklichem Bedauern dennoch zur Ab
lehnung der Manuskripte entschließen müssen. Aus folgenden
Gründen.
Die ALe Geschichte stellt einen krassen Einzelfall
sozialen Elends mit ausgezeichneter sprachlicher Genauigkeit
dar. Wir könnten uns diese Erzählung sehr gut in einem
Sammelband denken, in dem sie durch andere Erzählungen
'^MMruckÜch ergänzt würde; oder in einem Roman, der sie
m einen größeren Zusammenhang einreihte. Geben wir sie
der Zeitung, so beanspruchte sie damit sofort über das
Künstlerische hinaus eine reale Geltung, die dem sonderlichen
Einzelfall nicht zukommt. Mag das Ereignis ästhetisch an
nähernd bewältigt worden sein, als außerästhetisches Ereignis
rst es nicht so typisch, wie wir es wünschten.
Die andere Geschichte hat etwa die gleichen Qualitäten
wre die erste. Aber auch in ihr ist ein Daseinsfragment ver
arbeitet, d-as eine aktuelle soziale Bedeutung hat. Da nun
rn Ihrer Darstellung die Aktualität nur noch unterstrichen
wird, meinen wir, daß man gerade einem Thema dieser Art
durch eine sächliche Reportage gerechter geworden wäre als
durch ein Prosastück von mehr oder weniger freier Erfindung.
Verstehen Sie bitte recht: uns rühren die Gegenstände Ihrer
Erzählungen (das Wohnungselend, die Not der Verstümmel
ten) als Realitäten so an, daß wir sie, bei uns wenigstens,
lieber in ihrer Faktizität schlicht reportiert als durch die j
ästhetische Gestaltung vermittelt wissen möchten. Das heißt
natürlich nicht, daß die große dichterische Gestaltung das
Grauen einer solchen Wirklichkeit nicht zu durchdringen und
zu erhellen vermöchte; aber um eine derartige wirklich dich
terische Gestaltung handelt es sich in Ihren Arbeiten nach
unserem Ermessen eben nicht. Vielmehr herrscht das Stoff
liche doch vor. Und da die Materie nun einmal nicht ganz
poetisch gefaßt ist, quillt sie über, ohne andererseits sö rein
stoMch wie in einer Reportage sich darzustellen. Wir ziehen
aber, wie gesagt, der Besonderheit Ihrer Themen wegen
den. Tatsachenbericht vor, wenn die Dichtung nicht
erreicht ijtz ? '
Die schönste Frau von Paris. Von Paris ist leider in
diesem Film des „Capitois" so gut wie nichts zu sehen. Dafür
um so mehr von Elga Drink, die sich in allen möglichen
Situationen und Toiletten als schönste Frau zeigt. Durch ore
Schönheit glaubt sie das Spiel zu ersetzen. Freilich ist auch nicht
viel zu spielen, da es sich um eines jener Stücke handelt, in denen
Aristokraten, Hochstapler, Flirts und Hotelhallen sich wesenlos
durcheinandermengen. Man weiß um die etwa zwischen ihnen zu
treffenden Kombinattonen genau so Bescheid wie um die
Struktur der wöchentlich wiederkhrenden Silbenrätsel. Werner
Fnetterer und Rudolf Klein-Nogge lasten sich neben
der Hauptperson hin- und herrücken. Der von I. und L. Fleck
gedrehte Film kommt manchrnal nicht recht vom Meck.
Indizienbeweis. Dieser Film der Alemannia-
Lichtspiele soll angeblich die UnZulänglWeil des Indizien
beweises erhärten. Aber Las ist nur ein billiges Lockmittel, ein
Köder, der ausgeworfen wird, damit die Leute anbeißen. In
Wirklichkeit zeugt er weder für noch gegen den Indizienbeweis,
da die Verwicklung, der ein Unschuldiger fast zum Opfer fällt,
so leicht zu durchschauen ist, daß kein Gericht ihr ohne weiteres
Glawben schenken wird. Ueberdies ist es den Filmherstellern nicht im
mindesten um eine Reform des Strafprozesses zu tun, sondern
sie tniben die Handlung nur darum zu einem Prozeß vor, weil
Aufnahmen aus Gerichtssälen die Spannung erhöhen. Sieht
man von dem ethischen Klimbim ab, so bleibt ein mittelmäßiger
Spielfilm übrig, der in Marseille spielt, von dem leider kaum
! etwas zu sehen ist. Die Hauptdarsteller sind Suzy Vernon, Ruth
! Wehher, Olaf Fjord und Henry Edwards. Sie verkörpern die
j üblichen Leidenschaften in der Üblichen Weise. U 3 c a-
Komödie einer Liebe.
! Das ist ein ausgezeichneter Gesellschaftsfilm, der Lern Typus
! oes Vamp auf den Leib rückt. Eine jener Nutten, die in Amerika
l Goldgräberinnen heißen, weil sie gewerbsmäßig reiche Männer
; ausbeuten, legt aus Las Oberhaupt einer, braven Mttelstands-
familie Beschlag. Der, ein richtiger Babbit, hat sich durch einen
Coup ein Vermögen gemacht. Ein biederer Mann mit der Pfeife
im Mund, der sich natürlich leicht fangen läßt, wenn so ein MäL-
chen ihm damit schmeichelt, daß er AehnLichkeit imt Napoleon
; habe. Es geschieht, was in lausenden Fällen geschieht: der Babbit
zerstört durch einen plumpen Seitensprung das übrigens allzu
idealifch gezeichnete Familienidyll. Der Fall scheint in eine Tra
gödie auszuarten, beabsichtigt doch die betrogene Famittenfrau sich
von den: Dachgarten eines Wolkenkratzers herabzustürzeru Zum
Glück hat sie eine tapfere ToKer, die den auf Abwege geratenen
Papa in letzter Minute von der Gemeinheit der Nutte und ihres
Kompagnons überzeugt und ihn sanft auf den Tugend- und Ge-
Mftspfad zurückleitet. Die Familienharmonie ist damit, hoffent
lich endgültig, gerettet.
Kein Geringerer als D. W. Griffith hat diese hochmora
lische Geschichte filmisch akzentuiert- Er kennt sein Handwerk und
kennt die menschliche Sphäre, üm die es hier geht. Da in Deutsch
land »heute Filme ähnlichen Inhalts meistens von Regisseuren
gedreht werden, die nicht wissen, wie die Welt aussieht, die sie ab-
uwen sollen, ist es ein um so höherer Genuß, die hier geleistete
Arbeit zu verfolgen. Wie klug montiert Griffith Übergänge, mit
welcher Oekonomie holt er seine Effekte heraus! Die falsche
Eleganz der Bar etwa, in der die fatale Begegnung zwischen dem
Rumpf der Familie und ihrem Haupt statt!irü>et, wird mit jeder
erwünschten Vollständigkeit durch die abscheuliche Gefräßigkeit einer
Dame in Abendtoilette charakterisiert. Besonders geglückt ist die
Einschaltung eines winzigen Auftritts am Schlust, der still
schweigend von der im übrigen betriebener! Anpreisung ungefähr
deten Spießbürgertums abrückt. Dieser Austritt nämlich zeigt das
Gaunerpaar in einem so lieblichen Tete-L-tete, daß kein vernünf
tiger Mensch ihm düster grollen kann. So daß also doch noch die
hundertprozentige Glorifizierunq der Babbits vermieden wäre
PhyM Haver kennen wir bereits aus dem Film: „Chicago"
als den Jdealtyp der Blondinen, die bevorzugt werden. Sie ist auch
hier wieder in allen ihren unzähligen Gesten die vollkommene
Puppe, deren temperamentvolle Leere schon beinahe dämonisch
wirkt. So wie Jean Hersholt, der Dr. Jüttner in Alt
Heidelberg, den Babbitmarm spielt, muß ihn Sinclair Lewis
erträumt haben: die bebrillte Banalität in Person, gutmütig, ein
beleibter Junge, der im Rohbau stehen geblieben ist. Don Alva-
rads würde auch in Paris einem Zuhälter Ehre machen. Sally
O'Nerl als Tochter hat im Ueberschwang jugendlicher Bravheit
gute Momente. Auch die Mutter Belle Vennetts ist richtig
angelegt. ^02-