Lichtspielen.)
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künstlerisch, wirkt doch der sozialistische Abgeordnete im Vergleich
mit dem adligen Herrn als eine unmögliche Karikatur
Schade, daß Jacques Feyder seine große Regiekunst so» min
deren Zwecken dienstbar macht. Er hat den Film mit einem Esprit
gebaut, der in heimischen Produkten kaum je anzutreffen ist, und
wäre nicht veralteter politischer Ungeist mit im Spiel, so hätte
man au dem charmanten Aufgebot moderner, oft surrealistischer
FilmsinfäLe einen ungetrübten Genuß. Feyder hat früher schon
das tote Inventar zum Leben erweckt; hier steigert sich womk glich
noch seine Fähigkeit, eine abgestorbene Zeichensprache Zu dechif
frieren. Die vergangenen Ornamente am Rednerpult im Sitzungs
saal greisen aufreizend ins Stück ein und widerlegen, nebenbei
bemerkt, seinen Inhalt. So wird auch eine Theaterdekoration
zum Reden gezwungen, die den Hintergrund der Transportart
beiterversammlung bildet, so erscheint das Mobiliar in der Woh
nung des SoZialistenführers als eine Verkörperung des Mittel
standes. Zarte Ironie, die eines Anatole France würdig wäre,
waltet über vielen Szenen. Sie durchdringt den Auftritt im Bal«
lettfoyer der Oper, zaubert die erotische Phantasmagorie des
alten Parlamentariers hervor und entfaltet sich Leim herrlichen
Festzug in der ProvinZstadt. Wo sie nicht am Platz ist, wird sie
sofort unzart. Schade.
Gaby Morlay als Tänzerin, Geliebte und ProtsktionMndr
klug, süß verlogen, gaminhaft (manchmal um eine Nuance zu
viel) und von einer entzückenden Bewußtsein des Spiels. Feydsr
hat sie wundervoll emmontie^, und schon um der MinwturkaL
kaden ihrer Gesten willen ist dieser garstig-schöne Film sehenswert.
( Er lauft in Frankfurt in der Camera und den MeLerLaM
IN MHL8NILI.D,
Der kürMell ersebisneno kranZosisoks Roman:
„Jans r« marin" von Ldouard Lsissou
(In dsr Rsibo: „Lss eakisrL vsrts" des VorlaZs
Vsrmaid Orassot, Rarm) gekört ru jsnHn paar
8taätrowanm. in dspsa dis btaät prellt nur Do-
koration ist. Gonäorn v^irkliell Hip^rsikt unä mii>
Miblt. Lom Munckßr. denn Lsissop ist sebiekHals-
mMm ibr anvsrnAüät. Vr bat väbrond des Lids
MS RunbordionstG auk einem Oampier vemsben
und lebt deute als Unbestellter in UarssUls. ^.Iso
yrkMt er säMtliebs Vorbeäin^unMn Zu einer er-
Gobönienäen Lunäs der 8taät. Lein Leid, ein
amerikanisobZr Natrose, dringt auk die einZiD. moZ-
liobe in sie ein: eines la^es steift er vom
Lobikk berunter, seblendert mit viel OM in den
Pakeben dureb die tzuartiere und landet bei einer
besseren Dirne, die ibm mit ibren Lelkersbellern
das (leid adnimmt. MeniKStens bat br sie im Vsr-
daebt, den näebtlieben Leberkall an^estiktet rm
baden, an den er sieb naeb dem Vrvaeben in
einem Lranbenbaus dunkel erinnert, fortan bleibt
er in Marseille und vermisebt sieb mit den 2abl-
reieben^ LxistenLen, die man Las kür Las auk der
Oanediers beobaebten kann. Leben und unsenti-
mental Lesebildert sind die Ziellosen Irrkabrten des
Lungernden; ibm, dem beimatlosen Vagabunden,
der niebts ^u eiMN bat, ersebliellen sieb die Oe-
beimnisZe der Ltadt. Langsam maebt er Karriere,
eine kür Narseille be^eiebnende Lariiere. Lr ivird
unter die Lumpensammler ausgenommen, steift
naebdem er in ibrer Vrüdersebakt die niederen
Weiben. empfanden bat, 8um K'rsMdenkübrer empor,
lüllt sieb von den ökkentiieben Lüusern Ver-
WittlerMbübren AusLablen und erkämpft sieb
eine Position im NMeu. 80 könnte und sollte es
vmiterieben, bestebt doeb die eiMvtliobe koints
solober desebiebten darin, daü sie keine Iointtz
baden; ader leider Buudt sieb LeiZson einen
dobluü sebuldj^ M sein, der eben die Roman
tik ivaxAonvmiss ankäbrt, von der man bisber ^um
Müek versebont geblieben v^ar. Der Lxmatross
muü die Dirne ermorden und dureb einen Lotaus
AMT naeb Larig entseb^inden. Dennoeb: das
Vueb ist ein Tuter Ltadtderiebt und er Leibs der
moMLiellen Vaedeker ein^uordnen, die kür sollte
Llaneure Tesellrisben sind, L r,
Jannings in: „Sünden der Mter".
? -- Endlich wird dieser schon länger zurückliegende JanningS-
ftlm^auch in Deutschland gezeigt. Er hat eine auf die stärksten
.Effekte angelegte Handlung, die besonders deshalb interessiert,
weil sie zur Zeit der Einführung des Alkoholver
botes spielt. Jannings beginnt als Kellner und gedeiht dann,
zum Kneipenbesitzer. Im Lrunk läßt er sich mit einem üblen
Frauenzimmer ein, das ihn nach dem vorzeitigen Tod seiner
vrau zur Ehe zwingt. Es kommt die Prohibition. Die Witter,
imchtsstunde, in der sie in Kraft tritt, ist (abgesehen von einer zu
uphigen Montagephantasie) großartig dargestellt. Unzählige Men
scheu drängen sich in die Kneipe, feiern eine wilde Trinkorgie und
balgen sich um die Flaschen. Unter dem schlechten Einfluß seines
Ratgebers verlegt sich Jannings auf den Alkoholschmuggel, wird
reich und reicher und schließlich Hausherr mit vornehmer Diener-
Aber je höher er ansteigt, desto bedenklicher gerät sein
Gesöff. Er will nicht mehr verkaufen, aus Schwachheit verkauft
er doch. Was geschieht? Sein abgöttisch geliebter Sohn trinkt
von dem Zeug und — erblindet. Gleichzeitig konfisziert die
Polizei das Lager und verhaftet den unglücklichen Vater. Nach
den Gefängnis wird er von neuem Kellner. Der Schluß ist
rührselig, ein halbes end fürs Gemüt.
m richtiges Volksstück, ein Pr^pagandafilm zugunsten der
Prohlbttion. Ludwig Berg er hat die Sache groß aufgezogen
und sich keine Wirkung entgehen lassen. Er versteht sich aufs
Handwerk, hat den Sinn für Pointen und steht an Realismus
den bedeutenden amerikanischen Regisseuren nicht nach. Das
elegante Restaurant ganz am Anfang schält sich vorbildlich heraus,
die Bierkneipe ist glänzend gesehen, das Kellnerfest ein famoser
AuftE. Daß der Prunkhaushalt in der zweiten Hälfte klischee
haft ist, liegt wohl mehr am Stoff als an der Reale. Der Ernst ist
so schwer wie der Humor, aber Berger hat recht voran getan.
^bEung der Fabel durch ironische Lichter zu verzichten.
Man kann nach diesem Film begreifen, daß und warum
Jan n rngs drüben einer der populärsten Darsteller ist. Er ist
handfest, nicht nur als leibliche Erscheinung, er hat «"ine komö-
dl<mtische Freude am Spiel, dir stets durchscheint, er konturiert
l.E,MZurm klar und für jeden verständlich und lebt sich so in
sie hinein, daß wirklich Leben, wenn auch grobes, aus ihnen
MusWägt. Wenigstens gilt das für die Kellnergestalt in dem
A .. ^Munings präsentiert sie rund vom stolzen Servieren an
ms in die faulen Glanzzeiten hinein. Anerkennenswert ist, wie er
dre volkstümlichen Gefühlsregungen wiedergibt und den gleichsam
- AttEer zusammengefaßten Prozeß des Alterns durch
lauft. Mag man anderen Leistungen von ihm kritisch gegenüber-
stehen^ hler jedenfalls ist er Meister der Rolle. Das ganze
Ensemble ist im übrigen gut.
, Alm läuft im UfatheaLer. Am Dirigentenpult steht
wieder Heinz M e l e t L a. Er hat das musikalische Arrangement
mit der bei rhm gewohnten Sicherheit besorgt.
Ramon Novarro und John GilberL. Die Selben amerrka-
nischsn Männerschönheiten treten in zwei Filmen der Luna-
Lichtspiele auf. Jener spielt einen mondänen englischen Lord
mit dem Einglas und einem Schnurrbärtchen, das er sich zum
Glück später abrupft. Er bemüht sich darum, einen ausgekochten ele
ganten Rouö zu mimen, ist aber zuletzt in der Rolle des wirklich
Liebenden ungleich glaubhafter und netter. Gilbert seinerseits gibt
einen jungen Habenichts ab, der sich als Reporter in, die Hohe
arbeitet. Er legt sich mit Elan ins Zeug und wirkt aufgeschlossen
und südlich. Die beste Figur in seinem Film ist freilich der kleine
Knabe Zu Anfang, der eine reizende Soloszene als Gassenjunge hat.
Wedding im Kilm.
Lr Frankfurt, 28. Januar.
- »Mutter Krauses F-ahrt^ ins. Glück": keiues jener
Erzeugnisse, in denen Zille-Motive zu kitschigen Zwecken mißbraucht
worden sind, sondem/ein anständiger, sauberer Film, der dem
Namen des toten Meisters (und auch dem von Käthe Kollwitz) Ehre
macht. Die Prometheus-Gesellschaft hat ihn hergestellt. Frei von
Sentimentalität. schildert er das Wohnungselend in Berliner
Proletariervierteln und seine Folgen, Zustände also, die anzuschauen
not tut. In einer solchen kleinsten Hütte, in der angeblich Raum
für ein glückliches Paar ist, Hausen zu ihrem Unglück mehreve
Paare zusammen: Mutter Krause mit Sohn und Tochter, der
Schlafbursche und seine Geliebte, die Prostituierte ist und ein Kind
hat. Man hat dergleichen öfters in Filmen gesehen, «Per gewöhnlich
nur als gruselige Staffage für irgendein auSerwähltes Schicksal,
Las in prunlhaften Vorderhäusern ksppx endigt/Hier hält'das
HiÄerhaus bis zE t seine Insassen fest. Der Schlafbursche, der
eine Verbrecher-Type ist, verführt unter anderem die Krause
Tochter und bildet den Sohn zum Einbrecher aus. Das MäLsun-
sympathisch sein; wo die Zustände indessen so jammerbar M, gsht
man ihnen nach und ist, wie man sein muß. Nur zwei Auswege
OkdsfrÄ. um dem Zwang zu MrinneN. Mutter Krause benutzt den
einen: sie dreht den Gsshah« auf und fährt ins jenseitige Glück..
Nun har sie ivvni«st-n§ Ruh. Ihre Tochi« entscheidet sich ffir den