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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

boobstens dort äurob kalsoben Viläungs^aubsr 
ein 
' 
venig bseinträobtigt v^ird, vo sie siob in die Vil- 
äungsspbäre selber vorv^agt, er^äblt sie von äer 
^ngst der kranken Rollogin vor dem ^bbau; von 
! dem Debrling, den ein betrügsrisebes Oesebäktsge- 
baren korrumpiert; von einer kleinen Vürostreberin, 
die siob durob ibre kitsobige 8ülls die Ounst des 
Vorgesetrien erobert. ^Vas die Obeks betrifft, an die 
Brau Brüok bei ibrer unfreiwilligen 'Wandörung 
dureb versebiedens kleinere und grollere Betriebe 
gerät, so ist der eins eins liederliobs "Uinkslexi- 
stenL, der anders ein Lüstling und noob ein an 
derer ein Autokrat, äem .-^eibllobe Rräkts gerade 
gut genug für untergeordnete Rosten sind. Mr ein 
mal kommt sie TU einem netten Rabrikantsn, und 
der bat einen unleidlioben Onkel. Nag sie vom 
Reeb verfolgt sein: die traurigen Binrslkälls ver- 
ansobaulioben rum mindesten die Lob^isrigkeiten, 
denen die Brauen okt im ^ngestelltenberuk ausge- 
setst sind. Dnä um niobt in dieser 2eit virtsobaft- 
liebsr Depression entlassen ru werden, ertragen 
viele seb^eigenä ibr Dos. 
Die individuelle Vetraobtungsart ist die 8tärke 
des Buobs und Lugleieb seine LobMobe. ^n einer 
Ztelle sagt die Verfasserin LU einem jungen Rolle 
ren, der sieb über seinen Arbeitgeber beklagt: „Bs 
liegt am Obaraktsr, ^.ueb unter eueb sind viele, die 
niebts taugen . . Msr dieser ausgesxroobsns In- 
diviäualssmus rübrt nirgends an die OeseUsobaktL- 
konstruktion selber, die das ^ngesteUtensebiekal 
bestimmt. Br möebte aus einzelnen Obarakteren b'n- 
Lulängliebkeiton ableiten, deren Vorbandensein kak- 
tisob in äen socialen Verbältnissen begründet ist, 
die ibrerseits an äen Obarakteren die Mtsebulä 
tragen. Bin Olüek nur, äall die Verfasserin ibre 
Darstellung naob äen Orunäsatren individueller 
! Noral ru Bnäs kübrt und durebveg darauf verrieb- 
tet, soblimms Bivärüeks ru verallgemeinern. Bo 
bleibt sie^enigstens davor bevabrt, ^nsprüebe ru 
stellen, die sie niebt befriedigen kann. Ibr Vuob ist 
ein treMieber Beitrag rur Lestandauknabme äer ^.n- 
gbLtellten^elt; Bolgerungen auk Äe Oesamtsitua- 
vis HmZesteUttzn beginnen literLtuMbiZ ru ner- 
äen. Ibr xemeinsames Lebioksal, äas in äer Meb- 
krieZbLeit eine teste Lontur erkalten kat, kann 
niebt rvebr üdsrssben vsräen unä verMiebtot nur 
Darstellung. Linelair Devis versnobt in seinem 
grollen Roman: „llod" (unter äem Mtel: „Rrnerb" 
bei lernst Rovoblt ersobisnen) äkm Vürolsben rvie 
überbauet äem Alltag äer Angestellten äie tz-pi- 
soben Mgs abnugsvännen. In Deutsoblanä baden 
sieb Zrsitbaok unä R. Brauns um äis Msäergabe 
gewisser ^ngestelltenmilieus bemübt. Dsiäer ent- 
viekslt sieb mit ämssn vorerst vereinrslten Lobil- 
äsrungsn niobt ruZleiok aueb äas riebtigo Be^ullt- 
ssin von äer sosialsn DaZe äer ^.ngvstsllton. Im 
Gegenteil: zs mebr sie äas ökkentliobs Interesse auk 
sieb lenkt, ässto mebr Anstrengungen veräen unter 
nommen, äsn gesellsobaktlieben Ort unksnntllob 
2U maoben, an äem sieb äis Angestellten in ^abr- 
bsit kskinäsn. ^bsr äas kat politisobe Orüuäs unä 
gebärd niobt kierbsr. 
Die Inventarisierung äes ^ngsstelltenäaseins ist 
neueräings äurob äen Roman: „Lobieksale 
bintsr ZebreibmasebLnsn" von Obrista 
^.nita Vrüok niobt unrvsssntliob gekoräert vor- 
äen. (Lieben-Ztäbe-Verlag, Berlin.) Das Bueb, äas 
vorvllsgenä äie ^enig bsitersn DebsnslLuks v^eib- 
liober Angestellten vermittelt, ist unL^eikelbakt au» 
äem Bedürfnis entstanden, äis eigenen bitteren Br- 
kabrungen auk eine anstänäigs ^rt los^u^veräen. ^ber 
v^enn frgenäivo so ist bier (niobt minder nie seiner- 
2sit bei den Lrisgsromanen) äie autobiograpbi- 
sobs Rorm am klatL. Lie verbürgt äie V^irkliob- 
keitsnübe, äurob äis allein solebe Rrontberiobts ge- 
reobtkertigt werden, unä überdies ist in äer indi 
viduellen klot äis allgemeine beseblossen. 
^ub einer social gebobenen Lebiobt v^ird äie Ver^ 
kasserin in die Niederungen versoblagen. Lie ist vaob 
und klug und vermag äabsr, Zustände su umreillen 
und die fremden Lobioksale so aukLUnebmen Ms ibr 
personliobss. In einer ungekünstelten Spraobe, äie 
Aranzöstsche Honflsm-Neportage. 
irr Berlin, Anfang Juli. 
Der hiesige Filmsommer ist von einer trostlosen Langeweile. 
Gewisse amerikanische Tonfilme, von denen draußen alle Welt 
spricht, kommen der Patentstreitigkeiten wegen nicht ins Land 
Seit einer Ewigkeit läuft der „Blaue Engel", der wahrscheinlich 
' erst verschwindet, wenn alle Berliner die Beine der Marlene 
Dietrich bewundert haben, und das kann noch eine weitere Ewig 
keit dauern. Manchmal wird in irgendeinem Kino irgendein Lust 
spiel angesetzt, das von vornherein für die Provinz gedreht ist 
Einige sattsam bekannte Darsteller spielen Rollen in ihm, vie eben 
falls altbekannt sind. Taucht aber wirklich in langen AbständeN 
ein neuer Film .auf, so wäre er besser unterblieben. Ich habe 
nicht die Absicht, über ein so unfilmisches, dilettantisches Machwerk 
wie „Zärtlichkeit", in dem sich Carola Neher schlimmer als eine 
beliebige Anfängerin benimmt, auch nur ein Wort zu verlieren 
Das Publikum der Uraufführung belachte die Kläglichkeit aus 
Purer Verzweiflung. 
In die sommerliche Oede ist nun ein Film hereingebrochen, der 
ein Zeichen der Hoffnung wäre, wenn eine Schwalbe bereits den 
Winter machte. Er nennt sich: „Abenteuer unter Kanni 
bale n", und Andrö - Paul A n ! o i n e, fein Autor, bezeichnet 
ihn mit Recht als eine Tonfilm-Nep'rlage. Ihrem Titel nach 
könnte diese Repo-tags auch in Europa veranstaltet worden sein, 
stund .gewiß mär. S,besonders interessant gerade me ein. 
heimischen Kannibalen M beobachten, die ihre Opfer in unserer 
Mitte suchen. Aber Herrn Antoine hat es nun einmal nach den 
Neu - Hebriden gelockt; obwohl die dortigen Menschenfresser im 
Vergleich mit den Zivilisierten.zweifellos harmlose Knder sind. Da 
für wohnen sie auf einer welLentlegenen Insel,, zu der niemand so 
leicht dringt. Daß heute eine Hausse in Expeditionsfilmen cherrscht, 
rührt wohl nicht zuletzt von der gewaltsamen Erweiterung unseres 
Raumbewußtseins durch die jüngsten technischen Erfindungen hex. 
Die Erde ist zusammengeschrupft, und wir müßen sie mit allen 
unseren Sinnen ermessen. M ist es ein weniger kitzliches 
Geschäft, sich tausend Meilen weit in die Südsee vorzuwagen als 
zwei, drei Schritte in die nächste Umgebung; mögen jene Insulaner 
immerhin vor kurzem eine englische Kolonistenfamilie verspeist 
haben. 
Die (im Ufa-Pavillonam Rollendorfplatz gezeigte) Lpnfllm- 
Neportage des Franzosen ist durch ihren vernünftigen Aufbau dem 
unlängst von mir besprochenen Sahara-Tonfilm 
logen, der zerstreute Expeditionsbilder in eine Rahmenhandlung 
preßt, statt dre Handlung aus der Abfolge der Bilder selbst Zu 
entwickeln. Herr Antoine landet an der kannibalischen Insel, be 
gegnet den Wilden, lebt ein halbes Jahr unter ihnen, macht einen 
Angriff auf einen feindlichen Stamm mit und bricht während des 
Siegesfestes, das bedrohliche - Formen annimmt, seine ZeLL-s schleu 
nig wieder ab. Immer m Gnsellschaft seiner Kamera, die alle 
wichtigen Vorgänge automatisch notiert. (So müßten sich Tage 
bücher von selber schreiben.) Vielleicht sind manche Szenen und Ge 
räusche um der ästhetischen Geschlossenheit willen nachträglich re- 
konstrmert worden- Dank dieser etwaigen Verfälschungen und Zu 
taten aber Zeichner sich der Film vor den meisten anderen Kultur- . 
filmen aus, Leren Hersteller meinen, es genüge schon, daß sie über- 
haupz in exotischen Landstrichen kurbelten. Nein, es ist nicht genug' 
damit, und wenn der französische Tonfilm eine Lehre erteilt, so 
orese: Laß ein guter Kulturfilm einen Anfang und ein Ende, for 
dert und nicht minder planmäßig durchkomponiert sein muß wie 
jeder normale Spielfilm. 
Nur um die Neugierde zu erregen, liefere ich einen Auszug 
aus dem reichhaltigen Inhalt, der übrigens gut und gern mehrere 
Striche vertrüge. Man ist Zeuge eines glänzend photographierten 
Orkans, der in die Wogen und Palmen fährb Man begleitet die 
kleine Expedition ins Dunkel der Urwälder und vernimmt den 
Gesang der Eingeborenen auf ihren Kähnen. Man lebt mit dem 
Stamm und erfährt, daß dieses Lebey genau so seine Ordnung 
(oder Unordnung) hat wie das der üblichen Europäer. Die Män 
ner fischen, baden, trinken Kokosmilch und erzählen sich sensatio 
nelle Geschichten. Es gibt unter ihnen antike Gestalten: einen 
BacchusgotL, einen alten Eilen. Der Zauberer hält mit den Jüng 
lingen ein theologisches Seminar ab, in dem er ihnen den gehei 
men Sinn der Götterbilder erklärt. Regelrecht arbeiten müssen 
eigentlich nur die Kinder und Frauen, deren eine mit ihrem auf 
gedunsenen Bauch wie eine Wasserleiche aussieht. Einmal im Jahr 
allerdings erleidet dieses gesittete Dasein eine kurze Unterbrechung. 
Dann werden den Göttern Menschen geopfert, unablässig" ertönen 
die Trommeln, und die ganze Bevölkerung tanzt wie besessen. 
Durch die Dreingabe des Tons gelangen Herade diese Raufch- 
szemu zu einer außerordentlichen Wirkung,
	        
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