Werüner IiMchrM
Wer glaubt, baß es mit dieser ToriMmproduktian nicht meßk
Io weiter gehen könne, ist in einem Irrtum befanden: es gebt doch
so weiter. Zwar klagen hie Produzenten selber über den Mangel
^nn brauchbaren Manuskripten, und die Mkwzeitschkift'en stoßen seit ^
einiger Zeit regelmäßig den SchM nach guten
aber hie Autoren kommen nicht, und die Manuskript bleiben fern.
Das muß seine Ürsüchen haben, uO ich Mübe. sie ftnd gar nicht
sehr verborgen. Solange sie fortwirken, so, lange sich die Industrie
nicht dazu entschließt, mit dem bisherigen Schlendrian zu bischen,
werden wir jedenfalls unaufhörlich mit Lheaterimiiationen. Te-
nören, Operetten und SchlagelstuckknM Ich hätte nie
für mSgM gehalten, haß es so viele Operetten gibt- Die Tonfilme
dieses Genres unterscheiden sich nur dadurch, daß in ihnen immer
die gleichen Schauspieler in denselben Rollen andere Couplets
singend Damit man sie noch identiftzieren Änn, mW z eigent
lich fortlaufend^ numeriert werden.
. ' - » - . - . -
In dem neuen Carl Froehlich-Ulm: „Ha ns in allen
Gassen" nimmt Albers einen -Reporter, wie er vielleicht in
der Romanvorlage Ludwig Wolsfs. vorko^ bestimmt nicht
in einem wirllichen Zeiwngsverlag. Der amoureuse Vatentkcrl
perwiSelt sich in eine sensationelle MorMäre, die höchst un-
smsatiomll. abgewickelt wird.. Albers hat Schmiß; ist keß, knorke s
und was man nur will doch wenn er sich zum-Gtar solcher-
Tonfilms hergibt, bringt er sich bald um Kraft und Kredit. Der
Hintergrund ist mit Genf und den Alpen gefüllt, im Vordergrund
swird gesungen^ - -
Nach einem uralten Lustspiel ist der Film: „Geld auf der
.Straße" arrangiert, der in Wien spielt, dem Wien der Kam-
I mersänger und der in Kammersänger verliebten Rädchen, Die
romantische reiche Erbin und der gutmütige elegante Habenichts
(Georg Alexander) — es ist, als sei niemals ein Weltkrieg ge
wesen. Wirkte nicht der unvergleichliche Hans M o fe r mit) so
wäre die ungeschickt inszenierte Geschichte kaum zu ertragen, llm
sie noch zu dehnen, wird natürlich fortwährend gesungen.
Statt des Remarque-Films läßt jetzt Hekr Brodnitz im Mozart--
.saal den Namon N o v a r r o - Film: „Der jüngste Leut
nant" spielen. An schlechter . Tausch; aber die GlmprWelle
trggt die Mitschuld daran. Wenn sie sich so aus Verbieten gew'. hnt
wie in der letzten Zeit, darf sich niemand darüber wundern, daß
die Produzenten, Verleiher und Theaterbesitzer ängstlich werden«
Man produziert und nimmt dann nur noch das Sichere, d. h. die
gleichgültige Ware. Dem „deutschen Anssken" aber ist mit dieser
negativen Zuchtwahl am allerwenigsten gedient „Der jüngste Leut
nant ist ein Helden» und Liebesstück aus navolconischen Zeiten,
m dem der schöne Novarro sowohl als Held wie als Liebender
Spitzenleistungen vollbringen muß. Das artet zu Pgrsorcs-Nitten
und , u Küssen aus, deren Dauer das Premierenpublikum belachte,
zwischen je zwei Kußperisden werden von ihm Liebeslieder
gesungen.
E-n Sondersall ist der amerikanische ExpeditionZUm: „Afrika
1p richt", der im Berlin Anerkennung und Empörung aukgcM
hat. Beides mit Recht. Er enthält großartige Ausnahmen, wie sie
vielleicht noch nie der Kamera zugcstoßen sind; unter anderem einen
Heüschreckenzug, der an die biblische Schilderung der ägyptischen
Plagen erinnert. Aber die Leidenschaft, das Unerhörte zu kurbeln,
überschreitet in ihm die gebotenen Grenzen. Man steht, wie ein Ein
geborener von einem Löwen hingestrcckt wird und vernimmt Schreie
der Todesangst: die, Kiiioleute, die in diesem Fall nicht ihren Appa
rat im Stich lassen,, wirken schlimmer als Kannibalen. Leider hat
die Filmzensur die günstige Gclegerheit verpaßt, sich einmal aus
tWigM GrMM eWflMich
In der gut geleiteten „Kamera" wird dieser Tage der Ruffey-
film: „Erde" anlausem über den ich seinerzeit bei Gelegenheit
einer geschlossenen Vorführung ausführlich berichtet habe. Er ist
Isich- einigen Aenderungen endlich freigegHen worden. Lr«
Zertrümmerung und KuMu.
Berlin, rm Januar.
Me Vokabeln, öle Zur Zeit in Berlin am meisten benutzt
werden, sind ein ausgezeichneter Beleg für die gegenwärtige
Geistesverfassung. Der unwissende Ausländer, der sie in einem-
fort hörte unÄ läse, müßte Zum mindesten annchmen, daß wir
uns mitten in einem schweren Umsturz befänden. So schlimm ist
es allerdings nicht, aber die Wirtschaftskrise und die innerpoliti
schen Schwierigkeiten haben das Gemüt so abgestumpft, daß ihm
nur noch durch die bedrohlichsten Worts überhaupt Leizukommen
ist. Wenn die Zaunpfähle, mit denen ihm gewunken wird, nicht
gleich Gummiknüttel oder Totschläger sind, regt es sich gar nicht
mehr über sie auf.
Die Geschäftswelt hat das begriffen. Mit Ausdrücken, die
jedem Volksgenossen Schrecken einjagen, lädt sie in Inseraten
und Affrchen zu ihren Inventurausverkäufen ein. Sie
erklärt in Schlagzeilen den Krieg, prägt Worte, die wie Fanfaren
schmettern, und übertrW an Vermchtungswillen die ehemaligen
Tagesberichte. Wer ist der Feind, gegen den sie sich einmütig
wendet? Der Feind., das sind die Zu hohen Preise. Sie, die
uns böswillig quälen, werden jetzt in einem Ton angegriffen, der
seit einiger Zeit sozusagen Zum guten Ton gehört; oder doch zum
parlamentarischen, nach den letzten Reichstagsfltzungen zu schlie
ßen. Vielleicht kann man auch wirklich nicht mehr anders gegen
die Preise an. Daß man ihnen „radikal" Zu Leibe rückt, ist noch
das Geringste, und ich weiß nicht einmal, ob bei dem augen
blicklichen Verschleiß an radikalen Deklamationen dieses Ver
fahren die Preise ernstlich zu erschüttern vermag. Aussichtsreicher
ist schon, daß viele Reklamen ihnen ein „Knockout" ansagen, das
immerhin aufhorchen läßt. Dem vom Ring hergeholten Gleich
nis steht ebenbürtig jenes Versprechen Zur Seite, nach dem sie
einfach in den Abgrund ,,sausen", ohne erst über ein paar lum
pige Prozente Rabatt zu stolpern. Ich sehe ordentlich, wie sie von
kräftigen Leuten mit heraufgestülpten Hemdsärmeln die Treppe
herunterbefördert werden. Es werden übrigens die gleichen
Leute sein, die das Wort: „Rrraus damit" wahrmachen, das an
manchen Schaufenstern angeschlagen ist — dieses Hausknechtswort,
das die billig gewordenen Waren aus dem Laden verscheuchen
soll. Gefährlicher noch als ein Hinauswurf ist die „Zertrüm
merung". Sie scheint die beliebteste Kampfansage wider die Preise
zu sein und entspricht wohl auch am ehesten dem Denken der
Masse. In der Tat: nicht leicht konnte eine Parole wirkungs
voller sein als diese, die an so gebräuchliche Alltagsdinge wie
Fensterscheiben, Staaten, Atome ruck SprengmiLLel erinnert.
Die Schlachterr und Boxmatchs sind bisher, wie es heißt, sieg
reich verlaufen. Wir haben feindliche Preisnester ausgehoben und
dem Gegner alles in allem schwere Verluste zugefügt. Dennoch
male ich mir in schwachen Stunden eine glücklichere Zukunft aus,
m der es bei solchen Anlässen unblutiger zugcht, in der die
Preise und die Menschen nicht mehr Zertrümmert, sondern mit
Sanftmut behandelt werden.
O
Richt durch die niedrigen Preise, sondern durch die Getränke
steuer ist in den Berliner Restaurants die Pfennigrechnung
wieder in Aufnahme gekommen. Ungeachtet der ökonomischen
Naivität des Sprichworts, nach dem der einen Taler wert ist,
der den Pfennig ehrt, Lassen sich doch aus der Art, in der die
Menschen mit den Pfennigen verkehren, Schlüsse Ziehen, die mehr
als einen Taler wert sind.
Vsrausgeschickt müssen die unwesentlichen Tatsachen werden:
daß ich in einer bestimmten Gegend eines weitläufigen Restau
rants zu speisen Pflege, daß ich täglich dieselbe Zeche mache; daß
unter den zahllosen Kellnern des Etablissements jeden Tag ein
anderer dazu ausersehen ist, meinen Tisch zu bedienen. Ich bin
vermutlich die Reihe der Kellner immer noch nicht durch. Da nun
viele Gäste ungern mit Pfennigen wirtschaften, haben die Kellner
zwischen verschiedenen Möglichkeiten die Wahl: entw^er können
sie die Rechnung bis auf den Pfennig genau präsentieren oder die
in Betracht kommenden Beträge gleich nach oben aörunden. Je
nach dem Kellner, der mich bedient, erhalte ich denn auch für
das gleiche Mahl von einander abweichende Rechnungen. An
genommen, mein Konsum belaufe sich mit Trinkgeld und Steuer
auf ungefähr 2 Mark, so müßte ich bald 1.99 Mark bezahlen, bald
2.02 Mark oder gar 2.05 Mark. Ich habe die Erfahrung gemacht,
daß die Kellner, die sich mit dem geringsten Betrag begnügen, zu
gleich die tüchtigsten und teilnehmendsten sind, und halte es nicht
für unerlaubt, aus diesen Anzeichen auch auf ihre sonstigen ver
borgenen Qualitäten zu schließen. Die Vertreter der mittleren
Summe sind MittelsortZ. Was die Vorkämpfer des Maximal
Programms betrifft, so üben sie ihren Beruf rein geschäftlich aus
und lassen mich, menschlich gesprochen, kalt. Der winzige Aus?
schlag um Mei oder drei Pfennig gleicht dem eines Präzisions
instrumentes, das beträchtliche unsichtbare Schwankungen ver
zeichnet.
Ich gestehe, daß ich mich mit der Getränkesteuer halb und
halb ausgesöhnt habe, seit sie mir die Gelegenheit gewahrt, mich
während des Essens durch charalterologische Studien zu zer
streuen. Und es ist mir eine besondere Genugtuung, wenn ich
schon im voraus errate, ob der Endbetrag 199 Mark sein wird.
2.02 Mark oder 2.05 Mark. Eine unnütze Spielerei, mit deren