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Leider wird in beiden Filmen die Aufklärung nicht bis zu Ende
getrieben. Wo die Gefahren der Geschlechtsliebe vor Augen geführt
werden sollen, ist ein Hinweis auf die empfanMisverhindemden
Mittel unerläßlich.
Aufgeklärt im inerteren Sinn soll such im Film: „Vor
untersuchung" werden, dem Älsbergs bekanntes Theater
stück Zugrunde liegt. Die Verfilmung, -die das Kriminalistische stark
hervorkehrt, arbeitet die Fragwürdigkeit der in der üblichen Vor
untersuchung gewonnenen Ergebnisse gut heraus. Der junge Re
gisseur Siodmak zeigt seine Begabung in den Details, ohne
von der Schablone der Ufa-Spielfilme allzusehr abZuweichep. Die
Dialoge überwiegen, die Situationen werden optisch nicht genug
ausgekofiet. Dennoch: eine anständige Mache, die M fesseln vermag.
Nasser wann, dem neuerdings das Gerichtsfach auvertraut
worden Zu sein scheint, spielt seinen achtbaren unpsychologischen
Landgerichtsrat mit wundervoller psychologischer AkkumtLffe.
EMINENZ und Oskar Simag glänzen in kleineren Rollen-
Kuüstgewerbe mit Songs-
Der anfänglich verbotene Granowsky- Film „D asLied
vorn Leben" ist nach geringfügigen Aenderungen sreigegeben
und nunmehr sogar von der Bildstelle des ZentralinstiLuis für
Erziehung und Unterricht unter Vorsitz Dr. Völgers als künstlerisch
wertvoll anerkannt worden. War die Unterdrückung des Films
vielleicht eine überflüssige Härte, so ist das. ihm erteilte Leumunds
zeugnis bestimmt ein Irrtum. Denn mit Kunst hat dieses präten
tiöse Sammelsurium von Bildern und Liedern nicht das geringste
zu tun. Eine junge Braut entflieht dem Verloöungseflen, will sich
ertränken und wird von einem ebenso jungen Schifsskonstrukteur
in MaLrosenkostüm gerettet. Das ist der einigermaßen klare Be
ginn des Films, der sich danach zu lauter Szenen verwirrt, die in
ihrer Gesamtheit offenbar ein Hymnus aufs Leben sein wollen.
Sie Zeigen die Seligkeit des Paares, eine Umständlich vorgesührre
Kaiserschnitt-Operation, Träume, sm neugeborenes Kmd und
immer wieder das Meer, dem anscheinend symbolische Bedeutung
zukommt. Ein konfuses Durcheinander; die Ausgeburt eines miß
leiteten Talents, das um jeden Preis originell sein uwchte. Worin
aber besteht die Originalität Äränowsky^ Daß er Bilder stellt,
die an „Wege zu Kraft und Schönheit" erinnern; russische Montage-
mModen kunstgewerblich ausnutzt; den durch Spiegel leicht zu
erzielenden Effekt, bestimmte Gegenstände Mehrfach auf die Lein
wand zu bringen, mememfort sinnlos wiederholt. Tritt der Zu
schauer hinterher auf die Straße, so ficht er unwillkürlich den
Nollendorsplatz doppelt. Dazwischen find bei jeder unpassenden Ge
legenheit Songs von Mehring emgestreut, der:n Plattheit kaum
noch zu überbieten ist. Schlechte Nachfolge der Dreigroschenoper;
dre Kompositionen stammen von Friedrich Holländer und Adams.
Das süffige Schlutzlied vow Baby hat es dem Publikum ungetan.
S. Krakauer,
Berün, im April.
Filmzens u r.
Die Filmprüfstelle hat sich in der letzten Zeit wieder
unliebsam bemerkbar gemacht. Kurz hintereinander find Zwei
Verbote von ihr erlassen worden, die dieses Mal, gewissermaßen
zum paritätischen Ausgleich, unpolitische Filme betreffen.
Das eine möchte die Louis Perneml-KomödiL: „Die Cousine aus
Warschau" ausmerzen, die nach der Auffassung der Kammer ent
sittlichend wirken soll. Wogegen auch ohne Kenntnis des Films em-
gewandt werden muß: daß seine franzosiische Fassung den Blatter
meldungen Zufolge seit einiger Zeit in Warschau läuft; daß die
Allianz-Filmgesellschaft, Trübes ahnend, die Deutlichkeiten des
Theaterstücks von vornherein verwischt hat; daß dieses selber mit
der Orska in dar Hauptrolle niemals beanstandet worden ist. Nach
Let entsittlichenden Cousine ist der Detektivsilm der Ufa: „O Zug 13
hat Verspätung" an die Reihe gekommen. Er gefährdet angeblich die
öffentliche Sicherheit und Ordnung, da er irgendjemanden dazu
bewegen könnte, ein Attentat aus das Staatsoberhaupt Zu begehen.
Solche Verbote erwecken den Eindruck blanker WMür. Wo liegt
die Grenze, bis Zu der ein Film Zulässig ist? Im Joe Mop-Film:
Und das ist die Hauptsache" etwa, der die Sittenkontrolle
glücklich passiert hat, finden sich einige Szenen, hie das verfeinerte
Empfinden unserer behördlichen" Tugendbolde eigentlich gewaltig
hätten aufreizen müssen. Ich erwähne das nicht, um einen aufs
Geratewohl herausgegriffenen Film nachträglich zu verklatschen,
sondern um die Launenhaftigkeit der neuesten Zensurbescheide zu
kennzeichnen. Auch erinnere ich mich mancher Unterweltsreißer und
Fridericus Rex-FaLrikate, die leicht der Gefährdung unserer öffent
lichen Sicherheit hätten verdächtigt werden können, und doch unge
hindert erschienen 'sind. Wenn aber die Grenzen so fließend sind,
wäre die Filmprüfstelle bei ihren Entscheidungen Zu doppelter Vor
sicht verpflichtet gewesen. Sie hat es an ihr fehlen lassen und damit
ihre eigene Autorität untergraben, ohne die öffentliche Sicherheit
Zu retten. Statt nur in den äußersten Fällen einzuschreiten, nimmt
sie sich faktisch das Recht heraus, ein reifes Volk Zu bevormunde.
'Ein Verhalten, das um so peinlicher wirkt, je isolierter es austritt,
je weniger ihm andere staatliche Maßnahmen entsprechen. Solange
der entsittlichenden Wohnungsnot schwer abzuhelfen ist, solange die
Arbeitslosigkeit weiter herrscht, die unsere öffentliche Ordnung
mehr als irgendein Film gefährdet, erscheint die Häufung der Zen
surdiktate als ein UeL ergriff ohne Vollmacht; um ganz von dem
subalternen Geist zu schweigen, dem die Verbote entwachsen. Ihre
praktische Folge ist eine V e r ä n g st i g u n g der Filmindu -
stri e, der durch das Wüten der Filmprüfer jede Lust Zu Wagnissen
genommen wird. Ob- man sich noch an die Verfilmung von Döblins:
„Alexanderplatz" herantraut, ist mehr als fraglich geworden. (In
zwischen wird bekannt, daß die von dem Verbot des Films „Die
Cousine aus Warschau" betroffene „Alliance-Film-Ge-
sell s ch a f t" tatsächlich ihre gesamte weitere Produktion von dem
Urteil abhängig macht, das am Dienstag von doc Oberprüfstelle
gefallt werden wiÄ. Sollte dre „Cousine aus Warschau" auch rn
zweiter Instanz verboten werden, so will -die „Miance", die u. a.
den „Alexanderplatz" verfilmen wollte, in Zukunft auf die Her-
stellmrg von künstlerischen Filmen verzichten und nur noch
G ch wank- F i l m"e drehen. Die Red.)
Aufklärung. .
Zwei sexuelle Aufklärungsfilme sind immerhin durchgelaMn
worden. Der interessantere von ihnen ist der Ru t Lma n n-Mlm:
„Feind i m Blu L", der im Verein mit der Deutschen Gesell
schaft Zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten gedreht worden
ist. Eine „Lonsymphonie", die drei Einzelfälle geschlechtlicher
Ansteckung mit statistischen Daten und Belehrungen über die ver
schiedenen venerischen Krankheiten und ihre Heilungen geschickt
kombiniert. Das große Talent Walter Ruttmanns bewährt sich
in diesem Film, in dem es einen bestimmten Stoff in bestimmter
Richtung entwickeln muß, viel besser und gelöster als in dem Film:
„Berlin". Die Handlungsfragmente sind ausgezeichnet überschnitten
und emmontiert; die Beziehung Zwischen diesen Abschnitten und
den der allgemeinen Aufklärung gewidmeten ist auf echt filmische
Weise hergesteLL worden: die Spreche wird nur dort angewandt,
wo sie wirklich nötig ist. Der einzige Einwand, der aber keiner
ist: daß der Ulm gerade wegen seiner fortgeschrittenen Lösungen
zu hohe Anforderungen sn ein breiteres Publikum stellt. —Der
andere Film: „Gefahren der Liebe" verknüpft eine durch
gehende, reichlich komplizierte Spielhandlung mit Instruktionen
- und Krankenvisiten, die ihren Vorsatz: abzuschreckrn, beinahe Zu
ausgedehnt verwirklichen. Manch einer wird rmtunter die Augen
geschloffen haben. Die DemonstraLionen schaden sicher mcht^. gber
sie nutzen auch wenig. Eigentlicher Held der Handlung, der außer
einem syphilitischen Trunkenbold auch der kriminalistische Einschlag
nicht fehlt, ist Albert Bassermanns prachtvoller StrafveriM
Toni van Eyk ist eine Dulderin von bewußter Einfachheit. —