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Eine kleine LeiPiöliotheK
mehr, ob sie Konserven in der Gestalt von Schoten oder
von
Werken anbietet; schon versteht sie sich auf die Behandlung der
eine
die geringste Neigung
Kundsngeschmacks zu
Spiel der Wolken zu
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veränderten Kundschaft, die ja tatsächlich immer dieselbe ist.
Eingerichtet hat den auf eigenes Risiko erworbenen Laden
zum Glück eines starken Zulaufs erfreuen.
Mit Recht verspürt die Besitzerin nicht
dazu, die etwaigen Gesetzmäßigkeiten des
ermitteln. Sein Wechsel scheint ihr dem
Gott sie geschaffen hat, so stehen sie in ihren Originaleinbänden
da, halten aus sich, als sollten sie verkauft werden, und funkeln,
als seien sie Delikatessen-
Vielleicht ist ihre Verwandtschaft E Feinkost nicht zufälliger
Art. Jahre hindurch hat die Besitzerin in einem LebensmiLLel-
geschäft gearbeitet, ehe sie sich zu ihrer jetzigen Tätigkeit entschloß.
So wunderbar der Uebergang von Milch und Butter zu Büchern
erscheint, er ist in Wahrheit nichts weiter als eine natürliche
Lesefrucht. Anders verdanken der Lektüre Unterhaltung oder gar
geistige Belehrung; die Besitzerin jedoch, die während ihrer Lebens
mittelzeit eine eifrige Benutzerin von LeihbiLliotheken gewesen ist,
hat aus den verschlungenen Bänden nur die eine, aber wirklich
anwendbare Erfahrung geschöpft, daß der Umgang mit Büchern
nicht allein schon, sondern-auch zweckmäßig sei. Und dann ist sie
eben eines Tages in die neue Branche geglitten. Rasch und tüchtig
hat sie sich in ihr umgetan. Schon macht es ihr keinen Unterschied
blai^n 'ch mrt der Bescher!» meines
OEmismus ^ 7 E -m-n gesunden
C K h uanndceenn a z u u f p1 l 0a0 u 0 d erens . tie I men s H eeinr b sA t, ucsoh h neou ff e t sK i er , im w in i ra d lro d m i ean Z ea h s l ol d leenr
u u gg .u u
Berlin, im August-
Wann immer :cy an die Leihbibliothek zurückdenke, der ich
vor vielen Jahren meinen Lesebedarf entnahm, so taucht ein
dunkler Raum vor mir auf, in dem zahlreiche eiserne Regale
nebenelnande-standen, die mit lauter abgewetzten Büchern gefüll*
waren, deren Einbände ihre Umgebung an Dunkelheit übertrafen.
Meistens war der Besitzer gar nicht aufzufinden, sondern zwischen
den Regalen versteckt. Dort fuhr er, bald unten am Boden, bald
hoch oben in den entlegeneren Ladenregionen, mit einer elektrischen
Taschenlampe wie ein Glühwürmchen an den Buchrücken entlang,
um irgendeine Nummer zu suchen- Kam er dann endlich zum
Vorschein, so brächte er in der Regel eine andere Nummer mit,
da die gewünschte gerade verliehen war- Das ganze Magazin
bestand sozusagen aus Ersatzmaterial, das die Fronttruppen aö-
lösen sollte. Oft traten Damen in den Laden, die ich gewisser
maßen bewunderte, weil sie immer nur die edelsten Produkte des
literarischen Fleißes verlangten und sich unter Thomas Mann
niemals zufrieden gaben. In ihrer Gegenwart bereitete es mir ein
besonderes Vergnügen, hörbar nach Kriminalromanen zu fragen.
Ich glaube, die Damen waren im Stillen über meine niedrige
Sphäre enttäuscht-
Seit kurzem habe ich die alten schlechten Lesegewohnheiten
wieder ausgenommen. Schuld daran trägt eine kleine Leihbiblio
thek, die vor genau 46. Tagen in unmittelbarer Nachbarschaft
meiner Wohnung eingezogen ist. Das Lädchen, in dem sie Haust,
erinnert in keiner Hinsicht mehr an die verstaubte Bücherhöhle von
damals. Wenn ich auch ihrer Dunkelheit und ihrem Scharteken-
geruch noch insgeheim nachtrauere dieser neue Verleih, dessen
Schicksal ich vom Tage seines Entstehens an mit Spannung ver
folge, übt doch eine nicht geringere Anziehungskraft auf mich aus.
Er ist ein tiefblau gefärbtes Schatzkästchen, das durch seine Appetit-
verleih in den anderthalb Monaten seines Bestehens gegen 600
Kunden erworben, und zu den 1500 Banden, mit denen er er
öffnet worden ist, sind schon 200 neue gekommen. Aus welchen
Kreisen die Kunden herbeiströmen, zeigt die Bemerkung der Be
sitzerin an, daß die Hälfte Doktoren seien. Hinzu treten Klein
bürgerfrauen, junge Leute und sämtliche Chauffeure vom Taxi
halteplatz gegenüber. Sie sitzen oft stundenlang beschäftigungslos
im Wagen und teilen die Wartezeit zwischen der Kneipe und <
Büchern. Ihre Lieblingslektüre bilden Abenteuerromane, deren !
Bewegtheit sie ein wenig für die unfreiwillige Muße entschädigt, i
Einen der Fahrer scheine ich neulich Lei einer besonders aben- s
teuerlichen Stelle unterbrochen zu haben, denn er hat mich erst nach >
einem kleinen Zögern befördert. Ich empfand hinterher Reue über
die durch mich verursachte Störung, da sie womöglich unmittelbar
vor der Lösung des Knotens erfolgte. Auch raste er zu meiner
Besorgnis, von der Ungeduld nach dem Abschluß verzehrt, allzu
bedenkenlos mitten durch den Verkehr...
Die verschiedenen Neigungen ihrer Kunden hat die Besitzerin
bereits gründlich erforscht. Sie weiß etwa, daß die Intelligenz sich
merkwürdigerweise gern an Kriminälromane hält, und verordnet
älteren Damen- mit Vorliebe die Bücher aus der Abteilung
„Leichte Lektüre". Was die Neuerscheinungen betrifft, so werden
sie nach ihrer Meinung nicht selten von Leuten begehrt, die mit
ihren Kenntnissen austrumpfen wollen. Gewöhnlich rächen sich
allerdings diese Bücher dadurch, daß sie das Mißfallen der
Renommisten erregen. So soll zum Beispiel Döblins vorzüglicher -
Roman „Alexanderplatz" schon wiederholt Enttäuschungen hervor
gerufen haben; eine Tatsache, die ich nur mit Bedauern ver
zeichne. Unverrückbar fest im Kurs stehen dagegen auch heute noch
Presber, Stratz, Greinz und Paul Keller. Die Besitzerin nennt sie
mit demselben Respekt, den sie früher vor gut gehenden Käse-
Auf meine Frage, welche modernen Werke zur Zeit die höchste
Gunst des Publikums genössen, blättert sie ihr Vormerkbuch durch.
In ihm sind an die 50 Interessenten eingetragen, die sich um den
in 12 Exemplaren vorhandenen neuen Remarque-Roman bewerben,
und ebenso viele, die für das Buch: „Die Kathrin wird Soldat"
20 Pfennig hingeben möchten. Es ist freilich nur acht mal vorrätig*
Wassermanns jüngstes Musenkind: „Ctzel Andergast" hat immerhin
6 Exemplare erreicht, eine Zahl, die ich in Anbetracht seiner
Dicke für ehrenvoll halte. Den Siegern dicht auf den Fersen sitzen:
Hausmanns „Kleine Liebe ßu Amerika", Georg Finks Roman
„Mich hungert" und Vandervelde: „Die vollkommene Ehe". Ja,
die Erotik. Ihr ist in meinem Lädchen das vielbesuchte Gefach:
„Galante Lektüre" eingeräumt, und vor allem die Sachen von
Pitigrilli florieren. Doch ich will mich gar nicht in Einzelheiten
verlieren, sondern nur noch erwähnen, daß auch Thieß zu den
Stammfavoriten gehört und die Werke von Traven sich neuerdings
Firma, die sich mit der Belieferung von Leihbibliotheken befaßt.
So selten diese Kleinbetriebe noch im Berliner Westen anzu-
Lreffen sind, in den die Inhaberin mit dem Wagemut eines
Pioniers vorgestoßen ist, so üppig gedeihen sie im Südostsn und
Norden; vielleicht weil dort die Arbeitslosigkeit besonders nach
haltig dazu drängt, die leere Zeit auszufüllen. Ahnen allen liegt
das seit ungefähr zwei Jahren in Berlin eingebürgerte sogenannte
psandlose System zugrunde, nach dem ein Personalausweis zur
Entnahme von Büchern genügt. Man zahlt eine einmalige Ein-
schreibe gebühr von 20 Pfennig und für jedes entliehene Buch pro
Woche den glerchen Betrag. Neuerscheinungen sind etwas teurer,
ost 1 Ma?^ übersteigt die Leihgebühr
Die o, r
E^ben nur Sport bald eintreffen. Ich freue mich schon darauf; denn die alten Hab
getrieben wird, es wird auch gelesen, jedenfalls hat der Buch- ich alle gelesen. S. Krakauer.
gleichen, die da kommen und gehen, und hängt er überhaupt von
einer festen ^Instanz ab, so allenfalls von der Zeitungskritik, die
nicht minder eine meteorologische Erscheinung ist. „Wir haben eine
gute Kritik darüber gelesen"; mit diesen Worten fordern manchmal
Kunden ein gerade besprochenes Buch. Die Besitzerin händigt es
ihnen mit der gleichen Bereitwilligkeit aus wie ein unbesprochenes.
Ob sie noch Zeit und Lust hat, die Bücher selber zu lesend Ich
denke mir, sie ist überfüttert mit ihnen wie ein Konditor mit
Kuchen. Und dann ist es ja auch schon herrlich genug, die Bücher
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w u u p zuv .
oft bin ich nicht Zeuge dieser entzückenden Tätigkeit gewesen! Die
"us und kehren zurück, und wahrend ihrer Ab- '
l C -r h tigung finde l t d d ie Inh I aber H in b im t mer n h oc f h ft Ze i it, m i i d t m di ir ü Z be h r l r d hre
lichkeit reizt. Eine Markise beschützt seine Front, und im Innern .
umgürten übersichtliche Reihen von Büchern den Raum.