när gehören sollen, der mit dem Städtchen angeblich Großes vorhat.
Aus dieses Gerücht hin erreichen die B-ewohner aus ihrer Lethar
gie, und die Folge ist, daß sich das Städtchen zur Weltstadt ent
wickelt. Selbstverständlich waren die Koffer nur durch ein Versehen
dorthin verschlagen worden. Es lohnte sich nicht, auf die Verfilmung
dieses mageren litemrischen Aperyus einZMehen, wenn nicht Leo
Lama, der mit Granowsky das Drehbuch angefertigL hat, in ein
öffentliches Entzücken über seine eigene Schöpfung aus geb rochen
wäre. Er sagt ihr unter anderem nach, sie entlarve „eine Wirt
schaftsordnung, die den Widersinn MM ehernen Gesetz erhebt";
während sie in Wirklichkeit den Kapitalismus, den sie anscheinend
wenrt, nicht im geringsten trifft oder auch nur betrifft. Ferner
stellt er sie als einen Versuch hin, „der aus den Gesetzen des Ton
films heraus Bild, Wort und Musik verbindet und Zu einer künst
lerischen Einheit gestalten will". Aber sie denkt gar nicht daran.
Granowsky mag ein ausgezeichneter Theaterregisseur sein, von den
Gesetzen der Filmkompositisn weiß er noch wenig. Statt die Reali
tät zu zeigen, die dem Film Zugekehrt ist und nur durch ihn er
schlossen werden kann, zwingt er die Kamera zur Aufnahme stili
sierter Groteskszenen, die auch eine Kleinkunstbühne zu gestalten
vermöchte. Abgelebtes Kunflgewetbe, dekorative Mache und satirische
Einfälle, die erst nachträglich ins Optische übersetzt sind —- das un
gefähr ist das Milieu, das bis zum Ueberdruß abgewandelt wird.
Hinzu kommen plane Kästner-Songs, die von Karol Rathaus frei
nach der Dreigroschennper komponiert sind. Ein hohles Zeug, das
kaum minder unerquicklich ist als die literarische PrätenLLon, mit
der es auftritt.
Der Film: „N iemandslaud" von Leonhard Frank und
Victor Trivas — dieser hat die Regie geführt — ist so etwas
wie eine pazifistische Legende. Fünf Soldaten, die den verschie
denen kriegführenden Nationen angehören, werden ins Niemands
land zwischen den Schützengräben verschlagen, halten dort in einer
Ruine Kameradschaft miteinander und brechen schließlich, während
die Schlacht weitertobt, gemeinsam gegen die Stacheldrahtverhaue
auf, um den Krieg zu besiegen. Das Ende: Man sieht die Fünf
marschieren, ihre Gestalten werden immer mächtiger und erfüllen
Zuletzt den Horizont. Die Frage ist, was ein solcher Film in einer
solchen Zeit bewirken kann. So gut wie nichts, und daran trägt er
selber die Schuld. Denn er appelliert nur an ein Friedensbedürf
nis, das in allen Menschen vorhanden ist, ohne aber diesem Be
dürfnis irgendeine praktische Möglichkeit der Betätigung Zu er
öffnen. Im Gegenteil! Genau an den Punkt, an dem es darauf
ankäme, im Interesse der Förderung des Friedens verändernd in
die Situation einzugreifen, verflüchtigt sich die Handlung zur sym
bolischen Demonstration der fünf Soldaten. Die Geste der Fünf
wirkt aber um so verstimmender, als sie im Verlauf einer ganz
realistisch geschilderten Schlacht vollzogen wird und ihre Ohnmacht
E . -wird der ungesetzliche Kampf der japanische» Kvmmunchen
a" ein nachahmenswertes Beispiel gefeiert. Dadurch sollen auch
die deutschen Leser und „Klassengenossen zum Ungehorsam gegen
die Gesetze und rechtsgültige Verordnungen angereizt werden." Wie
übertrieben die Stuttgarter Besorgnisse sind, geht schon daraus
hervor daß die Erzählung nach einer Mitteilung des Mopr-Ver-
laas im Land der Kirschenblüten selber nicht verboten worden ist,
sondern sich dort der ossiziellen Freiheit erfreut. Was der japa-
Berlin, Ende Dezember.
Die neuesten Erzeugnisse der Filmproduktion lassen sich in
thematischer Hinsicht schwer auf einen Generalnenner bringen. Rein
negativ ist allenfalls festzuftellen, daß die Operetten- und Schlager
filme, die uns eine Zeitlang erschlugen, sich nun selber geschlagen
in den Hintergrund zurüöziehen, und auch jene Filme vom Schau
platz abgetreten zu sein scheinen, in denen ein kleines Laden
mädchen am Schluß eins gefeierte Künstlerin wurde oder doch
ihren Generaldirektor kriegte. Nicht so, als ob die Wunschträume
auDgeträumt seien, aber sie werden von den Zielen im Stich ge
lassen, denen sie gelten Denn mit manchen Generaldirektoren zum
mindesten ist heute kein Staat mehr zu machen, und überhaupt wird
die Not viel Zu tief und allgemein empfunden, als daß das Publi
kum noch an eines der Paradiese zu glauben vermöchte, die ihm die
Filme bis vor kurzem vorzugaukeln beliebten. Vorbei ist einstweilen
dis Jazzmusik, die Girlrevue, das High-life in den Hotelhallen;
vorbei die ganze, von der Filmindustrie systematisch aufgezo^ne
Zerstreuungskultur, die immerhin nur solange möglich war, als die
Massen betäubt werden konnten. Inzwischen sind sie durch das un
aufhörliche Gekrache aus dem Halbschlaf erwacht; womit allerdings
nicht gesagt sein soll, daß sie auch sehend geworden wären.
Der Katastrophe, als illusorisch durchschaut M werden, der so
viele Illusionen zum Opfer fielen, sind allein die Militärfilme
glücklich entronnen. Sie blühen und gedeihen in der Gestalt von
Schwanken minderen Grades und von schmetternden Großfilmen
mit Stars und Trara. So gut aber auch die Konjunktur für diesen
Markenartikel ist, er befriedigt doch die Nachfrage nicht ganz. Und
das Problem entsteht, welche Waren jetzt eigentlich hergestellt wer
den sollen, nachdem die noch jüngst gepflegten Serienfabrikate in
folge der Unseligkett unserer wirtschaftlichen und politischen Zu
stände ausgespielt haben Jedenfalls kann die Filmindustrie nicht
mehr schematich das Garn weiter abspulen, das sie so lange ge
werbsmäßig spann. Sie muß andere Modelle schassen, neue Muster
entwickeln. Kein Zufall, daß dre Produktion zur Zeit sehr gemischt
ist und auch die Zufallstreffer nicht fehlen. Der Film: „Mädchen
in Uniform" lvergl. meine Besprechung im Feuilleton der Reichs-
aüLKLe vom 1. Dezember) ist einer gewesen. Aber er steht genau
so vereinzelt da wie der Papst-Film: „Kameradschaft", und es steht
vorerst nicht danach aus, als ob sich auf dem Trümmerfeld Zer
störter. Ideologien, entwerteter Surrogate und wirkungslos gewor
dener Rauschmittel gerade die besseren Kräfte, die gehaltvolleren
Wercke behaupteten.
' In höheren Sphären glaubt sich der neue Gran owsky-
Mm: „Die Koffer des Herrn O. F." Zu bewegen. Tat
sächlich ist er höherer Nonsens. Sein Thema: Im Gasthaus eines
kleinen Städtchens treffen zahlreiche Koffer ein, die einem Mllio-
Der Iilm im Dezember
Von G- Rracarrer.
Dezember. ! irischen Regierung recht ist, könnte unS aber um so billiger sein,
»-als dime isn ' dem Bündchen danirgoesütellten Verhältnisse mMit den hie--
sigen keineswegs übereinstimmen. Weder ist die deutsche Kommu
nistische Partei verboten noch auch bedient sich unseres
ErachtenS die deutsche Polizei des Mittels der Foltcmng, um
politischen Gefangenen Geständnisse abzupressen. Der Manische
Bericht vermag also schon darum nicht die befürchteten Gefahren
heraufzubefchwören, weil die in ihm vergegenwärtigten Zustande
grundverschieden von den unsrigen find. Kurzum, die SMlgarttt
V ^ erfügun b g d i ü st f so wenig stichhaltig, daß sie dringend einer Auf-
Auf Grund der Verordnung zur Bekämpfung politischer Aus
schreitungen sind neuerdings zwei Bücher kommunistischen Inhalts
verboten worden. DaS eine: „Der 15. ^^^ ^928 , ^s die
Polizeibehörden inStuttgart und Chemnitz beschlagnahmt
haben, ist eine in der neuen 2V-Pfennig-Mne: „Rote Reihe des
Mopr'VcrlagS erschienene japanische Ar b e i t e r - E r z ay-
lung von Takisi Kobayasli. Sie berichtet über Ereignisse
aus der Geschichte der illegalen Kommunistischen Partei ^apanS
und verweilt besonders ausführlich bei den Folterungen der ve^ ung bedürfte,
hafteten Arbeiter und Intellektuellen durch die Polizei. Natürlich worden tk ferner nach einer Berliner ZettungS-
' bejaht die kleine Schrift den Kampf der japanischen Kommunisten > „Eium für den Bereich des Freistaats Preußen das Buch:
gegen die Regierung und das Martyrium, das die gefangenen Par-! Mgie Signale". Es enthält Gedichte, die alle ohne Aus-
teimitglteder erleiden. Wie aber aus dieser Tatsache die simstren ^hme in der Arbeiter-Illustrierten-Zeitung er-
Schlüsse der Stuttgarter Verfügung gezogen werden können, ist schienen find. Sie stammen von Kurt ^ucholfly, Errch WeE
u k n ^ s E vo s llk o ommen unverständlich. ,Jn der verherr P lic o h li e z n e d ip e r n äs S id c i h u i m lde , - Ka un m d pf a zi n e d le ere e n in. un Z d ahl s r e e t i z c e h n e si P ch ho d to u s rch u weg n f ^ ür die kommum m s a tr c f h ch en en
A^sMbe"nich.t/GuteS^ M, beweist der folgend« Satz
^z tz^orbeErkung: Wegen der letzten Notverordnungen !chnnt«
„
vor. der AJZ veröffentlichten Gedichte in diese»
dand nicht ausgenommen werden, um die Verbreitung dcS Buches
,nicnhicthtZuzugegfäefhärhdredne/n."WWirir bbeeggnnüüggeenn uunnss ddaammiti,t, vdnasS Vervbokt
Kenntnis zu geben und fragen uns nur, t» die Zensur
benso empfindlich reagiere, wenn dre öffentliche uns
Ordnung von der anderen Seite her als gefährdet erscheint.
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