Skip to main content

Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

'Uroleiarische Schrifistesser in Irankreich 
Gründe auf.z.u.weis.en, die .für al.le echten Revolutionäre maßgebend 
smd, denen eme Veränderung der Welt am Herzen liegt . . 
Du'- hie'-r getroffenen Abgrenzungen sind zweifellos nicht nur 
des Augenblicks oder der jeweils führenden Männer diktiert wer 
den, wollen nicht heute verteidigen, was wir morgen der Bedürft 
niste einer Eintägspolitik wegen verurteilen müßten, die den 
Notwendigkeiten der Stunde gehorcht. Ich Lestreite, daß die Rolle 
ines revolutionären Schriftstellers gerade hierin besteht. Wir 
weigern uns zum Beispiel zu sagen, daß Trotzki ein Gegenrevo« 
lutionär sei, ein „Vorkämpfer der Bourgeoisie" . . - Wir weigern 
uns, dis Verleumdungen und Lügen anzuerkennen und zu bestä 
tigen, die ihn in den Augen des Proletariats zu beschmutzen 
suchen . - . Nach unserer Meinung hat ein revolutionärer Schrift 
steller richt so sehr die Aufgabe, Schmähungen dieser Art zu Ver 
Im Hinblick auf unsere deutschen Verhältnisse scheinen mir am 
mterestantchen jene Formulierungen zu sein, in denen die Be 
ziehung der Gruppe zur Partei und zur ParteipoliLik fest 
gelegt wird. Sie lauten im Auszug wie folgt: 
„Das Proletariat ist in Frankreich gespalten und in seiner 
überwiegenden Mehrheit noch nicht organisiert. Wir wünschen 
nicht aus unseren Reihen gewisse Arbeiter zurückzuweisen, weil sie 
Trotzkisten, Anarchisten . « parteilos oder reine Syndikalisten 
sind. Welche politische Ueberzeugung immer sie hegen: ihre Aus 
sagen bilden den notendigen Bestandteil einer proletarischen Lite 
ratur, die diesen Namen verdient. Es ist nicht unsere Sache, Zu 
gunsten der einen oder der anderen den Ausschlag zu geben - * - 
Wenn wir sagen, daß wir nicht die Verkünder der Losungen 
emer Partei sein wollen, so ist diese Erklärung wie folgt zu ver 
stehen: wir wollen in unseren Werken nicht alle Schwankungen 
und Widersprüche mitmachen, die einer Partei durch die Taktik 
, 2.Z. LA. LYF 
In Paris hat sich vor kurzem eine „Gruppe proletari 
scher Schriftsteller französischer Sprache" ge 
bildet, auf die ich hier aufmerksam machen möchte. Die Gruppe, 
der unter anderem Marc Bernar d, E. Dabit, A. Habar u, 
Ueber die Aufgabe des Kikmkriiikers. 
Zur Tagung des Reichsver Landes Deutscher 
Lichtspiel-Theater-Besitzer, die in Frankfurt vom 
23. bis 2'6. Mai stattfindet. - 
Die Frankfurter Tagung der Lichtspieltheater-Besitzer bietet 
mir einen guten Anlaß, mich einmal etwas allgemeiner über 
die Aufgaben einer unabhängigen Filmkritik zu äußern; jener 
Filmkritik, die wir seit Jähren in der „Frankfurter Zeitung" 
Zu pflegen suchen. 
Der Film ist innerhalb der kapitalistischen Wirtschaft eine 
Ware wie andere Waren auch- Er wird — von wenigen Out 
sidern abgefehm im Interesse der Kunst oder der 
Aufklärung der Massen produziert, sondern um des Nutzens 
willen, den er abzuwerfen verspricht. Jedenfalls gilt das für 
die große Masse der Filme, mit denen es der Filmkritiker 
immer wieder zu tun hat. 
Wie soll er sich ihnen gegenüber verhalten? Diese Filme 
sind bald besser, bald schlechter arrangiert und je nach dem 
Einsatz der Mittel und Kräfte mit einem größeren oder ge 
ringeren Aufwand hergestellt. Es versteht sich von selbst, daß 
die Kritik — gerade die Tageskritik - solche Unterschiede 
sorgfältig beachten muß, und manche Kritiker beschränken sich 
ja auch wirklich darauf, Lei der Würdigung irgendwelcher 
Filme alle möglichen EinzeHeitm die" ihrem 
Geschmack entsprechen oder nicht entsprechen. 
Aber in einem derartigen Verhalten, das noch dazu 
merstens von ganz ungeklärten. Empfindungen ausgeht, kann 
sich die Aufgabe des Filmkritikers dem Durchschnitt der Pro 
duktion gegenüber nie und nimmer erschöpfen. Denn so wenig 
die filmischen Durchschnittsleistungen als Kunstwerke gewertet 
zu werden Verlangen^ ebensowenig sind sie gleichgültige Waren, 
denen durch eine rein geschmackliche Beurteilung schon Ge 
nüge geschieht. Siemben vielmehr außerordentlich wichtige 
gesellschaftliche Funktionen aus, die kein Filmkritiker, der 
diesen Namen verdient, unberücksichtigt lassen darf. 
In der Tat: je ärmer die meisten Operettenfilme, Militär 
filme, Lustspielfilme usw. an Gehalten sind, die einer strengen 
ästhetischen Beurteilung standzuhalten vermögen, desto mehr 
fällt ihre soziale Bedeutung ins Gewicht, die gar nicht über 
schätzt werden kann. Das kleinste Nest hat heute sein Kino, 
und jeder halbwegs gängige Film wird durch tausend Kanäle 
an die Massen in Stadt und Land herangebracht. Was ver 
mittelt er den Püblikumsmasien und in welchem Sinne beein 
flußt er sie? Das genau sind die Kardinalfragen, die der ver 
antwortliche Betrachter an die Durchschnrttserzeugnisse zu 
,richten hat. , ___ 
teidiger und zu verbreiten, als die Verpflichtung, die Liefen 
Henri Poulaille angehören, gibt jeden Monat ein vorerst 
vierseitiges: „Bulletin äos serivaiW xrolstarieus" heraus, das 
schon zweimal erschienen ist. Den programmatischen Erklärungen 
dieser beiden Nummern sind alle nötigen Auskünfte über die Hal 
tung und die Ziele der Gruppe zu entnehmen. Sie tritt für die 
sozialistische Revolution ein, ist bereit, Rußland zu verteidigen, 
und will auf literarischem Gebiet das Selbstbewußtsein des Pro 
letariats wecken und seine Emanzipation herbeisühren. Die letz 
tere Aufgabe, die sie spezifisch als die ihre ansieht, soll durch dis 
Mobilisierung der Ausdrucksfähigkeit der anonymen Masten gelöst 
werden. Man möchte, mit anderen Worten, nicht nur selber schrei ¬ 
Leu, sondern auch den Arbeitern helfen, sich über ihr Dasein für Frankreich wichtig. Welche reale MaG 
Rechenschaft abzulegen und den „Schrei der Empörung" (eri äs über lurz oder lang zeigen. Lr. 
rövolts) auszustotzen. Beabsichtigt ist die fortlaufende Veröffent 
lichung der Dokumente, die auf diese Weise entstehen. 
daß zwar manche Filme aus- 
LruckuH politische und soziale Tendenzen verfolgten, aber das 
Mss doch lediglich gehobene Unterhaltung oder billig^ 
streung bezwecke. Der Einwand ist richtig und unrichtig zu 
gleich. Gewiß befleißigen sich gerade die typischen Filme an 
scheinend der Tendenzlosigkeit; damit ist aber keineswegs ge 
sagt, daß sie nicht mittelbar bestimmte soziale Interessen 
verträten. So muß es auch sein. Denn einmal können die im 
herrschenden Wirtschastssystem verankerten Produzenten nicht 
aus ihrer Haut, und zum andern sind sie um des besseren An 
satzes willen darauf angewiesen, die Wünsche und Bedürfnisse 
der noch einigermaßen zahlungsfähigen Bevölterungsschichten 
zu befriedigen: von Konsumenten also, deren Schicksal eben 
falls im großen und ganzen an die AufrechLerhaltung des 
gegenwärtigen Gesellschaftszustandes gebunden ist. 
Die Aufgabe des zulänglichen Filmkritikers besteht, nun 
meines Erachtens darin, jene sozialen Absichten, die sich oft 
sehr verborgen in den Durchschnittsfilmen geltend machen, aus, 
ihnen herauMa^ Tageslicht zu ziehen' das.' 
sie nicht selten scheuen. Er wird zum Beispiel zu zeigen haben, 
was für ein GesellschastsLild die zahllosen Filme mitsetzen, 
in denen eine kleine Angestellte sich zu ungeahnten Höhen em- 
porschwingt, oder irgendein großer Herr nicht nur reich ist, 
sondern auch voller Gemüt. Er wird ferner die Scheinwelt 
solcher und anderer Filme mit der gesellschaftlichen Wirklich 
keit zu konfrontiereu und aufzudecken haben, inwiefern jene 
diese verfälscht. Kurzum, der Filmkritiker von Rang ist nur 
als Gesellschaftskritiker denkbar. Seine Mission ist: die in den 
Durchschnittsfilmen versteckten sozialen Vorstellungen und 
Ideologien zu enthüllen und durch diese Enthüllung den Ein 
fluß der Filme selber überall dort, wo es nottut, zu brechen. 
Ich habe mit Absicht nur die der Durchschnittsproduktion 
gegenüber gebotene kritische Einstellung behandelt. Filme, die 
echte Gehalte bergen, waren und sind selten. Bei ihrer Be 
trachtung darf natürlich der Akzent, nicht allein auf der sozio 
logischen Analyse liegen, sondern diese hat sich mit der imma 
nent-ästhetischen zu durchdringen. Auf die Schwierigkeiten einer 
solchen Durchdringung kann indessen hier nicht mehr ein 
gegangen werden. 8. Lraeausr.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.