Mt-Berlin im Wetten.
Lümmer ist Boutaus
b^^^s Desekiekts kehrt in Bildern,
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Keißer Abend.
Berlm, im Juni.
Jetzt in den heißen Tagen öffnen sich abends die Poren
Berlins, und die Stadt dünstet ihre Menschen aus. Viele sammeln
sich aus dem Kurfürstendamm und wälzen sich ununter
brochen fort — ein träges Gewühl, das genau so glüht wie der
Asphalt; Man sieht ihn nicht mehr, denn er wird vollständig vom
Ineinander menschlicher Körper bedeckt, die eine lebendige Schicht
über der toten bilden. Und wo sie aufhören, beginnen gleich die
Karosserien, aus denen Köpfe herausragen, die wartenden Wagen,
die in Laub gehüllt sind. Das Laub raschelt nicht, sondern ist still
und erschöpft. Endigte es noch im Himmel! Aber vom Himmel
wird es durch die Lichtreklamen getrennt, deren farbige Zeichen,
Worte und Linien die Höhe beherrschen. Sie sind grell wie die
Hitze, erhellen Bruchstücke von Dächern, Türmen und Karyatiden,
und werfen zusammen mit den Bogenlampen einen betörenden
Schein auf das Menschengewimmel. Es ist bunter noch als die
Lichter. Kleine Pärchen, Provinzler, junge Dandys, vornehme
altere Herren, vierschrötige Männer, Dämchen, Damen und Mäd
chen, Arbeiter, Gelegenheitsmacher, vergnügte nächtliche Banden
— aus allen Ländern und Stadtquartieren sind sie hier zusammen
geströmt. Außer dem Pflaster und der schwülen Luft, die sie ein
atmen, haben sie kaum etwas miteinander gemein. Im Gegenteil,
so dicht sie sich streifen und kreuzen, so scharf und unvermittelt
grenzen sie sich gegenseitig ab. Keine Atmosphäre ist zwischen den
Gesichtern, keine Woge nimmt das Widerstrebende mit. Sämtliche
Konturen sind vielmehr von einer Härte, die unduldsam ist. Armut
und Reichtum, Unschuld und Laster: diese Begriffe aus den Kin
derbüchern, die sonst vielfach abgewandelt werden, verkörpern sich
an solchen heißen Abenden auf dem Kurfürstendamm und ziehen,
grün oder rot beleuchtet, zwischen Laubfolien und Restaurations
gärten dahin. Der Bettler singt. Der Portier schließt die Wagen
tür. Ein Jüngling flüstert Liebesworte. Die Herrschaften lachen.
Durchs Halbdunkel wirbeln Prozente.
Es ist die Hitze, die jeden einzelnen so aus sich heraustreibt.
Wie sie den Asphalt erweicht, so löst sie die Menschen auf, bis sie
sich völlig zeigen. Sie haben Röcke und Westen zu Hause gelüsten
und wirken in diesem Zustand nackter als ohne Kleider. Hosen
träger straffen sich sichtbar, durchschwitzte Hemden kleben am Leib
und dünne Blusen drohen zu platzen. Der Körper ist an die
Oberfläche getreten und nicht nur der Körper, sondern alles, was
in und um ihn ist, der ganze Mensch selber mit Haut und Haaren.
Die vorquellenden Augen enthalten seine Begierde, das Miß
vergnügen sitzt in den überdeutlichen Pickeln, und der Gang ist
eins mit der Not. Die Geheimniste verdampfen, Neid, Haß, Glück
und Einsamkeit wölben sich öffentlich im Raum. Sie drücken sich
in der Sprache der Glieder aus, deren schwellende Plastik nicht
übersetzen werden kann, sie vergegenwärtigen sich durch Gebärden,
die nach ihrem Verschwinden noch lang in der Luft stehen.
Nichts bleibt zurück und alles ist außen.
Auch dieStimmen sind ungedämpft; es ist, als seien über
all verborgene Schalltrichter angebracht. Die Rufe der Zeitungs
verkäufer gellen, Frauen kreischen, und Worte, deren Hülle durch
geschmolzen ist, brechen aus der Finsternis hervor. Wer unter
schiede noch verständliche Fetzen in dem Gebrüll? Es sei denn, daß
man das Gegeneinander der Stimmen heraushörte, die Qual,
die nur schreien will, und die Lust, hier auf der Erde zu sein.
Die Figuren sind Entladungen und das Tosen ist eine Explosion.
8. Lraeaner.
Narr sokrsibt uns aus Berlin: V^ird sonst in Berlin neu ssbaut,
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Lümmer ist Boutaus xsMiämet, ein anderes äsr Ba^Iioni, ein drittes
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xeiüllt: Vasen und BiskuitkiAursn aus äer Bpooks Sohinkels unä
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8tammti8eüs äes vorigen äahrhunäerts ins OeääoUtnis riurüekAeruien
weräen. Bresken von Vialter Lrier halten äie laielrunäe äes
„Llaääeraäatseh^ lest, . ver^sbenwärtiFSn äsn „Bunuel über äsr
Sprss". Bin §roüer Bries §ilt dem alten „Oats Q r o Ü e n w a h n"
selber, in äem naeL 1900 die ^an2s Berliner LohLme (Beter Rille,
Bise Basksr-Sehüler usw.) residierte. Nan siebt sie alle wieder, die
Boten und dis noeb Bebenden, mit Binsekluö des roten Biobarä,
äer die Leitungen ausirux und leider vor Kursem verstorben ist.
Davor sieben die bekrittelten und bemalten Stammtisobe, aueb sie
aus der VerZänAliebkeit gerettet. IVas einst aus der. Bür^erliebkeit
in äie Dakä-Vildnis Rüebtsttz, ist iettt 2um Dekor derselben LürAer-
liobLeit geworden. —sr.