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Gedenkfeier
für MaLLHsr K^thenacU
—SL» Berlin, 24. Fum.
Der Deutschs Republikanische Reichsbund und
das Reichsbanner feierten heute abend das Andenken Wak-
ther Ratheuaus im Llumengeschmückten Plenarsitzungssaal des
Reichstages. An der gleichen Stätte, an der vor Zehn Jahren der
Sarg des von Mörderhand gefallenen Ministers aufgebahrt worden
war. Jene Zeiten sind uns, die wir sie miterlebt haben, schon
beinahe historisch geworden. Aber als die Fahne der Republik
hochgezogen wurde, stiegen sie mit ihr langsam empor und
kehrten wieder in die Gegenwart Zurück, die trüb ist wie sie. Es
war, als beschwöre die Fahne selber, die das Symbol der Repu
blik ist, die Erinnerung an den großen Toten herauf, der die
Republik mitgeschaffen und für sie das Opfer seines Lebens
gebracht hat. Ihn, den „Märtyrer der Republik", feierte Ober
bürgermeister Dr. Luppe (Nürnberg) in kurzen einleitenden
Worten, die der Vergangenheit galten und dem Heute zugewandt
waren. Denn sie legen den Sinn dieser Stunde dahin aus, daß
Rathenau ehren nichts anderes heiße, als sich für den. Kampf
stählen, der um den Volksstaat entbrannt ist.
Auch Graf Harry Keßler begriff in seiner wohldurch
dachten und formsicheren Gedenkrede Rathenau nicht als historische
Erscheinung, sondern als eine aktuelle Gestalt. Was aber bedeutet
dieser „Wegsucher" unserer Zeit? Er hat zunächst, so etwa formu
lierte der Redner, schon lang vor dem Krieg die politischen
Gefahren erkannt, von denen unser Volk noch heute bedroht ist,
und dann nach dem Krieg die Folgerungen aus seinen Erkennt
nissen gezogen. Wie sie es ihm ermöglichten, die UnhaltLarkeit
des Versailler Vertrages und den wirtschaftlichen Widersinn der
Reparationen zu durchschauen, so bestimmten sie ihn dazu, sich
rechtzeitig mit den Problemen des Wiederaufbaues zu befassen.
Dank dieser konstruktiven Einsichten vermochte er der deutschen
Außenpolitik in einer der schwierigsten Epochen unserer Geschichte
eine Idee zu schenken und jene Linie einzuschlagen, die früher oder
später zur Befreiung Deutschlands führen muß. Durch die äußere
Befreiung hat er im Innern die des-deutschen Menschen er
reichen wollen. Freiheit des Menschen: das war in der Tat 'die
Mitte seiner von Graf Keßler geistreich skizzierten Philosophie. Um
oieser Freiheit'willen bekämpfte er den alten Obrigkeitsstaat, wurde
zum Verteidiger der jungen Republik. Als der große Praktiker,
der er war, erkannte er aber auch, daß die menschliche Freiheit
im Zeitalter der Masten nur unter gewissen sozialen und
wirtschaftlichen Bedingungen zu realisieren ist. Alle seine
Schriften Zeugen von einem leidenschaftlichen Ringen um das
Problem, wie Seele und Mechanisierung miteinander zu vereinen
seien. Vermochte er es auch nicht zu lösen, so wies er doch einen
Weg. Und zwar war ihm bewußt, daß der Prozeß der Mechani
sierung nicht mehr rückläufig gemacht werden könne, sondern im
Dienste der menschlichen Seele noch intensiviert werden müsse.
Der Weg, den er meinte, führte zum Sozialismus, zur Ver
wirklichung der Planwirtschaft, deren Lebensfähigkeit schon im
Krieg bündig dargetan worden war. Und nur in dem einen,
allerdings wesentlichen Punkt unterschied er sich von Marx: daß
er vom Sozialismus nicht die Befreiung des Menschen erhoffte,
vielmehr umgekehrt die Herbeiführung des Sozialismus von der
Schaffung eines neuen Menschentypus abhängig machte. Damit
aber wurde er zum Künder und Führer der in Umbildung
begriffenen deutschen Jugend von heute. Graf Keßler
verweilte bei dieser Jugend und deutete die radikalen politischen
Bewegungen, denen sie sich Zum großen Teil angeschlossen hat, als
religiöse Bewegungen, die auf den neuen Menschen gerichtet sind.
Unter schweren Wehen wird er geboren werden, und schon sieht
man seine Konturen. Phhsiogonomische Veränderungen haben
stattgefunden, die Architektur ist neu geworden, und auch der Sport
weist auf die kommenden Dinge hin, die Welcher Rathenau er
träumte. Der Redner erinnerte an fein Wirken für Deutschland
vor, in und nach dem Krieg, an seinen Kampf gegen die Ver
leumdung Deutschlands und an die mit feigem Mord vergoltene
Liebe, die er, der Jude, für die germanische Raffe empfunden habe.
Den Antisemitismus geißelnd, der unser Volk verunziere, drückte
der Redner am Schluß die Hoffnung aus, daß der „Karneval der
Verzweiflung", in dem wir uns heute befinden, bald zu weichen
beginne.
Mit dem Dank Dr. Luppes an Walth.er Rathenau und dem
Gelöbnis, ihm nachleben zu wollen, ging die schöne, würdige FeieZ
Zu Ende, " - -
o 6 or § 8 ebäksrs R o m a n: „8 trL e n
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284 8eiten. Lart. .F, 3.40) ist ein einkaebsr, Lm
lebton erMbltsr Re riebt, äer keinen ^.nsprueb
auk Lunst maebt. Lein Relä, ein kleiner ^.ngs-
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Oe^altaktes -vegen ins bekängnis, gebt äann auk
äis ^alös, lebt lang äas Reben äer Arbeitslosen
mit unä organisiert sulstZt, äureb einige glüek-
Rebe Ilmstänäe" begünstigt, eine Lr^srbsltzMN-
8ieälun§, äie als eine ^rt von ^.usnmg aus äem
RRnä ersebeint. 8olebe Verlebte sinä sebon bin-
reillsnäer gestaltet, mit bärterem Orikk äer ^Virk-
liebkeit abgerungen vmräen. Oennoeb bat äas
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bestellt, Kur? gesagt, äarin, äab sieb bisr eine
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Verbältnissen vollmebt. Unä L^ar n-irä äie katbo-
lisebe Haltung piekt als llenäems an äen ^8tokk
berangstragen, sonäern im Material selber ont^
vü ekelt. 8is prägt sieb in äer Rübrung äes Ls-
riebts aus, äis xum Rntsrsebieä von gesellsebakts-
kritiseben Reportagen soMologisebe Lstraebtun-
gen meiäet: sie verkörpert sieb in einer . Rigur
vie äer äes Raplans Rranä, äer seelsorgerisebs
Tätigkeit mit xraktiseber Rilkelsistung verbindet
unä als Mittler ge^issermaben äen Leblüssel äes
Rsils in Vänäen bat; sie grenzt sieb in vsrsebie-
äenen (lespräeben ausärüeklieb von anäersn Hal
tungen ab. 80 kommt es einmal 2u einer ""Vis-
kussion Zvüsebsn einem kommunistiseben Arbeits
losen unä einem dlationalistsu, in äer sieb äer
^utor äureb äen Munä äes Laxäans gegen beiäs
Kiebtungen venäet. ^Vie er äie dlaebabmung äes
russiseben Beispiels verwirkt, so verneint er aueb
äis Aulässigkeit äer rsebtsraäikalen läeologie:
„Das dlationals, vis 8is es nennen, ist et^as
Ftzlbstverstanälmbes, äab man es niebt immer be
tonen muü." Lbenso äeutlieb verurteilt er gs-
^visss ^ussobreitungen äes AApitalismus; vor-
allem jene unmäüig aukgeblabten Ilnternebmun-
gen, äie trüber oäer später platten müssen. Lpraeb-
robr äer Lritik ist ein besonnener, mittlerer In-
äustrieller, äsr angesiebts äer vielen LrasbZ rings
um ibn erklärt: „O-robmannssuebt in (lemein-
sebatt mit ^xnisebsr 8krupsl1osigk6it kann aueb
äas kestssts OsbLuäs 2um sanken bringen." l)er-
sslbe Inäustrielle kinanMert am Zeblull aueb äas
8ieälungs^erk, äas obns seine IInterstütLunZ gar
niebt in ^ngritk genommen veräsn könnte. Vine
latsaebs, aus äer sebon einäeutig bervorgebt, äall
äas optimistisebe Vnäs äes Romans keinen ge
nerellen Bösungsversueb bringt, sonäern sieb auk
äis Veransebauliebung einer ^.usgleiebsmög-
liebkeit besobränkt. Vak äas 8trebsn naeb
soleben ^.usgleiebsn äen Vorzug vor raäikalsn ge-
sellsebakiliebsn Ilmbrüeben erbält, sntspriobt nur
äer Einstellung katboliseben Donkens 2u äsn im
nomveltliubsn ^ngslegenbeüen. Der Roman ist inso
fern sukMu^ als er uns äiesss Denken
gleiebsam im ^lltagsgeumnä reiA.
8. Lraeauer.