Kmder-Kunst.
Berlin, im Januar.
die Ergebnisse des Zeichen
Sehe ich recht, so hat man sich inzwischen auch im Zeichenunter-
fehlt nicht an Stilleben, Brücken, Häfen Md ZM Gärten.
Ja die Inventaraufnahmen sind sogar ausgedehnter als früher, be
greifen sie doch außer der unbelebten Natur Porträts und Men-
fchengruppen mit ein. Aber der Akzent ist gründlich verändert. Er
ruht jetzt weniger auf der exakten Beobachtung irgendwelcher Vor-
lagM als auf dem freien Hantieren mit dem optischen
Material. Statt daß das Anschauungsvermogen des Kindes von
vornherein in bestimmte Bahnen gelenkt wird, erhält es, dZm allge-
komposition überwiegt daher bei weitem den zufälligen Bildaus
schnitt, und Phantasie-Montagen behaupten sich vor den Nach
ahmungen der Objekte. So Lauchen Henri-RoussNU-Landschaften
auf, zusammengestellte Gegenstände wirken wie ornamentale
Arrangements, und das Figürliche trägt fast durchweg einen
formelhaften Charakter, der nicht vom Urbild entlehnt ist. Oft
wird die Dingwelt.um beliebiger Raumkombinationen willen ganz
preitzgegeben oder sinkt doch zum Anlaß eigenwilliger Erfindungen
herab. Landkarten und Städtepläne gehen in Dekorationen über,
und durch manche Entwürfe schimmern die ursprünglichen Motive
nur noch undeutlich durch.
sich auf einer bestimmten Stufe der Entwicklung befinden, be
handelt sie vielmehr als Gleichberechtigte, deren Leistungen an
geblich dieselbe Gültigkeit haben wie ausgeceifte. Ich übertreibe
mit Absicht, um eine gegenwärtig herrschende Erziehungstendenz
zu kennzeichnen, die ihren Grund nicht zuletzt in der Ver
wirrung der Maßstäbe hat. Die Folgen dieser Tendenz
sind auch auf dem Gebiete des Zeichenunterrichtes bedenklich.
Zwar, man erhält dank der Willfährigkeit den kindlichen Manifesta
tionen gegenüber ausgezeichnete Einblicke in die Verfassung des
frühen Bewußtseins, Einblicke, die unter allen Umständen auf
schlußreich sind. So geht zum Beispiel aus zahlreichen Blättern
hervor, wie sehr das Kind der Fähigkeit zur perspektivischen Be-
ist das Zeichen des Mangels an einem Wohin.
Erfreulich ist die folgerichtige Ausdehnung des Unterrichts nach
allen möglichen Seiten. Man regt die .Kinder zu Plakaten an, laßt
die Mädchen der Oberstufe Kostüme, Kissen und Decken entwerfen
und veranlaßt Kollektivarbeiten, die sich auf Wandbilder,
zogen, deren man sich gerade in der Ausstellung bewußt wird.
Im Lichthof des Kunsttzewerb emuseums sind zur Zeit Denn das gezeigte Bildmaterial verrät unzweideutig, daß die
die Ergebnisse des Zeichen- und Werkunterrichts an Pädagogen den jugendlichen Schaffensdrang nicht nur um seiner
einigen Berliner höheren Schulen zu besichtigen. Auffällig selbst gewähren lassen, sondern ihn auch darum begünstigen, weil
ist, daß sich unter den vielen Schwarzweißblättern und Aquarellen, es ihnen an einer verbindlichen Haltung gebricht. Hätten die Er
deren Urheber im hoffnungsvollen Alter zwischen 10 und 20 Jah-wachsenen'eine Lehre, nach der sie zu lehren vermöchten, so zögen
ren stehen, nur vereinzelte Arbeiten finden, die unmittelbar nach sie es vermutlich vor, die Kinder behutsam zu leiten, statt ihnen
der Natur skizziert zu sein scheinen. Nicht so, als ob sie ungegen- das Feld mehr oder weniger zu räumen. Aber aus der Not der
ständlich wären; aber sie sind auch keine Nachbildungen. Wenn E r w ac h senen wi r d h e ut e u n v erse h ens di e Tu gen d d er Ki n d er .
ich an meinen eigenen Zeichenunterricht vor dem Krieg zmückdenke - M ap b egn ü g t s i c h n i c ht d am it, s i e a l s G esc hö p f e zu b egre if en , di e
wir gingen, was damals als großer Fortschritt erachtet wurde, mit
dem Feldstühlchen, dem SkizZenülock und dem Farbenkasten ins
Freie hinaus und schufen dann angesichts eines malerischen Häuser-
gewinkels, einer Baumgruppe oder eines Kirchturms möglichst
Wirklichkeitstreue Gebilde. Die Verkürzungen mußten stimmen, die
Schatten genau konturiert sein, und wer gar Laubwipfel plastisch
herausbrachte, galt schon beinahe als Künstler. Es waren richtige
Beutezüge, die wir mit dem Lehrer gemeinsam unternahmen. Und
die Naturfragmente, die wir auf ihnen nach und nach eroberten,
verwahrten wir sorgfältig in unseren Mappen wie in Herbarien.
Segelboote Puppen erstrecken. Ganz reizend ist ein Marionetten
theater geraten. Daß diese Arbeiten teilweise nach schlechtem Kunst
gewerbe sch verschlägt nicht sonderlich viel. Wichtiger ist,
Es ist zweifellos besser, die kindliche Phantasie Zu selbständigem d a ß ih re H ers t e llu ng d em B as t e lt r i e b G en ü ge tut, M a t er i a lk enn t-
Wachstum zu ermutigen, als sie künstlich zu biegen und pressen. nisse vermittelt und den Gemeinschaftssinn schult.
Allerdings sind dieser neuen Unterrichtsmethode Grenzen ge- 8. L raeauer .
trachtung enträt und im scharf abgesehen Nebeneinander der
richt von der Anpassung an die Gegebenheiten immer mehr emanzi- Dinge lebt. Aber das Ziel des Unterrichts ist ja weniger die
piert. Gewiß, die Stoffe sind zum Teil die alten geblieben, und es M e h r u ng u nserer E r k enn t n i sse a l s d er E r k enn t n i s f or t sc h r itt d es
Kindes. Ich will keineswegs behaupten, daß er ausblie.be; indessen
er tritt auch nicht spürbar an den Tag. Von einigen jugendlichen
Talenten abgesehen, die, wie es recht und billig ist, bewährte
Vorbilder nach empfinden, hält sich die Mehrzahl der Arbeiten
dauernd innerhalb der Schranken der kindlichen Vorstellungswelt,
die doch nach und nach gesprengt werden sollten. Es fehlt dex
Richtungssinn, und die Jugendlichkeit wird über Gebühr kon
serviert. Das springt nur darum nicht gleich in die Augen, weil
me i nen W an d e l d er p äd agog i sc h en Ei ns t e llu ng en t sprec h en d, hi n -, heute' manche Künstler selber auf die kindliche Schweife zurück
reichend Spielraum zur ungestörten Selbstentfaltung» Die Eigen- gre if en . Ab er s i e tu n es b e wußt, u n d s i c h er h a t ih r R egresses i n
die Infantilität dieselbe Ursache wie jene betonte Pflege des
primitiven kindlichen Wesens, die seinen Ueüergang zu reiferen
Daseinsformen nicht eben fordert. Die Überschätzung der Jugend