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Full text: Critik der Urtheilskraft

ihnen liegt. 
saa. 
Im goldenen LLebeMfig. Dieser Eichberg-Film der Ale- 
m a n n i a - Lichtspiele Lchandelt die SeelenksnfMe von! 
Menschen, die über Zeit und Meld genug verfügen, solche Konflikte 
zu erleben. Nur in den Oberschichten der Gesellschaft ist dergleichen i 
noch möglich. Man wird darum nicht erstaunt sein, Lee Parry 
als der entzückenden Tochter eines Großindustriellen zu begegnen. 
Um sich vor der Ehe hinreichend zu beschäftigen, geht sie ein Liebes 
verhältnis mit romantischem Aufputz ein, wobei die jungen Leute 
gar viel empfinden. Es trifft sich, daß ihr Geliebter spater ihr 
Mann wird, nicht ohne daß ihr diese Legalisierung der Beziehung 
als ein höchst umomantisches Faktum erscheint. Sie stellt die Poesie 
durch einen außerehelichen Kammersänger wieder her, der ihr zur 
Bühne verhelfen soll. Nur der Extravaganz wegen; im Grund ist 
sie ihrem Gatten treu. Dieser trennt sich von ihr, weil er nicht 
ertragen kann, daß sie in Meißen — gerade in Meißen! — debü 
tiere. Sie tut es auch nicht — aus Lampenfieber, wie es heißt—.son- 
dern fährt mrgesungen zurück und neigt sich dem guten Ende zu.! 
Die Flucht aus dem goldenen Käsig war nur ein Spaß, man hatte 
eben zu viel Zeit und mußte die gelangweilte Seele spazieren 
führen. Der Film besorgt dies grmrdliH, kein Kosen und Schmol 
len bleibt uns erspart. Treffliche Regieeinfälle versöhnen zum Glück 
mit den finanziell ausgiebig fundierten Empfindsamkeiten des 
problematischen Ehepaars, und der komischen Situationen sind eine 
stattliche Zahl. Hans Waßmanns väterliche Poltergestalt ist 
ein Kabinettstück für sich. -- Das NeLenprogwmm bringt eine 
Harald L l o y d - Groteske und die vollgespickte L^uliK-Woche. 
raca. 
Das Feuerroß. 
Dieser Fox-Film, den die Neue LichLLühne jetzt Vor 
fahrt, spiegelt ein Stück amerikanischer Geschichte wieder, das schon 
fast ein Mythos geworden ist. Ein moderner freilick, dessen Götter 
Dampfkräfte sind. Aber auch sie wirken Wunder und werden er 
fleht. Erträumt wird der Schienenweg, der den Westen erschließt; 
nicht als Zivilisatorische Leistung nur, sondern als einendes Werk. 
Der Film zeigt die Vorgeschichte:' ein Mann mit seinem Knaben 
wandert nach Westen; die Hoffnung auf die künftige Pacisic-Bähn 
lebt in ihm. Er wird Von den Indianern erschlagen und hinter 
läßt an dem Sohne einen der Vollstrecker des Traums. Die Ver 
wirklichung wird auf den Beschluß des Kongresses E Schon 
die Szene mit Lincoln, der Würde mit Freundlichkeit des Her 
zens verbindet. Nun entwickelt sich in breit angelegten Bildvor 
gängen das Leben auf der Strecke. Der Regie ist es erstaunlich 
gelungen, den Episoden Gleichniskraft zu geben. Hinter einem 
Arbeitertrupp spürt man die Masse, Konflikte werden zu Aeicken 
großer Parteiunaen^der Schienenstrang, der fich fortschreitend aus 
sich selbst gebiert, ist mehr als nur planmäßig verwandtes Mate 
rial. Von Osten und Westen her zugleich wird er angelegt, jede 
Meile kostet Blut. Denn die Indianer hassen das Feuerroß, das 
in ihre ewigen Jagdgründe schnaubt. Sie berauben die Proviant 
züge und töten, was und wo sie nur können — dem Natisnal- 
heldeu Buffalo Bill zum Trotz, der vorübergehend auch einmal 
sind, möchten sie eine neue bereiten. Die Zerstreuung, die sinn 
voll einzig als Improvisation ist, als Abbild des unbeherrsch 
ten Durcheinanders unserer Welt, wird von ihnen mit Drape 
rien umhängt und zurückg-ezwungen in eine Einheit, die es gar 
nicht mehr gibt. Statt Zum Zerfall sich Zu bekennen, den 
darZustellen ihnen obläge, kleben sie die Stücks nachträglich zu 
sammen und bieten sie als gewachsene Schöpfung an. 
Ein Verfahren, das sich rein künstlerisch rächt. Denn durch 
die Einverwebung in ein geschlossenes Programm wird der 
Film um seine mögliche Wirkung gebracht. Er gilt nicht mehr 
an sich selbst, sondern als Krönung einer Art von Revue, die 
auf , seine eigenen Existenzbedingungen keine Rücksicht nimmt. 
Seine Z w e i di me n si o n a l i t ä L erzeugt den Schein der 
Körperwelt, ohne daß sie einer Ergänzung bedürfte. Werden 
indessen Szenen von realer Körperlichkeit dem Licht-Spiel bei 
gesellt, so sinkt es in die Fläche zurück, und der Trug ist ent 
larvt. Die NachLarschast von Ereignissen, die eine Raumtiefe 
besitzen, zerstört die Räumlichkeit des auf der Leinwand Ge 
zeigten. Der Film fordert von sich aus, daß die von ihm ge 
spiegelte Welt die einzige sei; man sollte ihn jeder dreidimen 
sionalen Umgebung entreißen, sonst versagt er als Illusion. Auch 
das Gemälde verliert seine Macht, wenn es inmitten lebender 
Bilder erscheint. Ganz zu schweigen davon, daß die künstle 
rischen Ambitionen, die zu dem Einbau des Films in die 
Scheintotalität führen, fehl am Platze sind und daher unein- 
gelost bleiben müssen. Was entsteht, ist allenfalls Kunstge- 
werb e. 
Aber die Lichtspieltheater haben dringlichere Aufgaben zu 
erledigen, als um Kunstgewerbliches sich zu bemühen. Ihren 
Beruf — er ist ein ästhetischer nur, insofern er sich im Einklang 
mit dem sozialen befindet — werden sie erst erfüllen, wenn sie 
nicht mehr mit dem Theater liebäugeln und eine vergangene 
Kultur ängstlich zu restituieren trachten, sondern ihre Dar 
bietungen von allen Zutaten befreien, die den Film entrechten, 
und radikal auf eine Zerstreuung abzielen, die den Zerfall ent 
blößt, nicht ihn verhüllt. Sie könnten es in Berlin, wo die 
Massen leben, die nur darum so leicht sich betäuben lassen, weil 
sie der Wahrheit nahe sind. 
— Mem Freunds der Chauffeur. Man möchte mitreisen, von 
der WvNra zu den oberitälienischen Seen, nach Venedig und 
Ragufa zuletzt. Immer in Autos. Zwar in dem des Grafen eben 
nicht. Sein Chauffeur ist schlecht, eine Panne holt es sich nach 
der andern, beeinflußt offenbar von seinem Besitzer, der das böse 
Prinzip verkörpert. Das Zweite Auto dagegen ist ein Ausbund an 
Tugend und Schnelligkeit, fix stets und ordentlich wie die Leiden 
jungen Engländer, die es bedienen. Sie fahren drei Amerikane 
rinnen an den Sonnenkulten entlang: Mutter, Tochter und eine 
befreundete Millionärin. Einer von ihnen spielt den Chauffeur, 
was ihn nicht hindert, sich Zu verlieben und Gegenliebe zu finden. 
Die Mutter halt es mit dem Grafen, der, um ihr Vermögen zu ehe 
lichen, die Gefellschaft über die steÜsten Serpentinen begleitet. Er 
hat der Frau, deren Millionen er begehrt, sein Schloß verkauft, 
das keines ist. Die Törichte erfährt es durch einen italienischen 
Fürsten, der Zur rechten Zeit sich einstellt, um sie aus Liebe zu 
heiraten. Er nicht allein tut diesen Schritt. Die beiden Engländer 
erobern sich durch ihre Autokünsts den Backfisch und die befreundete 
Millionärin, die sonst übrig geblieben wären; nicht ohne, daß der 
eine von ihnen' diese zwei aus den Händen des Grafen gerettet 
hatte, der sie aus finanziellen Gründen nach Montenegro entführte. 
Alles im Auto, über der Bucht von Cattaro. Sie hält ihren Retter 
für den Chauffeur, und erst im letzten Augenblick wird ihr kund, 
daß er ein Lord. Drei Paare feiern beglückt ihre Verlobung. Für 
immer vereint, in DalmaLien. Es verdient angemerkt Zu werden, 
daß der Lordtitel die mit ihm nun verbundenene Amerikanerin 
wenig beeindruckt. „M ein Freund, der Chauffeur": diese 
Benennuna des Geliebten ist ihrem demoTatischen Herzen näher. 
So heißt oaher auch der Film. Immerhin ist es ungewiß, ob sie 
den Chauffeur geheiratet hatte, wenn er kein Lord gewesen wäre. 
Die reizende Komödie wird von den Saalburg-Licht 
spielen vorgeführt, die auch ein gutes Beiprogramm zeigen. 
. raca. 
!austaucht. Die Darstellung dieses Guerilla-Krieges ist über 
raschend geglückt: nichts wirkt unwahr, die Genauigkeit der Meder- 
! gäbe erzeugt vielmehr eine höchst reale Spannung. Sie wird, 
wie es der Film verlangt, durch eine Romanhandlung wachgehal- 
Len, in der jene friedlichen Heroenzeiten ihre Konkretisierung 
finden. Der Junge aus der Vorgeschichte verkörpert das allge 
meine Heldentum in seiner Person. Er vereitelt böswillige An 
schläge und tötet aus legitimen Gründen sowohl den Verlobten 
seiner ehemaligen Spielgefährtin, die er liebt, wie den Mörder 
des Vaters. Private Wildwest-Ereignisse, die aber so geschickt in 
das Milieu hineinkompaniert find, daß durch sie auch die Hinter 
gründe lebendig werden. Diese sind farbig gehalten. Drei Auf 
seher: ein Deutscher, ein Engländer, ein Ire bilden ein wackeres 
Kleeblatt von drastischer Komik, das immer wieder zum Ruhe 
punkt wird. Ausgezeichnet eine wirksam aufgebauts Rausszene, 
charakteristisch als Sittenschilderung die Amtierüng des Friedens 
richters, der zugleich Barwirt ist und Ehen so kategorisch schließt 
wie scheidet. UeLerall wird das Historische unmittelbar ins Op 
tische übersetzt, es fehlen die Leerstellen, die man in deutschen Ge- 
schichtsfilmen oft findet, deren historische Treue darum nichts 
größer sein mag. Die Krönung ist das Zusammentreffen der 
I Schienmstrange am Schluß. Feierlich wird der letzte Schwellen- 
nagel eingeschlagen; er ist aus Gold, Kalifornien hat ihn gestiftet. 
Die greifbare Realität dieser simplen Handlung erschüttert, weil 
sie einen Hinweis auf die allgemeine Bedeutung des letzten 
Schwellennagels enthält. Es will viel heißen, daß der Film, von 
Tomen Schwächen abgesehen, den Mythos im Bürgerrsck Zur 
glaubhaften Bildchronik hat gestalten können. Die Amerikaner 
beweisen damit, daß nicht nur das groteske Gegenspiel der Reali«' 
tät, sondern auch die unmittelbare Wiedergabe des Geschehens
	        
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