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Full text: Lesebuch für österreichische Volksschulen : Ausgabe in fnf Theilen. - 2. Theil.

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Wie's Nacht ist, schläft das Bäumlein ein, und früh 
istss aufgewacht; da hat es goldene Blätter fein, das war 
eine Pracht! Das Bäumlein spricht: „Nun bin ich stolz, 
gold'ne Blätter hat kein Baum im Holz.“ Aber wie es Abend 
ward, gieng der Räuber durch den Wald mit großem Sack 
und großem Bart, der sieht die gold'nen Blätter bald; er steckt 
sie ein, geht eilends fort und lässt das leere Bäumlein dort. 
Das Bäumlein spricht mit Grämen: „Die gold'nen 
Blätter dauern mich; ich muss vor den andern mich schämen, 
sie tragen so schönes Laub an sich; dürft' ich mir wünschen 
noch etwas, so wünscht' ich mir Blätter von hellem Glas.“ 
Da schlief das Bäumlein wieder ein, und früh ist's wieder 
aufgewacht; da hatt' es gläserne Blätter fein, das war eine 
Pracht! Das Bäumlein spricht: „Nun bin ich froh, kein Baum 
im Walde glitzert so.“ Da kam ein großer Wirbelwind mit 
einem argen Wetter, der fährt durch alle Bäume geschwind 
und kommt an die gläsernen Blätter; da lagen die Blätter 
von Glase zerbrochen in dem Grase. 
Das Bäumlein spricht mit Trauern: „Mein Glas liegt 
in dem Staub, die andern Bäume dauern mit ihrem grünen 
Laub. Wenn ich mir noch was wünschen soll, wünsch' ich 
mir grüne Blätter wohl.“ Da schlief das Bäumlein wieder 
ein, und wieder früh ist's aufgewacht; da hat es grüne 
Blaͤtter fein. Das Bäumlein lacht und spricht: „Nun hab' 
ich doch Blätter auch, dass ich mich nicht zu schäͤmen brauch'.“ 
Da kommt mit vollem Euter die alte Geiß gesprungen, sie 
sfucht sich Gras und Kräuter für ihre Jungen; sie sieht 
—D0 fristt es ab mit Stumpf 
und Stiel. 
Da war das Bäumlein wieder leer, es sprach nun 
zu sich selber: „Ich begehre nun keine Blaͤtter mehr, 
deder gruͤner, noch rother, noch gelber. Hätt' ich nur meine 
Lesebuch in v Theilen. M. 6
	        
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