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Me der ZuZeKhbmekWg. !
In Frankfurt hat kürzlich eine von der hiesigen
„Jugendbücherstube" veranMtete „Woche der Jugendbe
wegung" stattgefunden, die in mehr als einer Hinsicht lehrreich
war. Sie bestätigte zunächst, was Einsichtige freilich schon
seit längerer Zeit wußten: daß nämlich die Jugendbewegung
ülS Sonderöewegung einen gewissen natürlichen Abschluß
erreicht hat. War die Jugend früher nur Vorstufe des Alters
und bloßes Objekt einer ihren Bedürfnissen nicht cngepaßten
Erzichung gewesen, so wird heute, zum Teil infolge des von ihr
geführten Kampfes, ihr Anspruch auf Eigengeltung nahezu all
gemein anerkarmt. Nach der Loslösung von den sie an ihrem
Eigensein hindernden Mächten erwächst nun für sie die Ver
pflichtung, das Errungene zu befestigen und sich irgendwie dem
Ganzen des Lebens wieder einzugliedern. Spürbar
wird diese Verpflichtung zumal der aus der Jugendbewegung
hervorgegangenen älteren Generation. Sie fühlt, daß es nicht
genügt, sich abseits von der nüchternen Lebenswirklich-
krit eine kleine romantische Oase der Freiheit geschaffen zu
haben, daß vielmehr gegenwärtig vor allem die Frage nach dem
Sinn der Freiheit eine Antwort erheischt. Aus dem Stadium
negativer Abmrhr ist so die Bewegung in ein Stadium getre
ten, das positiver Meisterung der Wirklichkeit gilt, und hört
eben damit auf, bloße Jugendbewegung Zu sein. Ueberall, wo sie
bei ihrem Streben nach Einordnung mit dem konkreten Leben
in Berührung kommt, stößt sie auf Fragen, die gar nicht Fra
gen der Jugend allein, sondern solche der ganzen Volks
gemeinschaft sind. Kein Wunder, daß über dem Ringen mit
diesen pädagogischen, sozialen, kulturellen, politischen Proble
men die sich entwickelnde Bewegung ihren ursprünglichen
Charakter veAoren hat. Dir vielen Spaltungen, die heute
innerhalb der Jugendbewegung herrschen, entsprechen ungefähr
den weltanschaulichen Spaltungen und Parieiungen innerhalb
des gesamten Volkskörpers, woraus Zur Genüge hervorgeht, daß
das, was heute Jugendbewegung heißt, nicht eigentlich mehr
ein Drängen und Wollen ist, das lediglich die Jugend als Ju
gend betrifft sondern ein Kampf geistige Mächte, der unter!
anderem auch in den Kreisen der Jugend ausgesuchten wird
und dadurch allerdings seine besondere Färbung erhält. Das
ist auch lo durchaus in Ordnung, denn die Jugend kann sich
auf die Dauer nicht vom Volksganzen absperren Wenn sie sich
aber nsrmalerweise in das. allgemeine Leben einzufügen sucht,
so versteht es sich wiederum von selber, daß sie dann nicht mehr
geschloffen als Partei der Jugend aufzutreten vermag.
Pfarrer Dr Wilhelm Stählin (Nürnberg), dessen
Vertrag den Auftakt der Woche bildete, führte sogleich durch
seine scharfe, aber von inniger Liebe zu*- Jugend beseelte
KrM an den Ausartungen der Jugendbewegung mitten in
die schwerwiegende ProdLernatik unserer geistigen Gesamt-
lage hinein. Seine Rede glich einer Zwiesprache des
Erstellung von Neubauten'zu Zwingen, sowie auch Industrielle
ßur Schaffung von Arbeiterwohnungen Zu veranlassen. Diese
Maßnahmen erschienen dem Stadtv. Lang (Komm.) nicht durch«
greifend genug; er beantragte statt dessen Unterstützung der
„Bauhütte" durch den Magistrat und fernerhin Kommunaliste-
rung der Baubetriebe. Stadtv. Bouveret (Dem.) forderte,
daß die Baukostenzuschüsse nur an ortsansässige Handwerker ver
geben Werden. Stadtrat Dr. Landmann betonte, daß Frank
furt iübezug auf die Neubautätigkeit nicht zurückstehe, und hob
als entscheidende Tatsache hervor, daß die Stadt nur mit den
Bauzuschüssen arbeiten könne, die Gr von Berlin aus über-
wiesen werden. Diese Zuschüsse sind nicht so hoch wie die in
anderen Ländern bercitgrstellten Mittel. Von ihrer Höhe aber,
die wiederum an die Wohnungsabgabe geknüpft sei, hänge haupt
sächlich die zukünftige Neubautätigkeit ab. Die beiden Vorlagen,
betreffend Beihilfen zum Wohnungsbau und Gewährung von
Prämien füx freigemacht-e Wohnungen, gingen an den Hochbau
ausschuß.
Zur Beteiligung der Stadt an dem Rhein-Main
Donau-Kanal führte Stadtv. Fleischer (Lib.) aus, daß
die Rentabilität des. Unternehmens genügend gesichert seich
Stadtv. Plewe (Unabh.) machte verschiedene Bedenken gegen
das Projekt geltend und beantragte Verweisung der Vorlage
an den wirtschaftspolitischen Ausschuß. Stadtrat Dr. Land
mann bob ihm gegenüber den gemeinwirtschaftlichen Charak
ter des Unternehmens hervor und empfahl Annahme der Vor
lage. Diese ging an den Haupt- und wirtschaftspolitischen Aus
schuß zurück. . .
In einer Debatte über die durch den Magistrat erfolgte Ab
lehnung des Beschlusses der Stadtverordneten - Versammle
einen Betrag zu Gunsten der notleidenden Russen zu
Lewilliarn, gaben die Stadtv. Plewe (Unabh.) und Lang
(Komm.) der Entrüstung ihrer Fraktionsfreunde über die neuer
liche Magistratsentscheidung Ausdruck. Oberbürgermeister Voigt
begründete diese Entscheidung damit, daß die Not in Deuts^
land selber die beantragte Unterstützung der Russen unmöglich
mache. Die Unterstellung des Stadtv. Plewe, daß der Magistrat
sich von politischen Motiven habe leiten lassen, wies er energisch
zurück. Gegenüber den Ausführungen des Stadtv. Lang er
klärte er, daß der Magistrat nur seine verfassungsmäßigen Rechte
ausgeübt habe. Stadtv. Heißwolf (Soz.) bedauerte eben
falls den Mamstratsbeschluß und nahm ihn zum Anlaß., auf
schnelle Durchführung des neuen Gemeindeverfassungsgeletzes
zu dringen. Pros. Dessauer (Zentr.) schloß sich namens
seiner Vartei aus menschlichen und politischen Gründen dem
Bedauern über den Entscheid an und bat um nochmalige Prü
fung des Antrags. In der Abstimmung wurde em Antrag
L^ng auf Erneuerung des Beschlusses der SLadtverordneten-
Versammlung angenommen. Das Mißtrauensvotum fand AL-
^Die^Vorlage über die Herausgabe eines stLdN
meindeblattes wurde nach längerer Debatte dem Aemsten-
Ausschuß überwiesm.
Die Kartssfelversorgung.
Stadtv. Frau Fürth (S°z.) begründete einen Antrag ihrer
Fraktion, den Magistrat zu ersuchen, zur Milderung der Rot der
minderdMittelten Bevölkerung geergne e Maßnahmen^ zu trchen.
Der Antrag fordert u. a. Erhöhung der Wmterhechrlfe, Verein
barungen niit dem Kartosfelgroßhandel, Eindeckung der StM
den ab'olut notwendigen Lebensmitteln und schärfste Anwendung
des Wuchergesehes. Stadtv. Lton (lib.) erklärte, daß ferne Frak
tion mit gewissen Aenderungen den Antrag in seiner Tendenz
unterstütze. Sein Vorschlag sei, der Magistrat solle ber allen Le
bensmitteln wie auch beim Heizbedars freie Vereinbarungen treffen
und die KEsiionierung auf den gesamten LevenSmittelhandet
ausdchnen. Wie Stadtrat Dr. Schmude betonte, hat sich die!
Kartosselversorgung in der letzten Zeit erheblich gebessert. Er-!
schwerend auf die Zufuhr wird freilich der Frastemtrüt und dre
Vreissteigerung durch die Ausläufer wirken, ^rn ganzen schloß er
M namens des Magistrats dem Antrag in seinem Gesamttenor an
und versicherte, den Anregungen entsprechen zu wollen. Nach Aus-
Mbrunmn des EÜabv. Lang (Komm.), bem Animg mchl
weit genug geht, hob Stadtv. Goldschmi-t (Dem.) u. a. her
vor daß das Publikum selber durch seine Angstkäufe einen guten
Teil der Schuld an dem Empsrschnellen der Preise an der „Valuta
kartoffel" trage. Die demokratische Fraktion sei mit dem Antrag
unter dem Vorbehalt einverstanden, daß der Magistrat nicht ohne
äußerste Not zur Bewirtschaftung von Lebensrnitteln schreite. Die
unter dem Vorsitz von Stadtv. SZmakowski (Zentr.) vorge-
uommene Abstimmung ergab einstimmig Annahme des Antrags
mit den Abänderungsvorschlägen Lwn, für die sich in ihrem Schluß
wort auch Stadtv. Frau Fürth (SgZ.) erklärte.
Dem von uns auszugsweise schon veröffentlichten Bericht des
Hauptausschusses über die Einführung neuer Steuern
und Gebühren (Berichterstatter Landgrebe) folgte zu
. später Stunde noch eine Debatte. Stadtv. Lion (lib.) bean- z
tragte Erhebung darüber, ob Erhöhung der Wertzuwachssteuer bei -
GrundstücksveMufen an Ausländer möglich ist, und forderte Er
hebung der Gebühren nach den reinen Mieten. Gegen die erste
Anregung des Stcdw. Lion sprach sich Stadtv. Dr. Heilörunn
(Dem.) aus, der im übrigen beantragte, daß bei Verkäufen vor
dem November s1921 die Steuern nach den alten Sätzen Zu Le-
mefsen seien. Nach Ausführungen des Stadtv. Wagner (Mit
telstand). der u. a. eine Erhöhung der Wertzuwachssteuer und die
Schaufensterswuer ablebnte, befürwortete Stadtrat Dr. Langer
die S ch a u f e n st e r ste u e r, die Bewilligung der von dem Vor
redner gerügten Steuern, wandle sich gegen jede Beschränkung der
vorgeschlagenm Gebühren und kündigte bereits eine neue Steuer
vorlage an. Die Anträge des Hauptausschusses mit den Anträgen
Lwn und Heilörunn wurden angenommen, dH Vorlage über die
S ch a u f e nst e r b est r u e r u n g ging an Best HauptauZschuß.
--- l„Goctho als Nrbckter und Sammler.Im UMm-«
einer Vortmgsfolge über Goethe, die zum Besten des F r s «k.
furter Goethe - Mus eums von dsr Log- „Carl zum Lini»e!'.
berg" veiansialtet wird, entwarf dieser Tage Geh.-Rat Dr. W. vsn
Oettingen ein anschauliches Bild von Goethes ArbeitStech Ä
und Sammlertätigkelt. Seins Rede, die von einem echt hinnsrs«
Geist durchweht war, geleitete die Hörer durch daS ganze Leben des
LrchterS. Schon von Anbeginn an, so führte der Vortragende suZ,
hat Goethe im elterlichen Hause das Arbeiten gelernt und fick über-
dres an das ihni später unentbehrliche Diktieren gewöhnt. Besonders
bezeichnend für feine Arbeitsweise war es, das; er bei allem, was
immer er tat, auk unmittelbare Berührung mit den Dingen ssl'ü ?,
drang. Als Staatsbeamter etwa regierte er nickt vom grüne« Tb-b
aus, sondern überzeugte sich durch persönliche Anschauung von dem
Stand auch noch der kleinsten Angelegenheit. Fleiß. OrdnunMiebe
und unermüdliche Kleinarbeit ermöglichten es ihm, als Leiter tz-r
wissenschaftlichen Anstalten und als Theaterdirekwr die ihm unter-'
stellten Institute auf eine früher nicht erreicht- Höhe zu bringe«,
-ein- dichterische Arbeitstätigkeit vollzog fich, wie der Rrdn-Z nn
! einer Reihe von Beispielen nachwres, auf ganz verscknedenc LS-
-Bald entsprangen seine Werke in sogleich vollkommenem Lust^d
genialischer Einfalt, bald reiften sie dank, wiederholter DearbertAU«
der uifprürglichen Entwürfe langfam und wohl auch sprunabatt
, heran. Die Technik eigener Beobachtung bewährte sich zumal a"k
!dcm Gebiete der Naturwissenschaften und der Sunstbetrachluna.
Wohl begreiflich, daß das Sammeln bei Goethe unmittelbar mit
I seiner besonderen Arbeitsweise verknüpft war. Seine Kunstlamwinu-
igsn allein umfaßten ungefähr MOOO Gegenstände, die er te'ls an
Hand von Katalogen bestellte, teils durch Agenten bei NEonEn
.erwerben ließ. Sammclprinzip war bei ihm nicht die VoLns-ü:"
reit, sondern Auslese des künstlerisch Wesentlichen. Jedes
dieser oft vorgezeigren und zum Studium verwandten Sammkww-m
hatte für ihn, fs hob der Redner am Schlüsse noch hervor nach
seinen eigenen Wonen eins unersetzliche Bedeutung. ' Nr