) Vevgl. Hochschul-Blatt vom 8. März.
BehM Troeltsch gegenüber Weber taAn recht, daß er die
Konstruktion von Sinnzusammenhängen an Wertungen
knüpft, die eben nur nicht, wie er meint, im Rahmen wissen
schaftlicher Betrachtung aus dein Relativen ins Absolute
hinübergespielt werden dürfen, so behauptet Weber entgegen
Troeltsch mit Recht die Relativität aller Wertentscheidungen
Vom Standpunkt der Wissenschaft aus und irrt erst,
wenn er ihrer entraten zu können glaubt. Das Ergeb-
das nicht der Fall ist, beruhe« sie immer auf einem solchen
„Wenn", da sie ja zur Darstellung eines beliebigen ideal
typischen Sachverhalts die Ersahrungsmannigfaltigkeit zuvor
notwendig Wimmten Bsdingungen unterwerfen muffen. Wie
vollzieht sich nun mit Hilfe dieser idealen Konstruktionen die
Erklärung der Wirklichkeit selber? Man gelangt nach Weber
zu ihrem objektiven Verständnis dadurch, daß man den je
weiligen Erfahrungszusammenhang mit der von ihm ab
strahierten idealtypischen Konstruktion vergleicht, feststellt, in
wieweit er mit ihr übeveinstimmt oder von ihr abweicht und so,
unter steter Benutzung der eindeutigen idealthpischm Begriffe,
allmählich den betreffenden Zusammenhang mehr und mehr
entwirrt, was freilich immer nur annäherungsweise möglich ist.
Aus Webers Grundposition folgt unmittelbar, daß er einer
vorwiegend soziologischen Verarbeitung des Stoffes zudrängen
muß, die, wie Troeltsch bemerkt, „ohne jede geschichtsphilo-
sophische Konstruktion und Sinndeutung des Prozesses" ist.
Tiefer ethisch unterbaute Verzicht auf große Geschichts-
fynthesen, der seiner Einsicht in ihre Wertbedrnglheit ent
springt, hindert ihn natürlich nicht daran, gewisse historische
Entwicklungen als Jdealtypen zu konstruieren (vgl. seine Aü-
Dandlung über „Die protestantische Ethik und der Geist des
'-Kapitalismus"), vor deren Beimengung mit der Wirklichkeit
er aber niemals zu warnen unterläßt. Was schließlich den
Sinn der Wissenschaft anbetrifst, so weist er ihr eine durchaus
dienende Rolle zu. Sie hat die technische Beherrschung des
Lebens zu ermöglichen, Klarheit darüber zu schaffen, wie bei
Verfolgung irgend eines Zieles am besten zu verfahren sei,
und vor allem jede persönliche Wertentscheidung bis auf die
weltanschauliche Position zurückzusühren, der sie entquillt, um
derart den Wertenden zu zwingen, sich Rechenschaft über sein
eigenes Tun abzulegen. Man erkennt leicht, daß sich aus dieser
Einordnung der Wissenschaft in das Ganze des Lebens zu-
Hleich eine gewisse Abgrenzung der Stoffunendlichkeit ergibt.
Wie bei Troeltsch, so ist auch bei Weber zu fragen, ob es
ihm gelingt, des Relativismus Herr zu werden und den An
spruch der Wissenschaft auf Objektivität zu erfüllen. Sicherlich
darf ihm zugestanden werden, daß er sich, seiner Absicht ge
mäß, des Ausgangs von persönlichen Wertbehauptungen ent
hält, und die Auswahl des Erfahrungsstofses wie der Jdeal-
typen lediglich in Beziehung auf Werte vornimmt. Und doch:
verwendet" er die Jdealtypen, die selber schon infolge ihres
großenteils empirischen Charakters sehr fragwürdige Gebilde
sind, in der geschilderten Weise zur Erforschung der Erfahrungs
zusammenhänge, so zeigt sich früher oder später, daß er die
angesirebte Objektivität cke kacto nicht zu verwirklichen vermag.!
Da nämlich der Inbegriff aller eine gegebene Realität aus-!
machenden Verknüpfungen schlechterdings unausschöpflich ist,
müßte Weber zu ihrer objektiven Erfassung an den das Ver
ständnis der Realität erschließenden idealtypischen Fall eine
konstruktive- Bestimmung nach der anderen in unendlichem
Fortgang anreihen. Es leuchtet ein, daß die völlige Durch
führung dieses BestimmungsprozesfeS sich prinzipiell verbietet,
daß sein Abbruch an irgend einem Punkte unvermeidlich ist.
Wo er aber zum Stehen kommt, wo also das gespenstische
„Wenn" der idealtypischen Konstruktionen auf daZ „Ist" einer
Wirklichkeitsaussage aufprallt, das hängt ganz davon ab, wie
der untersuchte ErfahrungSzusammenhang aufgefaßt und be
urteilt wird. Mit anderen Worten: trotz aller Sicherungen
schleichen sich, die immer von neuem hinausgeschobenen Wer
tungen am Ende doch wieder ein, ein dauerndes Vorbeigleiten
an ihnen, und damit an subjektiv bedingten Standpunkten,
' ist unmöglich. So gleicht denn Webers Methode einer abschluß
losen Hetzjagd im Schattenreich der Empirie, bei der er sowohl
Verfolgter wie Verfolger ist; hinterrücks Überfällen ihn die
Wertungen, die er ins Angesicht hinein verleugnet, während
das Objektive, dessen er habhaft zu werden trachtet, vor ihm
ins Unendliche flieht — und fliehen muß, da er in ihm ja,
ergriffe er es je, das Absolute selber, wenn auch im Spiegel
bild nur, gleichsam als Leerform, gewönne. Ein doppelt
tragisches Schauspiel, diese mit einen: Furor ohnegleichen
unternommenen Streifzüge: nicht nur, daß sie, auf vergeblicher
Flucht und vergeblicher Suche, ins Uferlose entführen — in
dem sie der Sinngebung des Geschehens entsagen, wird auch
zuletzt ihr eigener Sinn problematisch. Weber stellt zwar
ausdrücklich die Wissenschaften in den Dienst des Sich-Ent-
scheidenden, der mit ihrer Hilfe die Erkenntnis des Ursprungs
und der Folgen seines Tuns erlangen soll, die Frage ist aber,
ob nicht gerade durch solches schrankenlose Erkennenwollen, das
schließlich auch die Stoffabgrenzung zu einer Sache der Will
kür macht, die Möglichkeit des Sich-Entscheidens unterbunden
wird. Dies wäre lediglich die geheime Rache der Wertungen
für ihre heroische Preisgabe um des Phantoms einer Objektivi
tät willen, die ja doch nicht erjagt werden kann.
nis ist, daß die Wissenschaften, insofern sie auf das Ver
ständnis der geistigen Erfahrungswelt abzielen, dem Rela
tivismus notwendig verfallen sind. Die unüberwindlichen
Schwierigkeiten, denen im übrigen ihr Vorhaben begeg ¬
net', erftären sich, um auch das noch anzudeuten, aus
der Unangemeffenheit der spezifisch wissenschaftlichen Kate
gorien an den Stoff des geistigen Seins und Geschehens.
Solange indessen die mit diesem Stoffe sich befassenden Wissen
schaften sich M reine Wissenschaften konstituieren, können
sie gar nicht anders sein, ÄS sie nun einmal sind, und
es wäre ein durchaus verfehltes Bemühen, sie von inner her
begrenzen zu wollen. Nicht von der Wissenschaft selber oder
mit Hilfe philosophischer Spekulation vermag die durch das
erwachte Gewissen der Jugend herausbefchworene „Wifsen-
fchastskrisis" gelöst zu werden, sie erfordert vielmehr zu ihrer
Ueberwindung den wiMchen Austritt aus der ganzen geistigen
Situation, in der Wissenschaften wie die hier gemeinten in
solchem Ausmaß überhaupt möglich sind. Tilgung des rela
tivistischen Denkens, Sperrung des Blicks gegen die uferlosen
Unendlichkeiten: das alles ist gebunden an einen in Wirk
lichkeit vollzogenen Wandel des ganzenf
Wesens — und vielleicht nicht einmal an ihn allein. Wie
dann,,nach dem durch solchen Wandel etwa bewirkten Eingehen
in das Absolute, das geistig« Geschehen sich darstellt und welche
Begrenzung die feiner Erkenntnis gewidmeten „Wissenschaf
ten" erfahren: das auszumachen, führt schon über Absicht und
Möglichkeit dieser Betrachtung hinaus. j
Ausstellung der Lunstgewerbe-Fachschule.
--Die Kunstgewerbe-Fachschule an der Moltke.
Allee ist in den letzten Jahren unter Direktor Walter stark
ausgebaut worden. Wie die diesjährige Ausstellung der
Schülerarbeiten beweist, freut sich besonders das
graphische Gewerbe sorgsamer Pflege. In der Schule sind
alle zur Herstellung des Buckes erforderlichen Werkstätten einge
richtet : so die Stempelschneiderei, die Schriftgießerei, die Setzerei,
die Buchbinderei, sodaß dieSchüler eine gründliche praktische Durch,
bildung erhalten. Auf dieser gediegenen Grundlage bauen sich
dann die höheren, mehr kunstgewerblichen Leistungen auf; also
! etwa das Schriftfchreiben, der Plakatentwurf, die Flächenkunst
mit ihren mancherlei Techniken usw. Schon in den LehrlingSkursen
wird auf eine möglichst umfassende Ausbildung Gewicht gelegt;
ihnen schließen sich dann die freiwilligen Abendkurse an, in denen
Gelegenheit zur Weiterbildung in einer ganzen Reihe von Fächern
gegeben wird, sowie als Oberbau die Tageskurse für die Fortge
schrittenen. Einzelne Klassen — wir nennen nur die von A.
Windisch geleitete — Weisen ganz vorzüqliche Leistungen auf.
Von Ostern ab will man unter der Bezeichnung: Drucke der
Frankfurter Gutenbergpresse ausgewählte Drucks
herausbringen. Das erste Buch, eine von Pros. Ziehen mit
Vorwort und Anmerkungen versehene Abhandlung Schopen
Hauers, liegt bereits vor und soll binnen kurzem in einer Auflage
von 2ö0 Exemplaren erscheinen. ES ist in einem von der
Bauerschen Schriftgießerei gestifteten Ehmke-Schriftsatz auf
handgeschöpftes Büttenpapier gedruckt. — Zu erwähnen ist noch
die Abteilung für Schreinerei mit ihrer großzügig angelegten
Lehrwerkstatt, in der unter der Leitung eines Schreinermeisters
die einzelnen Möbelstücke von den Schülern selber nach eigenem
Entwürfe angefertigt werden. Daß sich alle Abteilungen auf der
selben Höhe hielten, wäre zu viel behauptet; so erscheint eher, um
ein Beispiel Herauszugreifen, das Projektiynszeichnen als recht
reformbedürftig. Es hängt hier eben viel von der Richtung des Lehrers
ab, und ein gleichmäßiges Niveau wird sich Wohl erst nach und
nach erreichen lassen. Insgesamt verfügt die Schule jetzt über
fünfzehn Lehrwerkstätten, die sich zum großen Teil durch den Ver
kauf der aus ihnen hervorgegangenen Arbeiten selbst erhalten.
Eine wesentliche Erleichterung für die Schule bedeutet es, daß
viele Materialien von Fabriken und Firmen kostenlos zur Ver
fügung gestellt werden. Solchem Entgegenkommen verdankt z. B.
die Zahnklinik, in der jedermann zum Selbstkostenpreis be
handelt werden kann, ihre ausgezeichnete Einrichtung. Hervor
gehoben zu werden verdient übrigens auch die Beweglichkeit,
mit der man lich den verschiedensten Bedürfnissen anzupassen
strebt. Neuerdings sind z. B. Kurse für Schüler vom 10. bis zum
14. Jahre eröffnet worden, in denen die Möglichkeit, zum Frei
handzeichnen, Zirkelzeichnen und Modellieren gegeben ist. Manche
noch schlummernde Begabung wag hier rechtzeitig geweckt werdeW
und sich selber entdecken.